Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

das Verdienst der deutschen Politik, insbesondre des deutschen Reichskanzlers; die
Konferenz von Algeciras ist damit zu einem unter den heutigen internationalen
Verhältnissen und bei dem allgemeinen Expansionsbedürfnis wichtigen und wert¬
vollen Präzedens geworden. Der Umstand, daß wir in Algeciras einem Zusammen¬
schluß von fünf Mächten gegenüberstanden, wird in der deutschen Presse gelegentlich
immer noch als ein Zeichen der Schwäche und Isolierung behandelt. Das Ausland
denkt anders darüber, und auch in Deutschland sollte doch endlich die Befriedigung
an dem ungeachtet dieser Gegnerschaft erreichten Erfolge überwiegen. Gerade weil
der Interessentenkreis auf französischer Seite in Algeciras so groß war, können wir
mit dem Ergebnis um so zufriedner sein. Für Deutschland hat es sich dort um
internationale Prinzipienfragen und Grundsätze, nicht um Einzelheiten gehandelt.
In Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse sind jene sicherlich nicht zu kurz ge¬
kommen.

Der Reichskanzler, der in Norderney fleißig reitet und schon dadurch die
wiedergewonnene Vollkraft betätigt, hat durch sein Eingreifen in die bedauerlichen
Verhältnisse bei der Kolonialabteilung seinen Entschluß zu erkennen gegeben, dort
endlich reinen Tisch zu machen. Es würde das wahrscheinlich die Aufgabe des
Kolonialsekretärs geworden sein, wenn der Reichstag nicht wider alles Erwarten
diesen Posten versagt hätte; der stellvertretende Kolonialdirektor ist dazu außerstande.
Geht man dieser merkwürdigen Ablehnung auf den Grund, so stellt sie sich als ein
welfisches Meisterstück heraus, das ersonnen worden war, der Verstimmung über
angebliche Schikanen durch die Behörden in Hannover, Nichtbestätigungen usw., Luft
zu machen. Mit dieser Motivierung ist der Antrag auf namentliche Abstimmung vom
Grafen Bernstorff in privaten Erklärungen begleitet worden. Die Berechnung, die
dabei zugrunde lag, war sehr einfach. Ein Antrag auf namentliche Abstimmung
sollte laut Verabredung unter den großen Parteien nicht stattfinden. Das Zentrum,
wenig angenehm überrascht, konnte nun nicht umhin, einen Antrag, der seiner
eignen Stellung entsprach, zu unterstützen, die Sozialdemokraten taten das Gleiche.
Damit war das Unheil besiegelt. Vielleicht hat die Vorbereitung dieses Beschlusses
noch eine Geheimgeschichte, die auch einmal zutage kommen wird. Das Welfentum
wird seine politischen Ansprüche damit schwerlich verbessert haben.

Die sich auf den Reichsoberhausgedanken beziehenden Ausführungen im letzten Heft
der Grenzboten sind von einigen Blättern in einem dürftigen und ungenauen Aus¬
züge wiedergegeben worden, man hat in Kürze dementsprechende Kommentare daran¬
geknüpft. Ein den Ausführungen sachlich zustimmendes Berliner Blatt (die Tägliche
Rundschau) bezeichnet sie schließlich als Hochsommergedanken, der Hannöversche Courier
hält "für ausgeschlossen", daß liberale Parteien oder Gruppen für die Anregung
der Grenzboten zu haben seien. Man soll in der Politik bekanntlich niemals
"niemals" sagen. Die Tägliche Rundschau wird mit der Zeit vielleicht erkennen,
daß es sich um Gedanken handelt, die sie nicht nur im Hochsommer, sondern auch
im Winter -- es braucht gerade noch nicht der nächste zu sein -- beschäftigen
dürften, und der Hannöversche Courier wird sich zur gegebnen Zeit daran erinnern,
daß es die nationale und liberale Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung
gewesen ist, die im Jahre 1849 das Staatenhaus beschloß. Später sind es die
liberalen deutschen Fürsten gewesen: Baden, Oldenburg, Weimar, Meiningen
und Coburg, die 1867 wie 1870 mit großem Eifer für diesen Gedanken ein¬
traten, nicht nur in gelegentlichen Gesprächen, sondern in amtlichen Denkschriften
und formulierten Anträgen, und vor allen der damalige Kronprinz hielt sehr daran
fest. Würde Kaiser Friedrich gesund auf den Thron gekommen sein und länger
regiert haben, so würden ohne Zweifel die "liberalen Gruppen" in die Lage ge¬
kommen sein, ihm bei der Verwirklichung des Gedankens zu helfen. Denn Kaiser
Friedrich war von jeher ein Gegner des allgemeinen Stimmrechts gewesen und
geblieben, gegen dessen unheilvolle Folgen er in einem Oberhause das anzustrebende,
dringend nötige Gegengewicht sah. Bismarck ist 1867 nicht darauf eingegangen,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

das Verdienst der deutschen Politik, insbesondre des deutschen Reichskanzlers; die
Konferenz von Algeciras ist damit zu einem unter den heutigen internationalen
Verhältnissen und bei dem allgemeinen Expansionsbedürfnis wichtigen und wert¬
vollen Präzedens geworden. Der Umstand, daß wir in Algeciras einem Zusammen¬
schluß von fünf Mächten gegenüberstanden, wird in der deutschen Presse gelegentlich
immer noch als ein Zeichen der Schwäche und Isolierung behandelt. Das Ausland
denkt anders darüber, und auch in Deutschland sollte doch endlich die Befriedigung
an dem ungeachtet dieser Gegnerschaft erreichten Erfolge überwiegen. Gerade weil
der Interessentenkreis auf französischer Seite in Algeciras so groß war, können wir
mit dem Ergebnis um so zufriedner sein. Für Deutschland hat es sich dort um
internationale Prinzipienfragen und Grundsätze, nicht um Einzelheiten gehandelt.
In Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse sind jene sicherlich nicht zu kurz ge¬
kommen.

Der Reichskanzler, der in Norderney fleißig reitet und schon dadurch die
wiedergewonnene Vollkraft betätigt, hat durch sein Eingreifen in die bedauerlichen
Verhältnisse bei der Kolonialabteilung seinen Entschluß zu erkennen gegeben, dort
endlich reinen Tisch zu machen. Es würde das wahrscheinlich die Aufgabe des
Kolonialsekretärs geworden sein, wenn der Reichstag nicht wider alles Erwarten
diesen Posten versagt hätte; der stellvertretende Kolonialdirektor ist dazu außerstande.
Geht man dieser merkwürdigen Ablehnung auf den Grund, so stellt sie sich als ein
welfisches Meisterstück heraus, das ersonnen worden war, der Verstimmung über
angebliche Schikanen durch die Behörden in Hannover, Nichtbestätigungen usw., Luft
zu machen. Mit dieser Motivierung ist der Antrag auf namentliche Abstimmung vom
Grafen Bernstorff in privaten Erklärungen begleitet worden. Die Berechnung, die
dabei zugrunde lag, war sehr einfach. Ein Antrag auf namentliche Abstimmung
sollte laut Verabredung unter den großen Parteien nicht stattfinden. Das Zentrum,
wenig angenehm überrascht, konnte nun nicht umhin, einen Antrag, der seiner
eignen Stellung entsprach, zu unterstützen, die Sozialdemokraten taten das Gleiche.
Damit war das Unheil besiegelt. Vielleicht hat die Vorbereitung dieses Beschlusses
noch eine Geheimgeschichte, die auch einmal zutage kommen wird. Das Welfentum
wird seine politischen Ansprüche damit schwerlich verbessert haben.

Die sich auf den Reichsoberhausgedanken beziehenden Ausführungen im letzten Heft
der Grenzboten sind von einigen Blättern in einem dürftigen und ungenauen Aus¬
züge wiedergegeben worden, man hat in Kürze dementsprechende Kommentare daran¬
geknüpft. Ein den Ausführungen sachlich zustimmendes Berliner Blatt (die Tägliche
Rundschau) bezeichnet sie schließlich als Hochsommergedanken, der Hannöversche Courier
hält „für ausgeschlossen", daß liberale Parteien oder Gruppen für die Anregung
der Grenzboten zu haben seien. Man soll in der Politik bekanntlich niemals
„niemals" sagen. Die Tägliche Rundschau wird mit der Zeit vielleicht erkennen,
daß es sich um Gedanken handelt, die sie nicht nur im Hochsommer, sondern auch
im Winter — es braucht gerade noch nicht der nächste zu sein — beschäftigen
dürften, und der Hannöversche Courier wird sich zur gegebnen Zeit daran erinnern,
daß es die nationale und liberale Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung
gewesen ist, die im Jahre 1849 das Staatenhaus beschloß. Später sind es die
liberalen deutschen Fürsten gewesen: Baden, Oldenburg, Weimar, Meiningen
und Coburg, die 1867 wie 1870 mit großem Eifer für diesen Gedanken ein¬
traten, nicht nur in gelegentlichen Gesprächen, sondern in amtlichen Denkschriften
und formulierten Anträgen, und vor allen der damalige Kronprinz hielt sehr daran
fest. Würde Kaiser Friedrich gesund auf den Thron gekommen sein und länger
regiert haben, so würden ohne Zweifel die „liberalen Gruppen" in die Lage ge¬
kommen sein, ihm bei der Verwirklichung des Gedankens zu helfen. Denn Kaiser
Friedrich war von jeher ein Gegner des allgemeinen Stimmrechts gewesen und
geblieben, gegen dessen unheilvolle Folgen er in einem Oberhause das anzustrebende,
dringend nötige Gegengewicht sah. Bismarck ist 1867 nicht darauf eingegangen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0732" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299773"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_3219" prev="#ID_3218"> das Verdienst der deutschen Politik, insbesondre des deutschen Reichskanzlers; die<lb/>
Konferenz von Algeciras ist damit zu einem unter den heutigen internationalen<lb/>
Verhältnissen und bei dem allgemeinen Expansionsbedürfnis wichtigen und wert¬<lb/>
vollen Präzedens geworden. Der Umstand, daß wir in Algeciras einem Zusammen¬<lb/>
schluß von fünf Mächten gegenüberstanden, wird in der deutschen Presse gelegentlich<lb/>
immer noch als ein Zeichen der Schwäche und Isolierung behandelt. Das Ausland<lb/>
denkt anders darüber, und auch in Deutschland sollte doch endlich die Befriedigung<lb/>
an dem ungeachtet dieser Gegnerschaft erreichten Erfolge überwiegen. Gerade weil<lb/>
der Interessentenkreis auf französischer Seite in Algeciras so groß war, können wir<lb/>
mit dem Ergebnis um so zufriedner sein. Für Deutschland hat es sich dort um<lb/>
internationale Prinzipienfragen und Grundsätze, nicht um Einzelheiten gehandelt.<lb/>
In Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse sind jene sicherlich nicht zu kurz ge¬<lb/>
kommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3220"> Der Reichskanzler, der in Norderney fleißig reitet und schon dadurch die<lb/>
wiedergewonnene Vollkraft betätigt, hat durch sein Eingreifen in die bedauerlichen<lb/>
Verhältnisse bei der Kolonialabteilung seinen Entschluß zu erkennen gegeben, dort<lb/>
endlich reinen Tisch zu machen. Es würde das wahrscheinlich die Aufgabe des<lb/>
Kolonialsekretärs geworden sein, wenn der Reichstag nicht wider alles Erwarten<lb/>
diesen Posten versagt hätte; der stellvertretende Kolonialdirektor ist dazu außerstande.<lb/>
Geht man dieser merkwürdigen Ablehnung auf den Grund, so stellt sie sich als ein<lb/>
welfisches Meisterstück heraus, das ersonnen worden war, der Verstimmung über<lb/>
angebliche Schikanen durch die Behörden in Hannover, Nichtbestätigungen usw., Luft<lb/>
zu machen. Mit dieser Motivierung ist der Antrag auf namentliche Abstimmung vom<lb/>
Grafen Bernstorff in privaten Erklärungen begleitet worden. Die Berechnung, die<lb/>
dabei zugrunde lag, war sehr einfach. Ein Antrag auf namentliche Abstimmung<lb/>
sollte laut Verabredung unter den großen Parteien nicht stattfinden. Das Zentrum,<lb/>
wenig angenehm überrascht, konnte nun nicht umhin, einen Antrag, der seiner<lb/>
eignen Stellung entsprach, zu unterstützen, die Sozialdemokraten taten das Gleiche.<lb/>
Damit war das Unheil besiegelt. Vielleicht hat die Vorbereitung dieses Beschlusses<lb/>
noch eine Geheimgeschichte, die auch einmal zutage kommen wird. Das Welfentum<lb/>
wird seine politischen Ansprüche damit schwerlich verbessert haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3221" next="#ID_3222"> Die sich auf den Reichsoberhausgedanken beziehenden Ausführungen im letzten Heft<lb/>
der Grenzboten sind von einigen Blättern in einem dürftigen und ungenauen Aus¬<lb/>
züge wiedergegeben worden, man hat in Kürze dementsprechende Kommentare daran¬<lb/>
geknüpft. Ein den Ausführungen sachlich zustimmendes Berliner Blatt (die Tägliche<lb/>
Rundschau) bezeichnet sie schließlich als Hochsommergedanken, der Hannöversche Courier<lb/>
hält &#x201E;für ausgeschlossen", daß liberale Parteien oder Gruppen für die Anregung<lb/>
der Grenzboten zu haben seien. Man soll in der Politik bekanntlich niemals<lb/>
&#x201E;niemals" sagen. Die Tägliche Rundschau wird mit der Zeit vielleicht erkennen,<lb/>
daß es sich um Gedanken handelt, die sie nicht nur im Hochsommer, sondern auch<lb/>
im Winter &#x2014; es braucht gerade noch nicht der nächste zu sein &#x2014; beschäftigen<lb/>
dürften, und der Hannöversche Courier wird sich zur gegebnen Zeit daran erinnern,<lb/>
daß es die nationale und liberale Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung<lb/>
gewesen ist, die im Jahre 1849 das Staatenhaus beschloß. Später sind es die<lb/>
liberalen deutschen Fürsten gewesen: Baden, Oldenburg, Weimar, Meiningen<lb/>
und Coburg, die 1867 wie 1870 mit großem Eifer für diesen Gedanken ein¬<lb/>
traten, nicht nur in gelegentlichen Gesprächen, sondern in amtlichen Denkschriften<lb/>
und formulierten Anträgen, und vor allen der damalige Kronprinz hielt sehr daran<lb/>
fest. Würde Kaiser Friedrich gesund auf den Thron gekommen sein und länger<lb/>
regiert haben, so würden ohne Zweifel die &#x201E;liberalen Gruppen" in die Lage ge¬<lb/>
kommen sein, ihm bei der Verwirklichung des Gedankens zu helfen. Denn Kaiser<lb/>
Friedrich war von jeher ein Gegner des allgemeinen Stimmrechts gewesen und<lb/>
geblieben, gegen dessen unheilvolle Folgen er in einem Oberhause das anzustrebende,<lb/>
dringend nötige Gegengewicht sah.  Bismarck ist 1867 nicht darauf eingegangen,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0732] Maßgebliches und Unmaßgebliches das Verdienst der deutschen Politik, insbesondre des deutschen Reichskanzlers; die Konferenz von Algeciras ist damit zu einem unter den heutigen internationalen Verhältnissen und bei dem allgemeinen Expansionsbedürfnis wichtigen und wert¬ vollen Präzedens geworden. Der Umstand, daß wir in Algeciras einem Zusammen¬ schluß von fünf Mächten gegenüberstanden, wird in der deutschen Presse gelegentlich immer noch als ein Zeichen der Schwäche und Isolierung behandelt. Das Ausland denkt anders darüber, und auch in Deutschland sollte doch endlich die Befriedigung an dem ungeachtet dieser Gegnerschaft erreichten Erfolge überwiegen. Gerade weil der Interessentenkreis auf französischer Seite in Algeciras so groß war, können wir mit dem Ergebnis um so zufriedner sein. Für Deutschland hat es sich dort um internationale Prinzipienfragen und Grundsätze, nicht um Einzelheiten gehandelt. In Anbetracht der tatsächlichen Verhältnisse sind jene sicherlich nicht zu kurz ge¬ kommen. Der Reichskanzler, der in Norderney fleißig reitet und schon dadurch die wiedergewonnene Vollkraft betätigt, hat durch sein Eingreifen in die bedauerlichen Verhältnisse bei der Kolonialabteilung seinen Entschluß zu erkennen gegeben, dort endlich reinen Tisch zu machen. Es würde das wahrscheinlich die Aufgabe des Kolonialsekretärs geworden sein, wenn der Reichstag nicht wider alles Erwarten diesen Posten versagt hätte; der stellvertretende Kolonialdirektor ist dazu außerstande. Geht man dieser merkwürdigen Ablehnung auf den Grund, so stellt sie sich als ein welfisches Meisterstück heraus, das ersonnen worden war, der Verstimmung über angebliche Schikanen durch die Behörden in Hannover, Nichtbestätigungen usw., Luft zu machen. Mit dieser Motivierung ist der Antrag auf namentliche Abstimmung vom Grafen Bernstorff in privaten Erklärungen begleitet worden. Die Berechnung, die dabei zugrunde lag, war sehr einfach. Ein Antrag auf namentliche Abstimmung sollte laut Verabredung unter den großen Parteien nicht stattfinden. Das Zentrum, wenig angenehm überrascht, konnte nun nicht umhin, einen Antrag, der seiner eignen Stellung entsprach, zu unterstützen, die Sozialdemokraten taten das Gleiche. Damit war das Unheil besiegelt. Vielleicht hat die Vorbereitung dieses Beschlusses noch eine Geheimgeschichte, die auch einmal zutage kommen wird. Das Welfentum wird seine politischen Ansprüche damit schwerlich verbessert haben. Die sich auf den Reichsoberhausgedanken beziehenden Ausführungen im letzten Heft der Grenzboten sind von einigen Blättern in einem dürftigen und ungenauen Aus¬ züge wiedergegeben worden, man hat in Kürze dementsprechende Kommentare daran¬ geknüpft. Ein den Ausführungen sachlich zustimmendes Berliner Blatt (die Tägliche Rundschau) bezeichnet sie schließlich als Hochsommergedanken, der Hannöversche Courier hält „für ausgeschlossen", daß liberale Parteien oder Gruppen für die Anregung der Grenzboten zu haben seien. Man soll in der Politik bekanntlich niemals „niemals" sagen. Die Tägliche Rundschau wird mit der Zeit vielleicht erkennen, daß es sich um Gedanken handelt, die sie nicht nur im Hochsommer, sondern auch im Winter — es braucht gerade noch nicht der nächste zu sein — beschäftigen dürften, und der Hannöversche Courier wird sich zur gegebnen Zeit daran erinnern, daß es die nationale und liberale Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung gewesen ist, die im Jahre 1849 das Staatenhaus beschloß. Später sind es die liberalen deutschen Fürsten gewesen: Baden, Oldenburg, Weimar, Meiningen und Coburg, die 1867 wie 1870 mit großem Eifer für diesen Gedanken ein¬ traten, nicht nur in gelegentlichen Gesprächen, sondern in amtlichen Denkschriften und formulierten Anträgen, und vor allen der damalige Kronprinz hielt sehr daran fest. Würde Kaiser Friedrich gesund auf den Thron gekommen sein und länger regiert haben, so würden ohne Zweifel die „liberalen Gruppen" in die Lage ge¬ kommen sein, ihm bei der Verwirklichung des Gedankens zu helfen. Denn Kaiser Friedrich war von jeher ein Gegner des allgemeinen Stimmrechts gewesen und geblieben, gegen dessen unheilvolle Folgen er in einem Oberhause das anzustrebende, dringend nötige Gegengewicht sah. Bismarck ist 1867 nicht darauf eingegangen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/732
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/732>, abgerufen am 02.07.2024.