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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliche? und Unmaßgebliches

das dem Reichskanzler nach seiner Erkrankung in so reichem Maße bekundet
worden ist.

Die Redewendung, die man in den letzten Monaten als wohl besonders weise
Kritik vernehmen konnte, daß Fürst Bülow in der Marokkosache "Glück gehabt habe",
erinnert an einen Ausspruch Bismarcks aus den neunziger Jahren, als der alte
Recke auf eine ähnliche irgendwo gefallne Bemerkung, daß weniger sein Verdienst
als sein Glück in Betracht komme, mit den Worten erwiderte: Ich will dem Kaiser
immer Minister wünschen, die Glück haben. Das "Glück" in der Politik pflegt doch
weniger Sache des Zufalls zu sein als vielmehr das Ergebnis des Zusammen¬
wirkens gut berechneter oder vorsorglich herbeigeführter klug benutzter Umstände. In
der Politik wie im Kriege. Gewiß hat Moltke bei Sedan "Glück" gehabt, aber dieses
Glück war eben das Ergebnis seiner klugen, umsichtigen Erwägungen. Der einzige
glückliche Zufall vielleicht, durch den Bismarck in seiner langen Laufbahn begünstigt
worden ist, war im Herbste 1863 der Tod des Königs Friedrichs des Siebenten von
Dänemark, weil die Schleswig-holsteinische Sache dadurch in Fluß kam. Aber sonst kann
man schwerlich behaupten, daß er auf dem ganzen Gebiete seiner äußern und innern
Politik durch glückliche Zufälligkeiten begünstigt worden sei. Worin sollte aber das
"Glück" des Fürsten Bülow in der Marokkofrage bestehn? Im Gegenteil, er hat
dabei keinen einzigen glücklichen Zufall zu verwerten, wohl aber ein sehr großes
Maß von Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten aller Art zu überwinden gehabt, im
gegnerischen Lager, bei den Freunden und Neutralen, sowie im eignen Lager.
Wenn es ihm trotzdem gelungen ist, ein Resultat zu erreichen, bei dem die ver¬
tragsmäßigen Rechte des Deutschen Reichs nicht zu kurz kamen, sondern zur vollen
Geltung gelangten -- und um mehr konnte und sollte es sich nicht handeln --,
so konnte doch nur eine kluge und umsichtige Politik zu diesem Ergebnis ohne
Konflikt und ohne Preisgebung einer Hauptfrage gelangen. Es war sicherlich kein
ganz leichtes und einfaches Beginnen, dem von England, Italien, Rußland und
Spanien unterstützten Frankreich den marokkanischen Bissen, den dieses zu verschlingen
sich anschickte, wieder aus den Zähnen zu nehmen und auf den Konferenztisch zu legen.
Es konnte dabei kein andrer Weg gegangen werden als der, daß man die Franzosen
nicht im Zweifel darüber ließ, Deutschland sei zu einer internationalen Regelung
bereit, werde aber einem Aufwerfen der Mnchtfrcige mit seinen eignen Machtmitteln
entgegentreten. Der Temps hat jüngst verraten, daß die Erklärung des deutschen
Botschafters, Deutschland stehe hinter Marrokko. der französischen Republik zweihundert
Millionen Franks für die Ausfüllung der wichtigsten Lücken der Verteidigung der
Ostgrenze gekostet habe. Für Deutschland kam es darauf an, den Moment richtig
zu wählen, um festzustellen, ob Frankreich entschlossen sei, für die Durchsetzung
seiner marokkanischen Ansprüche das Schwert zu ziehen, oder ob es einer fried¬
lichen internationalen Regelung den Vorzug geben würde, bei der es nach den
Worten des deutschen Reichskanzlers weder Sieger noch Besiegte geben sollte.
Auch in Paris haben damals entgegengesetzte Einflüsse einander die Wage gehalten,
schließlich hat die gesunde Vernunft obgesiegt. Sicherlich ist Frankreich in der Absicht
zur Konferenz gegangen, dem Abkommen mit England dort die internationale
Sanktion geben zu lassen und am grünen Tisch zu Algericas zu erreichen, was
in den Verhandlungen mit Deutschland nicht zu erreichen gewesen war. Aber die
französische Diplomatie mußte sich überzeugen, daß die Konferenz für Deutschland
mehr bedeutete als eine Form, mit Anstand aus einer unbequemen Situation heraus¬
zukommen, die zudem für Deutschland gar nicht so unbequem war, als von einzelnen
Regierungen angenommen wurde. Denn Deutschland handelte als Anwalt nicht
nur seiner eignen, sondern internationaler Rechte und als Verfechter des Grund¬
satzes, daß über souveräne Gebiete, in denen andre Mächte vertragsmäßige Rechte
haben, nicht von feiten dritter beliebig verfügt werden dürfe. Es ist dies ein
Grundsatz, dem eigentlich keine Macht die Anerkennung versagen konnte. Ihm die
internationale Anerkennung gesichert und ihn erfolgreich durchgesetzt zu haben, bleibt


Maßgebliche? und Unmaßgebliches

das dem Reichskanzler nach seiner Erkrankung in so reichem Maße bekundet
worden ist.

Die Redewendung, die man in den letzten Monaten als wohl besonders weise
Kritik vernehmen konnte, daß Fürst Bülow in der Marokkosache „Glück gehabt habe",
erinnert an einen Ausspruch Bismarcks aus den neunziger Jahren, als der alte
Recke auf eine ähnliche irgendwo gefallne Bemerkung, daß weniger sein Verdienst
als sein Glück in Betracht komme, mit den Worten erwiderte: Ich will dem Kaiser
immer Minister wünschen, die Glück haben. Das „Glück" in der Politik pflegt doch
weniger Sache des Zufalls zu sein als vielmehr das Ergebnis des Zusammen¬
wirkens gut berechneter oder vorsorglich herbeigeführter klug benutzter Umstände. In
der Politik wie im Kriege. Gewiß hat Moltke bei Sedan „Glück" gehabt, aber dieses
Glück war eben das Ergebnis seiner klugen, umsichtigen Erwägungen. Der einzige
glückliche Zufall vielleicht, durch den Bismarck in seiner langen Laufbahn begünstigt
worden ist, war im Herbste 1863 der Tod des Königs Friedrichs des Siebenten von
Dänemark, weil die Schleswig-holsteinische Sache dadurch in Fluß kam. Aber sonst kann
man schwerlich behaupten, daß er auf dem ganzen Gebiete seiner äußern und innern
Politik durch glückliche Zufälligkeiten begünstigt worden sei. Worin sollte aber das
„Glück" des Fürsten Bülow in der Marokkofrage bestehn? Im Gegenteil, er hat
dabei keinen einzigen glücklichen Zufall zu verwerten, wohl aber ein sehr großes
Maß von Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten aller Art zu überwinden gehabt, im
gegnerischen Lager, bei den Freunden und Neutralen, sowie im eignen Lager.
Wenn es ihm trotzdem gelungen ist, ein Resultat zu erreichen, bei dem die ver¬
tragsmäßigen Rechte des Deutschen Reichs nicht zu kurz kamen, sondern zur vollen
Geltung gelangten — und um mehr konnte und sollte es sich nicht handeln —,
so konnte doch nur eine kluge und umsichtige Politik zu diesem Ergebnis ohne
Konflikt und ohne Preisgebung einer Hauptfrage gelangen. Es war sicherlich kein
ganz leichtes und einfaches Beginnen, dem von England, Italien, Rußland und
Spanien unterstützten Frankreich den marokkanischen Bissen, den dieses zu verschlingen
sich anschickte, wieder aus den Zähnen zu nehmen und auf den Konferenztisch zu legen.
Es konnte dabei kein andrer Weg gegangen werden als der, daß man die Franzosen
nicht im Zweifel darüber ließ, Deutschland sei zu einer internationalen Regelung
bereit, werde aber einem Aufwerfen der Mnchtfrcige mit seinen eignen Machtmitteln
entgegentreten. Der Temps hat jüngst verraten, daß die Erklärung des deutschen
Botschafters, Deutschland stehe hinter Marrokko. der französischen Republik zweihundert
Millionen Franks für die Ausfüllung der wichtigsten Lücken der Verteidigung der
Ostgrenze gekostet habe. Für Deutschland kam es darauf an, den Moment richtig
zu wählen, um festzustellen, ob Frankreich entschlossen sei, für die Durchsetzung
seiner marokkanischen Ansprüche das Schwert zu ziehen, oder ob es einer fried¬
lichen internationalen Regelung den Vorzug geben würde, bei der es nach den
Worten des deutschen Reichskanzlers weder Sieger noch Besiegte geben sollte.
Auch in Paris haben damals entgegengesetzte Einflüsse einander die Wage gehalten,
schließlich hat die gesunde Vernunft obgesiegt. Sicherlich ist Frankreich in der Absicht
zur Konferenz gegangen, dem Abkommen mit England dort die internationale
Sanktion geben zu lassen und am grünen Tisch zu Algericas zu erreichen, was
in den Verhandlungen mit Deutschland nicht zu erreichen gewesen war. Aber die
französische Diplomatie mußte sich überzeugen, daß die Konferenz für Deutschland
mehr bedeutete als eine Form, mit Anstand aus einer unbequemen Situation heraus¬
zukommen, die zudem für Deutschland gar nicht so unbequem war, als von einzelnen
Regierungen angenommen wurde. Denn Deutschland handelte als Anwalt nicht
nur seiner eignen, sondern internationaler Rechte und als Verfechter des Grund¬
satzes, daß über souveräne Gebiete, in denen andre Mächte vertragsmäßige Rechte
haben, nicht von feiten dritter beliebig verfügt werden dürfe. Es ist dies ein
Grundsatz, dem eigentlich keine Macht die Anerkennung versagen konnte. Ihm die
internationale Anerkennung gesichert und ihn erfolgreich durchgesetzt zu haben, bleibt


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[0731] Maßgebliche? und Unmaßgebliches das dem Reichskanzler nach seiner Erkrankung in so reichem Maße bekundet worden ist. Die Redewendung, die man in den letzten Monaten als wohl besonders weise Kritik vernehmen konnte, daß Fürst Bülow in der Marokkosache „Glück gehabt habe", erinnert an einen Ausspruch Bismarcks aus den neunziger Jahren, als der alte Recke auf eine ähnliche irgendwo gefallne Bemerkung, daß weniger sein Verdienst als sein Glück in Betracht komme, mit den Worten erwiderte: Ich will dem Kaiser immer Minister wünschen, die Glück haben. Das „Glück" in der Politik pflegt doch weniger Sache des Zufalls zu sein als vielmehr das Ergebnis des Zusammen¬ wirkens gut berechneter oder vorsorglich herbeigeführter klug benutzter Umstände. In der Politik wie im Kriege. Gewiß hat Moltke bei Sedan „Glück" gehabt, aber dieses Glück war eben das Ergebnis seiner klugen, umsichtigen Erwägungen. Der einzige glückliche Zufall vielleicht, durch den Bismarck in seiner langen Laufbahn begünstigt worden ist, war im Herbste 1863 der Tod des Königs Friedrichs des Siebenten von Dänemark, weil die Schleswig-holsteinische Sache dadurch in Fluß kam. Aber sonst kann man schwerlich behaupten, daß er auf dem ganzen Gebiete seiner äußern und innern Politik durch glückliche Zufälligkeiten begünstigt worden sei. Worin sollte aber das „Glück" des Fürsten Bülow in der Marokkofrage bestehn? Im Gegenteil, er hat dabei keinen einzigen glücklichen Zufall zu verwerten, wohl aber ein sehr großes Maß von Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten aller Art zu überwinden gehabt, im gegnerischen Lager, bei den Freunden und Neutralen, sowie im eignen Lager. Wenn es ihm trotzdem gelungen ist, ein Resultat zu erreichen, bei dem die ver¬ tragsmäßigen Rechte des Deutschen Reichs nicht zu kurz kamen, sondern zur vollen Geltung gelangten — und um mehr konnte und sollte es sich nicht handeln —, so konnte doch nur eine kluge und umsichtige Politik zu diesem Ergebnis ohne Konflikt und ohne Preisgebung einer Hauptfrage gelangen. Es war sicherlich kein ganz leichtes und einfaches Beginnen, dem von England, Italien, Rußland und Spanien unterstützten Frankreich den marokkanischen Bissen, den dieses zu verschlingen sich anschickte, wieder aus den Zähnen zu nehmen und auf den Konferenztisch zu legen. Es konnte dabei kein andrer Weg gegangen werden als der, daß man die Franzosen nicht im Zweifel darüber ließ, Deutschland sei zu einer internationalen Regelung bereit, werde aber einem Aufwerfen der Mnchtfrcige mit seinen eignen Machtmitteln entgegentreten. Der Temps hat jüngst verraten, daß die Erklärung des deutschen Botschafters, Deutschland stehe hinter Marrokko. der französischen Republik zweihundert Millionen Franks für die Ausfüllung der wichtigsten Lücken der Verteidigung der Ostgrenze gekostet habe. Für Deutschland kam es darauf an, den Moment richtig zu wählen, um festzustellen, ob Frankreich entschlossen sei, für die Durchsetzung seiner marokkanischen Ansprüche das Schwert zu ziehen, oder ob es einer fried¬ lichen internationalen Regelung den Vorzug geben würde, bei der es nach den Worten des deutschen Reichskanzlers weder Sieger noch Besiegte geben sollte. Auch in Paris haben damals entgegengesetzte Einflüsse einander die Wage gehalten, schließlich hat die gesunde Vernunft obgesiegt. Sicherlich ist Frankreich in der Absicht zur Konferenz gegangen, dem Abkommen mit England dort die internationale Sanktion geben zu lassen und am grünen Tisch zu Algericas zu erreichen, was in den Verhandlungen mit Deutschland nicht zu erreichen gewesen war. Aber die französische Diplomatie mußte sich überzeugen, daß die Konferenz für Deutschland mehr bedeutete als eine Form, mit Anstand aus einer unbequemen Situation heraus¬ zukommen, die zudem für Deutschland gar nicht so unbequem war, als von einzelnen Regierungen angenommen wurde. Denn Deutschland handelte als Anwalt nicht nur seiner eignen, sondern internationaler Rechte und als Verfechter des Grund¬ satzes, daß über souveräne Gebiete, in denen andre Mächte vertragsmäßige Rechte haben, nicht von feiten dritter beliebig verfügt werden dürfe. Es ist dies ein Grundsatz, dem eigentlich keine Macht die Anerkennung versagen konnte. Ihm die internationale Anerkennung gesichert und ihn erfolgreich durchgesetzt zu haben, bleibt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/731>, abgerufen am 04.07.2024.