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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Die oberste Heeresleitung in Frankreich

wurden die Führung der im Mobilmachungssalle zu formierenden fünf Armeen
zu übernehmen haben.

Auf alle diese Festsetzungen wird die Machtsphäre des obersten Rates der
Nationalverteidigung nicht ausgedehnt werden, vielmehr bleiben sie nach wie vor
dem Kriegsminister und dem Ministerrate vorbehalten.

Auch auf die Institutionen des obersten Kriegsrath und des obersten Marine¬
rats hat der neugeschaffne Rat der Nationalverteidigung keinerlei beschränkenden
Einfluß, wie vielfach unrichtig auch in der französischen Presse behauptet worden
ist, um diese neue militärische Einrichtung, die vielen nicht zusagte, von vorn¬
herein in Mißkredit zu bringen. Das mußte auch schon deshalb ganz unglaublich
erscheinen, weil sich diese beiden Organisationen eines hohen Ansehens in allen
republikanischen Kreisen erfreuen, und weil sie anerkanntermaßen gleichsam die
Fundamente bilden, auf denen alle großen militärischen Fragen in gemeinsamer
Beratung festgelegt und verarbeitet werden. Es erscheint darum der Vollständigkeit
halber notwendig, auch noch auf diese beiden wichtigen Faktoren, die von der
obersten Heeresleitung, besonders für den Kriegsfall, unzertrennlich sind, mit
einigen Worten einzugehn.

Die Organisation des obersten Kriegsrath beruht auf dem Dekret vom Jahre
1888, zu dem aber im Laufe der Zeit mehrfach Ergänzungen und Abänderungen
verfügt worden sind. Es hatte sich hierbei hauptsächlich um die Frage gehandelt,
ob die dem obersten Kriegsrat angehörenden Mitglieder außerdem noch die
Stellung eines kommandierender Generals oder eines Gouverneurs von Paris
und Lyon bekleiden, oder ob sie nur zur Verfügung des Kriegsministers in Paris
verbleiben sollten. Der ersten Ansicht war der Kriegsminister Gallifet gewesen,
der die Mitglieder des obersten Kriegsrath, vor allem die als Armeeführer im
Kriegsfalle bestimmten Generale in dauernder Berührung mit den Truppen er¬
halten wollte und deshalb zu kommandierender Generalen eines der Armeekorps
befördern ließ, die im Kriegsfalle zu der ihnen unterstellten Armee gehörten.
In Paris seien die Generale ohne genügende Beschäftigung.

Der alsdann folgende Kriegsminister, General Andre, war andrer Meinung
und hob die Bestimmung seines Amtsvorgängers wieder auf, indem er die Tätig¬
keit der Armeeführer in Paris, insbesondre die Vorbereitung für ihre zukünftige
Stellung im Kriege für so wichtig hielt, daß sich seiner Meinung nach die Auf¬
gaben eines kommandierender Generals nicht damit verbinden ließen. Diese
Auffassung ist auch bis zur Stunde noch beibehalten worden, sodaß heute alle
Mitglieder des obersten Kriegsrath in Paris sind, und keiner von ihnen mehr
die Stellung eines kommandierender Generals bekleidet.

Als die Aufgabe des Kriegrats wird die Prüfung aller sich auf die Vor¬
bereitung für den Krieg beziehenden Fragen bezeichnet. Der Kriegsminister ist
verpflichtet, ihn zu Rate zu ziehn, wenn es sich um wichtige Mobilmachungs¬
bestimmungen, um den Aufmarsch des Heeres, um den Bau strategischer Bahn¬
linien, um die allgemeine Organisation und die Ausbildung der Armee, um die Ein¬
führung neuer Kriegsmittel, um den Bau oder um die Aufhebung von Festungen
und um die Küstenverteidigung handelt. Die Versammlung des obersten Kriegs¬
rath erfolgt nach Bedarf, mindestens aber am ersten Montag in jedem Monat.


Die oberste Heeresleitung in Frankreich

wurden die Führung der im Mobilmachungssalle zu formierenden fünf Armeen
zu übernehmen haben.

Auf alle diese Festsetzungen wird die Machtsphäre des obersten Rates der
Nationalverteidigung nicht ausgedehnt werden, vielmehr bleiben sie nach wie vor
dem Kriegsminister und dem Ministerrate vorbehalten.

Auch auf die Institutionen des obersten Kriegsrath und des obersten Marine¬
rats hat der neugeschaffne Rat der Nationalverteidigung keinerlei beschränkenden
Einfluß, wie vielfach unrichtig auch in der französischen Presse behauptet worden
ist, um diese neue militärische Einrichtung, die vielen nicht zusagte, von vorn¬
herein in Mißkredit zu bringen. Das mußte auch schon deshalb ganz unglaublich
erscheinen, weil sich diese beiden Organisationen eines hohen Ansehens in allen
republikanischen Kreisen erfreuen, und weil sie anerkanntermaßen gleichsam die
Fundamente bilden, auf denen alle großen militärischen Fragen in gemeinsamer
Beratung festgelegt und verarbeitet werden. Es erscheint darum der Vollständigkeit
halber notwendig, auch noch auf diese beiden wichtigen Faktoren, die von der
obersten Heeresleitung, besonders für den Kriegsfall, unzertrennlich sind, mit
einigen Worten einzugehn.

Die Organisation des obersten Kriegsrath beruht auf dem Dekret vom Jahre
1888, zu dem aber im Laufe der Zeit mehrfach Ergänzungen und Abänderungen
verfügt worden sind. Es hatte sich hierbei hauptsächlich um die Frage gehandelt,
ob die dem obersten Kriegsrat angehörenden Mitglieder außerdem noch die
Stellung eines kommandierender Generals oder eines Gouverneurs von Paris
und Lyon bekleiden, oder ob sie nur zur Verfügung des Kriegsministers in Paris
verbleiben sollten. Der ersten Ansicht war der Kriegsminister Gallifet gewesen,
der die Mitglieder des obersten Kriegsrath, vor allem die als Armeeführer im
Kriegsfalle bestimmten Generale in dauernder Berührung mit den Truppen er¬
halten wollte und deshalb zu kommandierender Generalen eines der Armeekorps
befördern ließ, die im Kriegsfalle zu der ihnen unterstellten Armee gehörten.
In Paris seien die Generale ohne genügende Beschäftigung.

Der alsdann folgende Kriegsminister, General Andre, war andrer Meinung
und hob die Bestimmung seines Amtsvorgängers wieder auf, indem er die Tätig¬
keit der Armeeführer in Paris, insbesondre die Vorbereitung für ihre zukünftige
Stellung im Kriege für so wichtig hielt, daß sich seiner Meinung nach die Auf¬
gaben eines kommandierender Generals nicht damit verbinden ließen. Diese
Auffassung ist auch bis zur Stunde noch beibehalten worden, sodaß heute alle
Mitglieder des obersten Kriegsrath in Paris sind, und keiner von ihnen mehr
die Stellung eines kommandierender Generals bekleidet.

Als die Aufgabe des Kriegrats wird die Prüfung aller sich auf die Vor¬
bereitung für den Krieg beziehenden Fragen bezeichnet. Der Kriegsminister ist
verpflichtet, ihn zu Rate zu ziehn, wenn es sich um wichtige Mobilmachungs¬
bestimmungen, um den Aufmarsch des Heeres, um den Bau strategischer Bahn¬
linien, um die allgemeine Organisation und die Ausbildung der Armee, um die Ein¬
führung neuer Kriegsmittel, um den Bau oder um die Aufhebung von Festungen
und um die Küstenverteidigung handelt. Die Versammlung des obersten Kriegs¬
rath erfolgt nach Bedarf, mindestens aber am ersten Montag in jedem Monat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/578>, abgerufen am 04.07.2024.