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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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sie werden dabei hoffentlich so gescheit sein, daß sie die Geradlinigkeit nicht bis
zu der -- wahrscheinlich bloß eingebildeten -- Marsform treiben, sondern es
machen wie unsre Großväter, die vor hundert Jahren vom französischen zum
englischen Gartenstil übergegangen sind. Kann es etwas lächerlicheres geben
als den Gedanken, daß alle Menschenseelen mit ihren Freuden und Schmerzen,
ihrem Sehnen und Hoffen, daß alle Großgeister, alle Dichter und Denker, alle
Maler und Musiker, alle Helden und Märtyrer nichts sein sollen als Werk¬
zeuge der Erde zur Umgestaltung ihrer Oberfläche? Muß es diesem aus Erden
und Metallen bestehenden Klumpen nicht völlig gleichgiltig sein, wie seine Ober¬
fläche aussieht? So gleichgiltig wie dem einzelnen Steine, der nicht das geringste
dagegen einzuwenden hat, wenn man ihn zerkratzt oder bebaut, der aber auch
nicht im geringsten danach verlangt? Aus der Harmonie der Sphären soll
man solchen Unsinn heraushören? Die Sphären haben keine andre Harmonie,
als die ein vernünftiges Wesen in sie hineinhört. Die gesamte feste, flüssige
und gasförmige Materie, sie mag sich im Zustande des Urnebels befinden oder
zu Systemen rotierender und rollender Kugeln gestaltet sein, ist für sich selbst
eine schlechthin gleichgiltige und wertlose Masse, nicht mehr wert als ein Kot-
klümpchen, das ein Hingefallner von seinem Beinkleid abwischt. Was den
Sonnen und den Planeten Bedeutung verleiht, das ist ganz allein der doppelte
Dienst, den sie vernünftigen Geschöpfen leisten, indem sie sich ihnen einerseits als
Wohnplatz, Nahrungspender, Werkstatt und Werkzeugkasten darbieten, andrer¬
seits als Gegenstände der wissenschaftlichen Erforschung und der ästhetischen
Betrachtung: als Ton-, Farben- und Formensymphonie. Immerhin bedeutet
Pastors Auffassung einen Fortschritt gegen den Darwinismus in seiner rohesten
Gestalt. Dessen Gott ist die absolute Dummheit. Ursach-, zick- und zwecklos
durcheinanderwirbelnde Atome bringen rein zufällig alle Organismen zustande,
unter ihnen auch den Menschen, indem äußerliche materielle Stöße und Zer¬
rungen, drückende, reihende, treibende, ausdehnende Körper der Umgebung
chemische Verbindungen in Organismen und einen Organismus in den andern
verwandeln, wobei, natürlich ebenfalls rein zufällig, in einer Anzahl solcher
Gebilde plötzlich Bewußtsein aufblitzt, Eiweißklümpchen anfangen, zu empfinden,
zu hören, zu sehen, sich selbst und ihre Umgebung zu beschauen und zu be¬
arbeiten. Von einem Willen ist da keine Rede. Pastor kennt einen Willen,
den Planetenwillen. Wie denkt er sich den? Da er Fechner einmal zitiert,
darf man vermuten, daß er dessen Auffassung zuneigt, die den antik-scholastischen
Glauben an Planetengeister erneuert hat. Wir halten diesen Glauben für phan¬
tastisch. Setzen wir ihn aber einmal voraus, so muß doch, damit der Kosmos
nicht ins Chaos zurückfalle, Verständigung und unverbrüchliche Harmonie zwischen
den Sternen geistern angenommen werden, und die ist nur möglich, wenn ein
Weltgeist sie alle beseelt und beherrscht, sodaß als die unvermeidliche Konsequenz
des Planetenwillens zuletzt der Theismus erscheint. Und haben wir den erst,
dann kehrt sich das naturalistische Weltbild ganz von selbst wieder um. Haben
wir den vernünftigen, den geistigen Urheber der Welt, so versteht es sich von
selbst, daß dieser seine vernünftigen Geschöpfe nicht zum Dienste für Erden,
Steine und Wasser, oder was sonst die Oberflüche der Planeten ausmachen mag,


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sie werden dabei hoffentlich so gescheit sein, daß sie die Geradlinigkeit nicht bis
zu der — wahrscheinlich bloß eingebildeten — Marsform treiben, sondern es
machen wie unsre Großväter, die vor hundert Jahren vom französischen zum
englischen Gartenstil übergegangen sind. Kann es etwas lächerlicheres geben
als den Gedanken, daß alle Menschenseelen mit ihren Freuden und Schmerzen,
ihrem Sehnen und Hoffen, daß alle Großgeister, alle Dichter und Denker, alle
Maler und Musiker, alle Helden und Märtyrer nichts sein sollen als Werk¬
zeuge der Erde zur Umgestaltung ihrer Oberfläche? Muß es diesem aus Erden
und Metallen bestehenden Klumpen nicht völlig gleichgiltig sein, wie seine Ober¬
fläche aussieht? So gleichgiltig wie dem einzelnen Steine, der nicht das geringste
dagegen einzuwenden hat, wenn man ihn zerkratzt oder bebaut, der aber auch
nicht im geringsten danach verlangt? Aus der Harmonie der Sphären soll
man solchen Unsinn heraushören? Die Sphären haben keine andre Harmonie,
als die ein vernünftiges Wesen in sie hineinhört. Die gesamte feste, flüssige
und gasförmige Materie, sie mag sich im Zustande des Urnebels befinden oder
zu Systemen rotierender und rollender Kugeln gestaltet sein, ist für sich selbst
eine schlechthin gleichgiltige und wertlose Masse, nicht mehr wert als ein Kot-
klümpchen, das ein Hingefallner von seinem Beinkleid abwischt. Was den
Sonnen und den Planeten Bedeutung verleiht, das ist ganz allein der doppelte
Dienst, den sie vernünftigen Geschöpfen leisten, indem sie sich ihnen einerseits als
Wohnplatz, Nahrungspender, Werkstatt und Werkzeugkasten darbieten, andrer¬
seits als Gegenstände der wissenschaftlichen Erforschung und der ästhetischen
Betrachtung: als Ton-, Farben- und Formensymphonie. Immerhin bedeutet
Pastors Auffassung einen Fortschritt gegen den Darwinismus in seiner rohesten
Gestalt. Dessen Gott ist die absolute Dummheit. Ursach-, zick- und zwecklos
durcheinanderwirbelnde Atome bringen rein zufällig alle Organismen zustande,
unter ihnen auch den Menschen, indem äußerliche materielle Stöße und Zer¬
rungen, drückende, reihende, treibende, ausdehnende Körper der Umgebung
chemische Verbindungen in Organismen und einen Organismus in den andern
verwandeln, wobei, natürlich ebenfalls rein zufällig, in einer Anzahl solcher
Gebilde plötzlich Bewußtsein aufblitzt, Eiweißklümpchen anfangen, zu empfinden,
zu hören, zu sehen, sich selbst und ihre Umgebung zu beschauen und zu be¬
arbeiten. Von einem Willen ist da keine Rede. Pastor kennt einen Willen,
den Planetenwillen. Wie denkt er sich den? Da er Fechner einmal zitiert,
darf man vermuten, daß er dessen Auffassung zuneigt, die den antik-scholastischen
Glauben an Planetengeister erneuert hat. Wir halten diesen Glauben für phan¬
tastisch. Setzen wir ihn aber einmal voraus, so muß doch, damit der Kosmos
nicht ins Chaos zurückfalle, Verständigung und unverbrüchliche Harmonie zwischen
den Sternen geistern angenommen werden, und die ist nur möglich, wenn ein
Weltgeist sie alle beseelt und beherrscht, sodaß als die unvermeidliche Konsequenz
des Planetenwillens zuletzt der Theismus erscheint. Und haben wir den erst,
dann kehrt sich das naturalistische Weltbild ganz von selbst wieder um. Haben
wir den vernünftigen, den geistigen Urheber der Welt, so versteht es sich von
selbst, daß dieser seine vernünftigen Geschöpfe nicht zum Dienste für Erden,
Steine und Wasser, oder was sonst die Oberflüche der Planeten ausmachen mag,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/645>, abgerufen am 27.12.2024.