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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

einem Ergebnis doch uur durch Erörterung einer Reihe von Vorschlägen gelangen,
die entweder von den streitenden Teilen oder von den Neutralen gemacht werden.
Casabianca war einer von diesen Vorschlägen. Das Prinzip der Internationalisierung
Marokkos und der internationalen Beaufsichtigung der künftigen Polizei war nicht
davon abhängig, ob der zu schaffende Inspekteur auch noch Hafenkommnndant in
Casabianca war.

Man kann im Gegenteil sehr wohl der Ansicht sein, das; eine solche Stellung
im Nebenamt doch leicht dazu angetan gewesen wäre, seine Hanptstellnng zu schädigen
und seine Autorität herabzusetzen. Er wäre unter deu Hafenkommandanten, wenn
anders dieser Ausdruck überhaupt erlaubt ist, xiimus iutsr Mres geworden, während
er jetzt eine unbestrittne Instanz über allen ist. Was wäre zum Beispiel geschehen,
wenn dieser schweizerische Hafeukommandant von Casabianca, sei es anch nur aus
Unkenntnis maritimer Verhältnisse, selbst Anlaß zu berechtigten Beschwerden ge¬
boten hätte? Seine Stellung ist nach den jetzigen Beschlüssen unstreitig eine ge¬
hobnere, wie wir denn überhaupt damit rechnen müssen, daß die Praxis noch
manche Kritik an den Einzelbeschlüsseu üben und deren Abänderung durch künftige
Verhandlungen notwendig machen wird. Aber wenn wir Deutschen den Verzicht
auf diese schweizerische Hafenobrigkeit als eine deutsche Niederlage oder als einen
deutschen Rückzug ansehen müßten, was sollte da die französische Presse erst aus
den Konferenzergebnissen machen! Genau so ist es mit der russischen Note im
?smxs. Es wäre ein großer Fehler gewesen, auf einen Zeitungsartikel sofort
ab ir!>.w zu handeln oder mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Eine Zeitung
kann das in patriotischer Entrüstung oder Aufwallung tun, ein Staatsmann nicht.
Es ist ein altes Bismarckisches Wort: "In der Politik muß man zu warten
versteh"." Er selbst hat es betätigt, als am 5. Juli 1866 Napoleon der Dritte
mit der Ankündigung seiner Intervention in die Siegesfreude von Königgrätz hinein¬
fuhr, und Bismarck zu seiner Umgebung in Horsitz nur die Worte sprach: "Das
kann Louis einmal teuer zu stehn kommen." Er hat Wort gehalten. Aber er
hat sich zu keinerlei Zornesausbruch hinreißen lassen, obwohl er sich einem offiziellen
Akte Frankreichs, nicht nnr einer mehr oder minder unverschämten Zeitungsnachricht
gegenüber befand. Es ist ja sehr erfreulich und bedeutet gewiß eine anerkennens¬
werte Wendung zur Einsicht, daß sich die Volkszeitung nach Bismarck sehnt. Aber
die Marokkosache hat dazu von Anfang bis zum Ende wohl keinen Anlaß geboten;
auch befürchten wir, daß wenn der Wunsch der Volkszeitung erfüllt würde und
sie Bismarck wieder hätte, sie nach wie vor zu den Zeitungen gehören würde, die
ihm das Leben sauer gemacht und ihn noch über seinen Rücktritt hinaus bitter an¬
gefeindet haben.

Auch Eugen Richter hat ja in den letzten Jahren seiner Wirksamkeit Sehn¬
sucht nach Bismarck verraten, vielleicht erleben wir es anch noch bei Bebel, der
ebensogut wie den Geist Scharnhorsts auch den Geist Bismarcks anrufen kann, aber
wir glauben nicht, daß Eugen Richter, wenn Bismarck plötzlich am Bundesratstisch
erschienen wäre oder auch nur seinen Sitz im Reichstage angenommen hätte, ihm
auch nur die geringste Unterstützung geliehn hätte. Damit ist es also nichts. Das¬
selbe ist mit einer sonst sehr sympathischen Betrachtung der "Deutschen Stimmen"
zum Bismarcktage der Fall bei der Behauptung, daß Bismarck nicht nach Alge-
ciras gegangen sein würde. Das ist eine Frage, über die man ebenso streiten kann
wie darüber, was er Wohl am 1. April dieses Jahres zu Mittag gegessen haben
würde, falls er noch lebte. Stunde Bismarck noch an der Spitze des Deutschen
Reichs, was ja schon wegen seiner Jahre ausgeschlossen wäre, so würden wir
die unvermeidliche Konferenz wegen Marokko vielleicht in Berlin gehabt haben.
Jedenfalls würde Bismarck, obgleich er seinerzeit den Franzosen Tunis preisgegeben
hat, ihnen heute Marokko nicht ausliefern, schon deshalb nicht, weil sich die Er¬
wartungen, die er an seine damalige Zustimmung für Tunis geknüpft hatte, nicht
erfüllt haben. Außerdem sind seit Bismarcks Ausscheiden aus dem Amt Deutsch-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

einem Ergebnis doch uur durch Erörterung einer Reihe von Vorschlägen gelangen,
die entweder von den streitenden Teilen oder von den Neutralen gemacht werden.
Casabianca war einer von diesen Vorschlägen. Das Prinzip der Internationalisierung
Marokkos und der internationalen Beaufsichtigung der künftigen Polizei war nicht
davon abhängig, ob der zu schaffende Inspekteur auch noch Hafenkommnndant in
Casabianca war.

Man kann im Gegenteil sehr wohl der Ansicht sein, das; eine solche Stellung
im Nebenamt doch leicht dazu angetan gewesen wäre, seine Hanptstellnng zu schädigen
und seine Autorität herabzusetzen. Er wäre unter deu Hafenkommandanten, wenn
anders dieser Ausdruck überhaupt erlaubt ist, xiimus iutsr Mres geworden, während
er jetzt eine unbestrittne Instanz über allen ist. Was wäre zum Beispiel geschehen,
wenn dieser schweizerische Hafeukommandant von Casabianca, sei es anch nur aus
Unkenntnis maritimer Verhältnisse, selbst Anlaß zu berechtigten Beschwerden ge¬
boten hätte? Seine Stellung ist nach den jetzigen Beschlüssen unstreitig eine ge¬
hobnere, wie wir denn überhaupt damit rechnen müssen, daß die Praxis noch
manche Kritik an den Einzelbeschlüsseu üben und deren Abänderung durch künftige
Verhandlungen notwendig machen wird. Aber wenn wir Deutschen den Verzicht
auf diese schweizerische Hafenobrigkeit als eine deutsche Niederlage oder als einen
deutschen Rückzug ansehen müßten, was sollte da die französische Presse erst aus
den Konferenzergebnissen machen! Genau so ist es mit der russischen Note im
?smxs. Es wäre ein großer Fehler gewesen, auf einen Zeitungsartikel sofort
ab ir!>.w zu handeln oder mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Eine Zeitung
kann das in patriotischer Entrüstung oder Aufwallung tun, ein Staatsmann nicht.
Es ist ein altes Bismarckisches Wort: „In der Politik muß man zu warten
versteh«." Er selbst hat es betätigt, als am 5. Juli 1866 Napoleon der Dritte
mit der Ankündigung seiner Intervention in die Siegesfreude von Königgrätz hinein¬
fuhr, und Bismarck zu seiner Umgebung in Horsitz nur die Worte sprach: „Das
kann Louis einmal teuer zu stehn kommen." Er hat Wort gehalten. Aber er
hat sich zu keinerlei Zornesausbruch hinreißen lassen, obwohl er sich einem offiziellen
Akte Frankreichs, nicht nnr einer mehr oder minder unverschämten Zeitungsnachricht
gegenüber befand. Es ist ja sehr erfreulich und bedeutet gewiß eine anerkennens¬
werte Wendung zur Einsicht, daß sich die Volkszeitung nach Bismarck sehnt. Aber
die Marokkosache hat dazu von Anfang bis zum Ende wohl keinen Anlaß geboten;
auch befürchten wir, daß wenn der Wunsch der Volkszeitung erfüllt würde und
sie Bismarck wieder hätte, sie nach wie vor zu den Zeitungen gehören würde, die
ihm das Leben sauer gemacht und ihn noch über seinen Rücktritt hinaus bitter an¬
gefeindet haben.

Auch Eugen Richter hat ja in den letzten Jahren seiner Wirksamkeit Sehn¬
sucht nach Bismarck verraten, vielleicht erleben wir es anch noch bei Bebel, der
ebensogut wie den Geist Scharnhorsts auch den Geist Bismarcks anrufen kann, aber
wir glauben nicht, daß Eugen Richter, wenn Bismarck plötzlich am Bundesratstisch
erschienen wäre oder auch nur seinen Sitz im Reichstage angenommen hätte, ihm
auch nur die geringste Unterstützung geliehn hätte. Damit ist es also nichts. Das¬
selbe ist mit einer sonst sehr sympathischen Betrachtung der „Deutschen Stimmen"
zum Bismarcktage der Fall bei der Behauptung, daß Bismarck nicht nach Alge-
ciras gegangen sein würde. Das ist eine Frage, über die man ebenso streiten kann
wie darüber, was er Wohl am 1. April dieses Jahres zu Mittag gegessen haben
würde, falls er noch lebte. Stunde Bismarck noch an der Spitze des Deutschen
Reichs, was ja schon wegen seiner Jahre ausgeschlossen wäre, so würden wir
die unvermeidliche Konferenz wegen Marokko vielleicht in Berlin gehabt haben.
Jedenfalls würde Bismarck, obgleich er seinerzeit den Franzosen Tunis preisgegeben
hat, ihnen heute Marokko nicht ausliefern, schon deshalb nicht, weil sich die Er¬
wartungen, die er an seine damalige Zustimmung für Tunis geknüpft hatte, nicht
erfüllt haben. Außerdem sind seit Bismarcks Ausscheiden aus dem Amt Deutsch-


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[0062] Maßgebliches und Unmaßgebliches einem Ergebnis doch uur durch Erörterung einer Reihe von Vorschlägen gelangen, die entweder von den streitenden Teilen oder von den Neutralen gemacht werden. Casabianca war einer von diesen Vorschlägen. Das Prinzip der Internationalisierung Marokkos und der internationalen Beaufsichtigung der künftigen Polizei war nicht davon abhängig, ob der zu schaffende Inspekteur auch noch Hafenkommnndant in Casabianca war. Man kann im Gegenteil sehr wohl der Ansicht sein, das; eine solche Stellung im Nebenamt doch leicht dazu angetan gewesen wäre, seine Hanptstellnng zu schädigen und seine Autorität herabzusetzen. Er wäre unter deu Hafenkommandanten, wenn anders dieser Ausdruck überhaupt erlaubt ist, xiimus iutsr Mres geworden, während er jetzt eine unbestrittne Instanz über allen ist. Was wäre zum Beispiel geschehen, wenn dieser schweizerische Hafeukommandant von Casabianca, sei es anch nur aus Unkenntnis maritimer Verhältnisse, selbst Anlaß zu berechtigten Beschwerden ge¬ boten hätte? Seine Stellung ist nach den jetzigen Beschlüssen unstreitig eine ge¬ hobnere, wie wir denn überhaupt damit rechnen müssen, daß die Praxis noch manche Kritik an den Einzelbeschlüsseu üben und deren Abänderung durch künftige Verhandlungen notwendig machen wird. Aber wenn wir Deutschen den Verzicht auf diese schweizerische Hafenobrigkeit als eine deutsche Niederlage oder als einen deutschen Rückzug ansehen müßten, was sollte da die französische Presse erst aus den Konferenzergebnissen machen! Genau so ist es mit der russischen Note im ?smxs. Es wäre ein großer Fehler gewesen, auf einen Zeitungsartikel sofort ab ir!>.w zu handeln oder mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Eine Zeitung kann das in patriotischer Entrüstung oder Aufwallung tun, ein Staatsmann nicht. Es ist ein altes Bismarckisches Wort: „In der Politik muß man zu warten versteh«." Er selbst hat es betätigt, als am 5. Juli 1866 Napoleon der Dritte mit der Ankündigung seiner Intervention in die Siegesfreude von Königgrätz hinein¬ fuhr, und Bismarck zu seiner Umgebung in Horsitz nur die Worte sprach: „Das kann Louis einmal teuer zu stehn kommen." Er hat Wort gehalten. Aber er hat sich zu keinerlei Zornesausbruch hinreißen lassen, obwohl er sich einem offiziellen Akte Frankreichs, nicht nnr einer mehr oder minder unverschämten Zeitungsnachricht gegenüber befand. Es ist ja sehr erfreulich und bedeutet gewiß eine anerkennens¬ werte Wendung zur Einsicht, daß sich die Volkszeitung nach Bismarck sehnt. Aber die Marokkosache hat dazu von Anfang bis zum Ende wohl keinen Anlaß geboten; auch befürchten wir, daß wenn der Wunsch der Volkszeitung erfüllt würde und sie Bismarck wieder hätte, sie nach wie vor zu den Zeitungen gehören würde, die ihm das Leben sauer gemacht und ihn noch über seinen Rücktritt hinaus bitter an¬ gefeindet haben. Auch Eugen Richter hat ja in den letzten Jahren seiner Wirksamkeit Sehn¬ sucht nach Bismarck verraten, vielleicht erleben wir es anch noch bei Bebel, der ebensogut wie den Geist Scharnhorsts auch den Geist Bismarcks anrufen kann, aber wir glauben nicht, daß Eugen Richter, wenn Bismarck plötzlich am Bundesratstisch erschienen wäre oder auch nur seinen Sitz im Reichstage angenommen hätte, ihm auch nur die geringste Unterstützung geliehn hätte. Damit ist es also nichts. Das¬ selbe ist mit einer sonst sehr sympathischen Betrachtung der „Deutschen Stimmen" zum Bismarcktage der Fall bei der Behauptung, daß Bismarck nicht nach Alge- ciras gegangen sein würde. Das ist eine Frage, über die man ebenso streiten kann wie darüber, was er Wohl am 1. April dieses Jahres zu Mittag gegessen haben würde, falls er noch lebte. Stunde Bismarck noch an der Spitze des Deutschen Reichs, was ja schon wegen seiner Jahre ausgeschlossen wäre, so würden wir die unvermeidliche Konferenz wegen Marokko vielleicht in Berlin gehabt haben. Jedenfalls würde Bismarck, obgleich er seinerzeit den Franzosen Tunis preisgegeben hat, ihnen heute Marokko nicht ausliefern, schon deshalb nicht, weil sich die Er¬ wartungen, die er an seine damalige Zustimmung für Tunis geknüpft hatte, nicht erfüllt haben. Außerdem sind seit Bismarcks Ausscheiden aus dem Amt Deutsch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/62>, abgerufen am 04.07.2024.