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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

leads See- und Exportinteresscn so sehr ins Große gewachsen, daß Bismcirck mit
seinem umfassenden Blick dazu längst eine ganz andre Stellung genommen haben
würde, als der Reichstag (Herr Richter!) sie ihm früher leider ermöglicht hat.
Und sollten zu Bismarcks Lebzeiten zwei Mächte den Versuch gewagt haben, sich
über eiuen Vertrag hinwegzusetzen, der Deutschlands Unterschrift trug, so würde
der erste Reichskanzler ihnen den Standpunkt schwerlich minder ernst klar gemacht
haben, als es im vorigen Frühling durch den jetzigen Reichskanzler den Franzosen
gegenüber geschehn ist.' Es ist ganz selbstverständlich, daß der Staatsmann, der
die erbitterte Opposition im eignen Lande gebrochen, drei Kriege eingeleitet und
zum glorreichen Abschluß gebracht hat -- wobei wir den braven Musketier nicht
vergessen wollen --, sein Königshaus zu höchste" Ehren erhoben, dem Deutschen
Reiche die seit Generationen erträumte Einheit gebracht und diese dann in siebzehn
Jahren mit großen Fricdenstaten ausgebaut hat, eine hohe persönliche Autorität für
ganz Europa war. Ungeachtet dieser hohen persönlichen Autorität und des vollen Ein¬
setzens derselben hat ihm der Berliner Kongreß bekanntlich recht viel Mühe und Ver¬
druß gemacht. Auch die weitere Frage, ob es nicht im Interesse der deutschen Politik
gelegen hätte, eine englisch-französische Verständigung wegen Ägypten zu verhindern,
ist nicht kurzerhand zu erledigen. Frankreich hat seit seinen, Bündnis mit Nu߬
land niemals die geringste Neigung gezeigt, sich Deutschland zu nähern oder unsre
Unterstützung in Ägypten zu suchen. Nach dem Ergebnis des russisch-japanischen
Krieges war für Frankreich ein Konflikt mit England wegen Ägypten ausgeschlossen,
es blieb also nur die Verständigung, wobei die Franzosen freilich den Engländern
zu früh und zu voreilig auf den marokkanischen Leim gegangen sind.

Gewiß hätte es nach Delcasfts Rücktritt die Möglichkeit einer direkten Ver¬
ständigung mit Frankreich gegeben. Aber eine solche war nicht so leicht erreichbar,
weil der Konferenzgedanke schon seit zwei Monaten in der Erörterung stand, und
Deutschland ihn füglich nicht wieder fallen lassen konnte, um nach einem etwaigen
Scheitern direkter Verhandlungen von neuem darauf zurückzukommen. Ein solches
Scheitern hätte aber auch die Kriegsgefahr vergrößert, auf die wiederum die öffent¬
liche Meinung in Deutschland in keiner Weise genügend vorbereitet war. Ein
deutscher Krieg mit Frankreich kann doch immer nur ein vom vollsten Volks-
bewußtsein getragner Nationalkrieg sein. Wollte man also einen Konflikt ver¬
meiden, so mußte die Erreichung des Zweckes unter möglichster Schonung des
französischen Nationalgefühls angestrebt werden, und dieses würde sich immer lieber
den Beschlüssen einer europäischen Konferenz als den Forderungen Deutschlands
gebeugt haben. Der Staatsmann, der Deutschland unter heutigen Verhältnissen
den Krieg erspart hat, hat sich damit viel Anspruch auf Anerkennung erworben,
zumal da bei dieser Aktion auch noch recht große Schwierigkeiten persönlicher Natur
in Betracht kamen, die nach außen nicht in Erscheinung getreten sind.

Deutschland kann von seinen sämtlichen Nachbarn rundum nicht ein Dorf mehr
gebrauchen und begehrt von ihnen nicht eine Quadratmeile Landes. Seine euro¬
päischen Grenzen sind scharf umrissen, seine Einheit ist nach außen wie nach innen
in eherne Formen gegossen. Die Aufgaben der Nachfolger Bismarcks können nach
innen nur auf die Entwicklung und die Hebung der nationalen, sittlichen und wirt¬
schaftlichen Kräfte des deutschen Volkes, nach anßen zunächst nur auf ein fried¬
liches Entfalten unsrer Handels- und Schiffahrtsinteressen, in Hinsicht ans die andern
Nationen auf die Pflege guter Beziehungen und auf ein friedliches Zusammenfassen
der Völker gerichtet sein. Dies ist in Algeciras geschehn. Algeciras ist bekanntlich
von der spanischen Regierung vorgeschlagen worden als Ersatz für Madrid, sonst
wäre die Konferenz von 1906 ebenso nach Madrid einberufen worden wie die von
1880, und so gut, wie Bismcirck die Konferenz von 1880 beschickt hat, würde er
auch die von 1906 beschickt haben. Die Deutschen, die da meinen, die Beschickung
der Konferenz bedeute für uns eine Einbuße an Würde und Ansehen, sollten doch
endlich angeben, was Deutschland hätte Besseres tun könne", Ungleich den Frieden


Maßgebliches und Unmaßgebliches

leads See- und Exportinteresscn so sehr ins Große gewachsen, daß Bismcirck mit
seinem umfassenden Blick dazu längst eine ganz andre Stellung genommen haben
würde, als der Reichstag (Herr Richter!) sie ihm früher leider ermöglicht hat.
Und sollten zu Bismarcks Lebzeiten zwei Mächte den Versuch gewagt haben, sich
über eiuen Vertrag hinwegzusetzen, der Deutschlands Unterschrift trug, so würde
der erste Reichskanzler ihnen den Standpunkt schwerlich minder ernst klar gemacht
haben, als es im vorigen Frühling durch den jetzigen Reichskanzler den Franzosen
gegenüber geschehn ist.' Es ist ganz selbstverständlich, daß der Staatsmann, der
die erbitterte Opposition im eignen Lande gebrochen, drei Kriege eingeleitet und
zum glorreichen Abschluß gebracht hat — wobei wir den braven Musketier nicht
vergessen wollen —, sein Königshaus zu höchste« Ehren erhoben, dem Deutschen
Reiche die seit Generationen erträumte Einheit gebracht und diese dann in siebzehn
Jahren mit großen Fricdenstaten ausgebaut hat, eine hohe persönliche Autorität für
ganz Europa war. Ungeachtet dieser hohen persönlichen Autorität und des vollen Ein¬
setzens derselben hat ihm der Berliner Kongreß bekanntlich recht viel Mühe und Ver¬
druß gemacht. Auch die weitere Frage, ob es nicht im Interesse der deutschen Politik
gelegen hätte, eine englisch-französische Verständigung wegen Ägypten zu verhindern,
ist nicht kurzerhand zu erledigen. Frankreich hat seit seinen, Bündnis mit Nu߬
land niemals die geringste Neigung gezeigt, sich Deutschland zu nähern oder unsre
Unterstützung in Ägypten zu suchen. Nach dem Ergebnis des russisch-japanischen
Krieges war für Frankreich ein Konflikt mit England wegen Ägypten ausgeschlossen,
es blieb also nur die Verständigung, wobei die Franzosen freilich den Engländern
zu früh und zu voreilig auf den marokkanischen Leim gegangen sind.

Gewiß hätte es nach Delcasfts Rücktritt die Möglichkeit einer direkten Ver¬
ständigung mit Frankreich gegeben. Aber eine solche war nicht so leicht erreichbar,
weil der Konferenzgedanke schon seit zwei Monaten in der Erörterung stand, und
Deutschland ihn füglich nicht wieder fallen lassen konnte, um nach einem etwaigen
Scheitern direkter Verhandlungen von neuem darauf zurückzukommen. Ein solches
Scheitern hätte aber auch die Kriegsgefahr vergrößert, auf die wiederum die öffent¬
liche Meinung in Deutschland in keiner Weise genügend vorbereitet war. Ein
deutscher Krieg mit Frankreich kann doch immer nur ein vom vollsten Volks-
bewußtsein getragner Nationalkrieg sein. Wollte man also einen Konflikt ver¬
meiden, so mußte die Erreichung des Zweckes unter möglichster Schonung des
französischen Nationalgefühls angestrebt werden, und dieses würde sich immer lieber
den Beschlüssen einer europäischen Konferenz als den Forderungen Deutschlands
gebeugt haben. Der Staatsmann, der Deutschland unter heutigen Verhältnissen
den Krieg erspart hat, hat sich damit viel Anspruch auf Anerkennung erworben,
zumal da bei dieser Aktion auch noch recht große Schwierigkeiten persönlicher Natur
in Betracht kamen, die nach außen nicht in Erscheinung getreten sind.

Deutschland kann von seinen sämtlichen Nachbarn rundum nicht ein Dorf mehr
gebrauchen und begehrt von ihnen nicht eine Quadratmeile Landes. Seine euro¬
päischen Grenzen sind scharf umrissen, seine Einheit ist nach außen wie nach innen
in eherne Formen gegossen. Die Aufgaben der Nachfolger Bismarcks können nach
innen nur auf die Entwicklung und die Hebung der nationalen, sittlichen und wirt¬
schaftlichen Kräfte des deutschen Volkes, nach anßen zunächst nur auf ein fried¬
liches Entfalten unsrer Handels- und Schiffahrtsinteressen, in Hinsicht ans die andern
Nationen auf die Pflege guter Beziehungen und auf ein friedliches Zusammenfassen
der Völker gerichtet sein. Dies ist in Algeciras geschehn. Algeciras ist bekanntlich
von der spanischen Regierung vorgeschlagen worden als Ersatz für Madrid, sonst
wäre die Konferenz von 1906 ebenso nach Madrid einberufen worden wie die von
1880, und so gut, wie Bismcirck die Konferenz von 1880 beschickt hat, würde er
auch die von 1906 beschickt haben. Die Deutschen, die da meinen, die Beschickung
der Konferenz bedeute für uns eine Einbuße an Würde und Ansehen, sollten doch
endlich angeben, was Deutschland hätte Besseres tun könne», Ungleich den Frieden


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[0063] Maßgebliches und Unmaßgebliches leads See- und Exportinteresscn so sehr ins Große gewachsen, daß Bismcirck mit seinem umfassenden Blick dazu längst eine ganz andre Stellung genommen haben würde, als der Reichstag (Herr Richter!) sie ihm früher leider ermöglicht hat. Und sollten zu Bismarcks Lebzeiten zwei Mächte den Versuch gewagt haben, sich über eiuen Vertrag hinwegzusetzen, der Deutschlands Unterschrift trug, so würde der erste Reichskanzler ihnen den Standpunkt schwerlich minder ernst klar gemacht haben, als es im vorigen Frühling durch den jetzigen Reichskanzler den Franzosen gegenüber geschehn ist.' Es ist ganz selbstverständlich, daß der Staatsmann, der die erbitterte Opposition im eignen Lande gebrochen, drei Kriege eingeleitet und zum glorreichen Abschluß gebracht hat — wobei wir den braven Musketier nicht vergessen wollen —, sein Königshaus zu höchste« Ehren erhoben, dem Deutschen Reiche die seit Generationen erträumte Einheit gebracht und diese dann in siebzehn Jahren mit großen Fricdenstaten ausgebaut hat, eine hohe persönliche Autorität für ganz Europa war. Ungeachtet dieser hohen persönlichen Autorität und des vollen Ein¬ setzens derselben hat ihm der Berliner Kongreß bekanntlich recht viel Mühe und Ver¬ druß gemacht. Auch die weitere Frage, ob es nicht im Interesse der deutschen Politik gelegen hätte, eine englisch-französische Verständigung wegen Ägypten zu verhindern, ist nicht kurzerhand zu erledigen. Frankreich hat seit seinen, Bündnis mit Nu߬ land niemals die geringste Neigung gezeigt, sich Deutschland zu nähern oder unsre Unterstützung in Ägypten zu suchen. Nach dem Ergebnis des russisch-japanischen Krieges war für Frankreich ein Konflikt mit England wegen Ägypten ausgeschlossen, es blieb also nur die Verständigung, wobei die Franzosen freilich den Engländern zu früh und zu voreilig auf den marokkanischen Leim gegangen sind. Gewiß hätte es nach Delcasfts Rücktritt die Möglichkeit einer direkten Ver¬ ständigung mit Frankreich gegeben. Aber eine solche war nicht so leicht erreichbar, weil der Konferenzgedanke schon seit zwei Monaten in der Erörterung stand, und Deutschland ihn füglich nicht wieder fallen lassen konnte, um nach einem etwaigen Scheitern direkter Verhandlungen von neuem darauf zurückzukommen. Ein solches Scheitern hätte aber auch die Kriegsgefahr vergrößert, auf die wiederum die öffent¬ liche Meinung in Deutschland in keiner Weise genügend vorbereitet war. Ein deutscher Krieg mit Frankreich kann doch immer nur ein vom vollsten Volks- bewußtsein getragner Nationalkrieg sein. Wollte man also einen Konflikt ver¬ meiden, so mußte die Erreichung des Zweckes unter möglichster Schonung des französischen Nationalgefühls angestrebt werden, und dieses würde sich immer lieber den Beschlüssen einer europäischen Konferenz als den Forderungen Deutschlands gebeugt haben. Der Staatsmann, der Deutschland unter heutigen Verhältnissen den Krieg erspart hat, hat sich damit viel Anspruch auf Anerkennung erworben, zumal da bei dieser Aktion auch noch recht große Schwierigkeiten persönlicher Natur in Betracht kamen, die nach außen nicht in Erscheinung getreten sind. Deutschland kann von seinen sämtlichen Nachbarn rundum nicht ein Dorf mehr gebrauchen und begehrt von ihnen nicht eine Quadratmeile Landes. Seine euro¬ päischen Grenzen sind scharf umrissen, seine Einheit ist nach außen wie nach innen in eherne Formen gegossen. Die Aufgaben der Nachfolger Bismarcks können nach innen nur auf die Entwicklung und die Hebung der nationalen, sittlichen und wirt¬ schaftlichen Kräfte des deutschen Volkes, nach anßen zunächst nur auf ein fried¬ liches Entfalten unsrer Handels- und Schiffahrtsinteressen, in Hinsicht ans die andern Nationen auf die Pflege guter Beziehungen und auf ein friedliches Zusammenfassen der Völker gerichtet sein. Dies ist in Algeciras geschehn. Algeciras ist bekanntlich von der spanischen Regierung vorgeschlagen worden als Ersatz für Madrid, sonst wäre die Konferenz von 1906 ebenso nach Madrid einberufen worden wie die von 1880, und so gut, wie Bismcirck die Konferenz von 1880 beschickt hat, würde er auch die von 1906 beschickt haben. Die Deutschen, die da meinen, die Beschickung der Konferenz bedeute für uns eine Einbuße an Würde und Ansehen, sollten doch endlich angeben, was Deutschland hätte Besseres tun könne», Ungleich den Frieden

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/63>, abgerufen am 02.07.2024.