Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.San Francisco und die deutschen Feuerversicherer erwarten durften. Dieser Fortbestand ist nach der Ansicht des Reichsgerichts, Es ist deshalb nicht bloß zu erwarten, sondern dringend zu wünschen, daß Hier wäre nun endlich einmal für eine der jüngsten Reichsbehörden, für San Francisco und die deutschen Feuerversicherer erwarten durften. Dieser Fortbestand ist nach der Ansicht des Reichsgerichts, Es ist deshalb nicht bloß zu erwarten, sondern dringend zu wünschen, daß Hier wäre nun endlich einmal für eine der jüngsten Reichsbehörden, für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0639" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299680"/> <fw type="header" place="top"> San Francisco und die deutschen Feuerversicherer</fw><lb/> <p xml:id="ID_2809" prev="#ID_2808"> erwarten durften. Dieser Fortbestand ist nach der Ansicht des Reichsgerichts,<lb/> die sich in diesem Falle wohl durchaus mit der allgemeinen Rechtsanschauung<lb/> und den Bedürfnissen des Verkehrs decken dürfte, die selbstverständliche Voraus¬<lb/> setzung fortdauernder Wirksamkeit des Vertrags, und Wider Treu und Glauben<lb/> verstößt nach der Auffassung des Reichsgerichts, wer diesen Fortbestand will¬<lb/> kürlich erschüttert oder gefährdet. Wie man sieht, hat eben auch der Ver¬<lb/> sicherungsvertrag, wie jedes Ding, seine zwei Seiten, und wer dem Verhinderer<lb/> zumutet, aus Kulanz oder aus Mitleid über seine vertragsmäßigen Verpflich¬<lb/> tungen hinauszugehn, verleitet ihn zu einer Handlungsweise, die sich mit<lb/> Treu und Glauben im Versicherungsgeschüft — und welcher andre geschäftliche<lb/> Verkehr wäre in annähernd hohem Maße auf Treu und Glauben aufgebaut,<lb/> wie gerade die Versicherung! — nicht vereinbaren läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2810"> Es ist deshalb nicht bloß zu erwarten, sondern dringend zu wünschen, daß<lb/> sich die Feuerversicherungsgesellschaften unerschütterlich auf den Standpunkt stellen,<lb/> in San Francisco — und so überall, denn was dem einen recht ist, ist dem<lb/> andern billig — nur die Brandschäden zu bezahlen, die sie wirklich schuldig sind.<lb/> Am leichtesten wird dies nach dem Gesagten den Gesellschaften werden, die<lb/> außer der Einsturzklnusel noch die Erdbebenklausel mit ausdrücklichen Ausschluß<lb/> auch der „indirekt" durch Erdbeben verursachten Brandschäden haben. Den<lb/> Gesellschaften, deren Police das inclireetl^ nicht ausdrücklich erwähnt, kommt eine<lb/> kalifornische Gesetzesbestimmung zu Hilfe, die lautet: >Vnors g, xsril is spsomll^<lb/> exosotsci in ^ <zontrg.vt ot inZnranos, 1o88, ^vllioli ^putei not lig-of oeourrsä<lb/> out lor suoli pu'it, is tnsrso.^ exoeptscl, lütlronAll eng innnoclig-es causs c>t dir<z<lb/> loss >VÄS g. vsril, vniolr pas not sxvsptsÄ, „Wenn in einem Vertrag eine<lb/> Gefahr besonders ausgenommen ist, ist der Verhinderer für keinen Schaden haftbar,<lb/> der nicht eingetreten wäre, wenn die genannte Gefahr ausgeblieben wäre, anch<lb/> dann nicht, wenn die unmittelbare Ursache des Schadens eine Gefahr war, die<lb/> in dem Vertrage nicht ausgenommen war." Auf diese Bestimmung werden sich<lb/> die Gesellschaften, deren Police schlechthin „durch Erdbeben verursachte Brand¬<lb/> schäden" von der Entschädign»gspflicht ausschließt, in den meisten Fällen be¬<lb/> rufen können, in denen die Entschädigung von mittelbar dnrch das Erdbeben<lb/> verursachten Brandschäden in Frage kommt. Aber auch die Gesellschaften, die<lb/> den Fall des Erdbebens in ihren Policen überhaupt nicht vorgesehen haben,<lb/> sollten sich auf den Standpunkt stellen, daß sie die durch das Erdbeben ver¬<lb/> ursachten Brandschäden, mittelbare oder unmittelbare, nicht zu vergüten haben,<lb/> da die Vertragsparteien bei Abschluß des Vertrages gar uicht die Absicht gehabt<lb/> haben, das Erdbebenrisiko in die Feuerversicherung mitaufzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2811" next="#ID_2812"> Hier wäre nun endlich einmal für eine der jüngsten Reichsbehörden, für<lb/> das „Aufsichtsamt gegen Privatversicherung", wie es nach seiner bisherigen<lb/> Tätigkeit nicht mit Unrecht genannt wird, eine herrliche Gelegenheit geboten,<lb/> von seiner Machtvollkommenheit, mit der es bisher so beängstigend umging wie<lb/> manche Kinder mit ihren Schießgewehren, einen recht verständigen Gebrauch zu<lb/> machen. Es brauchte nichts weiter zu tun, als die in Kalifornien beteiligten<lb/> Gesellschaften wissen zu lassen, daß es, was die kalifornischen Schäden anlangt,<lb/> streng ans der Einhaltung des Geschäftsplans bestehn werde. Wenn die deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0639]
San Francisco und die deutschen Feuerversicherer
erwarten durften. Dieser Fortbestand ist nach der Ansicht des Reichsgerichts,
die sich in diesem Falle wohl durchaus mit der allgemeinen Rechtsanschauung
und den Bedürfnissen des Verkehrs decken dürfte, die selbstverständliche Voraus¬
setzung fortdauernder Wirksamkeit des Vertrags, und Wider Treu und Glauben
verstößt nach der Auffassung des Reichsgerichts, wer diesen Fortbestand will¬
kürlich erschüttert oder gefährdet. Wie man sieht, hat eben auch der Ver¬
sicherungsvertrag, wie jedes Ding, seine zwei Seiten, und wer dem Verhinderer
zumutet, aus Kulanz oder aus Mitleid über seine vertragsmäßigen Verpflich¬
tungen hinauszugehn, verleitet ihn zu einer Handlungsweise, die sich mit
Treu und Glauben im Versicherungsgeschüft — und welcher andre geschäftliche
Verkehr wäre in annähernd hohem Maße auf Treu und Glauben aufgebaut,
wie gerade die Versicherung! — nicht vereinbaren läßt.
Es ist deshalb nicht bloß zu erwarten, sondern dringend zu wünschen, daß
sich die Feuerversicherungsgesellschaften unerschütterlich auf den Standpunkt stellen,
in San Francisco — und so überall, denn was dem einen recht ist, ist dem
andern billig — nur die Brandschäden zu bezahlen, die sie wirklich schuldig sind.
Am leichtesten wird dies nach dem Gesagten den Gesellschaften werden, die
außer der Einsturzklnusel noch die Erdbebenklausel mit ausdrücklichen Ausschluß
auch der „indirekt" durch Erdbeben verursachten Brandschäden haben. Den
Gesellschaften, deren Police das inclireetl^ nicht ausdrücklich erwähnt, kommt eine
kalifornische Gesetzesbestimmung zu Hilfe, die lautet: >Vnors g, xsril is spsomll^
exosotsci in ^ <zontrg.vt ot inZnranos, 1o88, ^vllioli ^putei not lig-of oeourrsä
out lor suoli pu'it, is tnsrso.^ exoeptscl, lütlronAll eng innnoclig-es causs c>t dir<z
loss >VÄS g. vsril, vniolr pas not sxvsptsÄ, „Wenn in einem Vertrag eine
Gefahr besonders ausgenommen ist, ist der Verhinderer für keinen Schaden haftbar,
der nicht eingetreten wäre, wenn die genannte Gefahr ausgeblieben wäre, anch
dann nicht, wenn die unmittelbare Ursache des Schadens eine Gefahr war, die
in dem Vertrage nicht ausgenommen war." Auf diese Bestimmung werden sich
die Gesellschaften, deren Police schlechthin „durch Erdbeben verursachte Brand¬
schäden" von der Entschädign»gspflicht ausschließt, in den meisten Fällen be¬
rufen können, in denen die Entschädigung von mittelbar dnrch das Erdbeben
verursachten Brandschäden in Frage kommt. Aber auch die Gesellschaften, die
den Fall des Erdbebens in ihren Policen überhaupt nicht vorgesehen haben,
sollten sich auf den Standpunkt stellen, daß sie die durch das Erdbeben ver¬
ursachten Brandschäden, mittelbare oder unmittelbare, nicht zu vergüten haben,
da die Vertragsparteien bei Abschluß des Vertrages gar uicht die Absicht gehabt
haben, das Erdbebenrisiko in die Feuerversicherung mitaufzunehmen.
Hier wäre nun endlich einmal für eine der jüngsten Reichsbehörden, für
das „Aufsichtsamt gegen Privatversicherung", wie es nach seiner bisherigen
Tätigkeit nicht mit Unrecht genannt wird, eine herrliche Gelegenheit geboten,
von seiner Machtvollkommenheit, mit der es bisher so beängstigend umging wie
manche Kinder mit ihren Schießgewehren, einen recht verständigen Gebrauch zu
machen. Es brauchte nichts weiter zu tun, als die in Kalifornien beteiligten
Gesellschaften wissen zu lassen, daß es, was die kalifornischen Schäden anlangt,
streng ans der Einhaltung des Geschäftsplans bestehn werde. Wenn die deutschen
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