Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Menschenfrühling

Er betrachtete auch mit großem Interesse die Soldaten und die Jäger, die
Tänzer und die Tänzerinnen, alle bunten aufgeklebten Bilder, wunderte sich über
die alten Moden und fand mehr Gefallen an allem, als Anneli je verspürt hatte.
Aber er besah ebenfalls aufmerksam einige knisternde Bogen, die hier und dor
zwischen die bunten Figuren geschoben waren.

Mutter, was bedeuten diese Zahlen? fragte er, eins dieser Papiere Frau
Roland hinhaltend, und als diese einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, stand
sie auf und blätterte selbst in den zwei Büchern herum. Sie fand noch mehrere
dieser wunderlichen Papiere und endlich auch, hinter eine Tänzerin gesteckt, einen
Zettel mit folgendem Inhalt: Ich, Anna Margarete Stahl, vermache diese Bücher
mit ihrem Inhalt an Staatspapieren der kleinen Annaluise Pankow zum bleibenden
Eigentum. Damit dieses Kind nicht nur von fremder Menschen Barmherzigkeit
abhänge.

Frau Roland hatte den Brief in der Hand, als Slina Böteführ eintrat, um
sich uach Aureus Befinden zu erkundigen. Als sie die Bilderbücher sah, wischte
sie sich die Augen, und als ihr Blick auf den kleinen Haufen von Staatspapieren
siel, den Frau Roland sorgsam zusammenlegte, stieß sie einen Schrei aus.

Hab ich es mich nich gedacht! Die alt Mamsell hat ihr Geld Anneli gegeben!

Anneli konnte die Geschichte nicht recht begreifen. Hatte sie wirklich zehn¬
tausend Mark geerbt, und war es genug Geld, daß sie ihr ganzes Leben fröhlich
davon zehren konnte? Jedenfalls wollte sie gleich ihre Rechnung bei Herrn Peterlein
bezahlen; aber es stellte sich zu ihrem Verdruß heraus, daß Frau Roland sogleich
mit dem Geld zum Bürgermeister gegangen war. und daß dieser es unter Verschluß
genommen hatte.

Von wegen der Ordnung! sagte seine Tochter, die Anneli zur Schule abholte.
Eine Ehre, der die Kleine noch niemals teilhaftig geworden war.

Dein Onkel ist dein Vormund, fuhr Karoline ernsthaft fort. Aber da er nicht
hier ist, muß sich die Obrigkeit des Geldes annehmen. Du wirst es wahrscheinlich
auch gar nicht erhalten. Du bist keine Blutsverwandte der Demoiselle gewesen,
und sie war wohl schon verrückt, als sie das Geld dir vermachte. Dann fällt es
an ihre beiden Neffen.

Kann ich nicht ein bißchen davon kriegen? fragte Anneli kläglich.

Ganz gewiß nicht. Erstens bist du nicht mündig, und zweitens gehört dir
das Geld nicht. Vielleicht kommt noch ein Prozeß, dann kriegen die Advokaten
die Erbschaft.

Es war eine langweilige Geschichte, nud Anneli ärgerte sich über ste. So sehr,
daß sie der Tochter des Buchdruckers gleich nach der Schule die Zunge heraus¬
streckte und ein ungezognes Wort sagte, obgleich ihr Anna Manning nur gesagt
hatte, daß sie jetzt auch in die Zeitung kommen sollte. Eigentlich hätte sie schon
deswegen hineingemußt, weil sie beinahe ertrunken war, schließlich aber hatte diese
Nachricht wegen Stofffülle zurückbleiben müssen. Nun aber, wo sie vielleicht zehn¬
tausend Mark geerbt hatte -- vielleicht auch uicht --, sollte sie doch endlich einmal
er die Zeitung.

Es war häßlich, daß Anneli der freundlichen Buchdruckertochter so ungezogen
begegnete und dann triumphierend heimwärts ging. Fräulein Sengelmann schüttelte
den Kopf über sie, und Karoline, die in das Alter der vorlauten Weisheit kam,
sagte, Anneli wäre schlecht angeleitet, eine Bemerkung, die die Lehrerin hilflos
anhörte.

Aureus Triumph dauerte nicht lange. Sie stand jetzt in der stillen Straße,
die zu der Rolandschen Wohnung führte, und die ganze Einsamkeit des Lebens
kam über sie. Dort war die Hecke zum Sudeckscheu Garten, dort die Bretterbude
mit den toten Menschen darin -- überall die Stille, der Tod. Wo war Christel,
die lustige, wo ihr Hund, der fröhliche? Es war alles vergangen, nur sie war ge¬
blieben und war fremd geworden. Anneli kroch durch die Hecke und in den


Grenzboten II 1906 70
Menschenfrühling

Er betrachtete auch mit großem Interesse die Soldaten und die Jäger, die
Tänzer und die Tänzerinnen, alle bunten aufgeklebten Bilder, wunderte sich über
die alten Moden und fand mehr Gefallen an allem, als Anneli je verspürt hatte.
Aber er besah ebenfalls aufmerksam einige knisternde Bogen, die hier und dor
zwischen die bunten Figuren geschoben waren.

Mutter, was bedeuten diese Zahlen? fragte er, eins dieser Papiere Frau
Roland hinhaltend, und als diese einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, stand
sie auf und blätterte selbst in den zwei Büchern herum. Sie fand noch mehrere
dieser wunderlichen Papiere und endlich auch, hinter eine Tänzerin gesteckt, einen
Zettel mit folgendem Inhalt: Ich, Anna Margarete Stahl, vermache diese Bücher
mit ihrem Inhalt an Staatspapieren der kleinen Annaluise Pankow zum bleibenden
Eigentum. Damit dieses Kind nicht nur von fremder Menschen Barmherzigkeit
abhänge.

Frau Roland hatte den Brief in der Hand, als Slina Böteführ eintrat, um
sich uach Aureus Befinden zu erkundigen. Als sie die Bilderbücher sah, wischte
sie sich die Augen, und als ihr Blick auf den kleinen Haufen von Staatspapieren
siel, den Frau Roland sorgsam zusammenlegte, stieß sie einen Schrei aus.

Hab ich es mich nich gedacht! Die alt Mamsell hat ihr Geld Anneli gegeben!

Anneli konnte die Geschichte nicht recht begreifen. Hatte sie wirklich zehn¬
tausend Mark geerbt, und war es genug Geld, daß sie ihr ganzes Leben fröhlich
davon zehren konnte? Jedenfalls wollte sie gleich ihre Rechnung bei Herrn Peterlein
bezahlen; aber es stellte sich zu ihrem Verdruß heraus, daß Frau Roland sogleich
mit dem Geld zum Bürgermeister gegangen war. und daß dieser es unter Verschluß
genommen hatte.

Von wegen der Ordnung! sagte seine Tochter, die Anneli zur Schule abholte.
Eine Ehre, der die Kleine noch niemals teilhaftig geworden war.

Dein Onkel ist dein Vormund, fuhr Karoline ernsthaft fort. Aber da er nicht
hier ist, muß sich die Obrigkeit des Geldes annehmen. Du wirst es wahrscheinlich
auch gar nicht erhalten. Du bist keine Blutsverwandte der Demoiselle gewesen,
und sie war wohl schon verrückt, als sie das Geld dir vermachte. Dann fällt es
an ihre beiden Neffen.

Kann ich nicht ein bißchen davon kriegen? fragte Anneli kläglich.

Ganz gewiß nicht. Erstens bist du nicht mündig, und zweitens gehört dir
das Geld nicht. Vielleicht kommt noch ein Prozeß, dann kriegen die Advokaten
die Erbschaft.

Es war eine langweilige Geschichte, nud Anneli ärgerte sich über ste. So sehr,
daß sie der Tochter des Buchdruckers gleich nach der Schule die Zunge heraus¬
streckte und ein ungezognes Wort sagte, obgleich ihr Anna Manning nur gesagt
hatte, daß sie jetzt auch in die Zeitung kommen sollte. Eigentlich hätte sie schon
deswegen hineingemußt, weil sie beinahe ertrunken war, schließlich aber hatte diese
Nachricht wegen Stofffülle zurückbleiben müssen. Nun aber, wo sie vielleicht zehn¬
tausend Mark geerbt hatte — vielleicht auch uicht —, sollte sie doch endlich einmal
er die Zeitung.

Es war häßlich, daß Anneli der freundlichen Buchdruckertochter so ungezogen
begegnete und dann triumphierend heimwärts ging. Fräulein Sengelmann schüttelte
den Kopf über sie, und Karoline, die in das Alter der vorlauten Weisheit kam,
sagte, Anneli wäre schlecht angeleitet, eine Bemerkung, die die Lehrerin hilflos
anhörte.

Aureus Triumph dauerte nicht lange. Sie stand jetzt in der stillen Straße,
die zu der Rolandschen Wohnung führte, und die ganze Einsamkeit des Lebens
kam über sie. Dort war die Hecke zum Sudeckscheu Garten, dort die Bretterbude
mit den toten Menschen darin — überall die Stille, der Tod. Wo war Christel,
die lustige, wo ihr Hund, der fröhliche? Es war alles vergangen, nur sie war ge¬
blieben und war fremd geworden. Anneli kroch durch die Hecke und in den


Grenzboten II 1906 70
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299598"/>
          <fw type="header" place="top"> Menschenfrühling</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2455"> Er betrachtete auch mit großem Interesse die Soldaten und die Jäger, die<lb/>
Tänzer und die Tänzerinnen, alle bunten aufgeklebten Bilder, wunderte sich über<lb/>
die alten Moden und fand mehr Gefallen an allem, als Anneli je verspürt hatte.<lb/>
Aber er besah ebenfalls aufmerksam einige knisternde Bogen, die hier und dor<lb/>
zwischen die bunten Figuren geschoben waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2456"> Mutter, was bedeuten diese Zahlen? fragte er, eins dieser Papiere Frau<lb/>
Roland hinhaltend, und als diese einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, stand<lb/>
sie auf und blätterte selbst in den zwei Büchern herum. Sie fand noch mehrere<lb/>
dieser wunderlichen Papiere und endlich auch, hinter eine Tänzerin gesteckt, einen<lb/>
Zettel mit folgendem Inhalt: Ich, Anna Margarete Stahl, vermache diese Bücher<lb/>
mit ihrem Inhalt an Staatspapieren der kleinen Annaluise Pankow zum bleibenden<lb/>
Eigentum. Damit dieses Kind nicht nur von fremder Menschen Barmherzigkeit<lb/>
abhänge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2457"> Frau Roland hatte den Brief in der Hand, als Slina Böteführ eintrat, um<lb/>
sich uach Aureus Befinden zu erkundigen. Als sie die Bilderbücher sah, wischte<lb/>
sie sich die Augen, und als ihr Blick auf den kleinen Haufen von Staatspapieren<lb/>
siel, den Frau Roland sorgsam zusammenlegte, stieß sie einen Schrei aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2458"> Hab ich es mich nich gedacht! Die alt Mamsell hat ihr Geld Anneli gegeben!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2459"> Anneli konnte die Geschichte nicht recht begreifen. Hatte sie wirklich zehn¬<lb/>
tausend Mark geerbt, und war es genug Geld, daß sie ihr ganzes Leben fröhlich<lb/>
davon zehren konnte? Jedenfalls wollte sie gleich ihre Rechnung bei Herrn Peterlein<lb/>
bezahlen; aber es stellte sich zu ihrem Verdruß heraus, daß Frau Roland sogleich<lb/>
mit dem Geld zum Bürgermeister gegangen war. und daß dieser es unter Verschluß<lb/>
genommen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2460"> Von wegen der Ordnung! sagte seine Tochter, die Anneli zur Schule abholte.<lb/>
Eine Ehre, der die Kleine noch niemals teilhaftig geworden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2461"> Dein Onkel ist dein Vormund, fuhr Karoline ernsthaft fort. Aber da er nicht<lb/>
hier ist, muß sich die Obrigkeit des Geldes annehmen. Du wirst es wahrscheinlich<lb/>
auch gar nicht erhalten. Du bist keine Blutsverwandte der Demoiselle gewesen,<lb/>
und sie war wohl schon verrückt, als sie das Geld dir vermachte. Dann fällt es<lb/>
an ihre beiden Neffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2462"> Kann ich nicht ein bißchen davon kriegen? fragte Anneli kläglich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2463"> Ganz gewiß nicht. Erstens bist du nicht mündig, und zweitens gehört dir<lb/>
das Geld nicht. Vielleicht kommt noch ein Prozeß, dann kriegen die Advokaten<lb/>
die Erbschaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2464"> Es war eine langweilige Geschichte, nud Anneli ärgerte sich über ste. So sehr,<lb/>
daß sie der Tochter des Buchdruckers gleich nach der Schule die Zunge heraus¬<lb/>
streckte und ein ungezognes Wort sagte, obgleich ihr Anna Manning nur gesagt<lb/>
hatte, daß sie jetzt auch in die Zeitung kommen sollte. Eigentlich hätte sie schon<lb/>
deswegen hineingemußt, weil sie beinahe ertrunken war, schließlich aber hatte diese<lb/>
Nachricht wegen Stofffülle zurückbleiben müssen. Nun aber, wo sie vielleicht zehn¬<lb/>
tausend Mark geerbt hatte &#x2014; vielleicht auch uicht &#x2014;, sollte sie doch endlich einmal<lb/>
er die Zeitung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2465"> Es war häßlich, daß Anneli der freundlichen Buchdruckertochter so ungezogen<lb/>
begegnete und dann triumphierend heimwärts ging. Fräulein Sengelmann schüttelte<lb/>
den Kopf über sie, und Karoline, die in das Alter der vorlauten Weisheit kam,<lb/>
sagte, Anneli wäre schlecht angeleitet, eine Bemerkung, die die Lehrerin hilflos<lb/>
anhörte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2466" next="#ID_2467"> Aureus Triumph dauerte nicht lange. Sie stand jetzt in der stillen Straße,<lb/>
die zu der Rolandschen Wohnung führte, und die ganze Einsamkeit des Lebens<lb/>
kam über sie. Dort war die Hecke zum Sudeckscheu Garten, dort die Bretterbude<lb/>
mit den toten Menschen darin &#x2014; überall die Stille, der Tod. Wo war Christel,<lb/>
die lustige, wo ihr Hund, der fröhliche? Es war alles vergangen, nur sie war ge¬<lb/>
blieben und war fremd geworden. Anneli kroch durch die Hecke und in den</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1906 70</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0557] Menschenfrühling Er betrachtete auch mit großem Interesse die Soldaten und die Jäger, die Tänzer und die Tänzerinnen, alle bunten aufgeklebten Bilder, wunderte sich über die alten Moden und fand mehr Gefallen an allem, als Anneli je verspürt hatte. Aber er besah ebenfalls aufmerksam einige knisternde Bogen, die hier und dor zwischen die bunten Figuren geschoben waren. Mutter, was bedeuten diese Zahlen? fragte er, eins dieser Papiere Frau Roland hinhaltend, und als diese einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, stand sie auf und blätterte selbst in den zwei Büchern herum. Sie fand noch mehrere dieser wunderlichen Papiere und endlich auch, hinter eine Tänzerin gesteckt, einen Zettel mit folgendem Inhalt: Ich, Anna Margarete Stahl, vermache diese Bücher mit ihrem Inhalt an Staatspapieren der kleinen Annaluise Pankow zum bleibenden Eigentum. Damit dieses Kind nicht nur von fremder Menschen Barmherzigkeit abhänge. Frau Roland hatte den Brief in der Hand, als Slina Böteführ eintrat, um sich uach Aureus Befinden zu erkundigen. Als sie die Bilderbücher sah, wischte sie sich die Augen, und als ihr Blick auf den kleinen Haufen von Staatspapieren siel, den Frau Roland sorgsam zusammenlegte, stieß sie einen Schrei aus. Hab ich es mich nich gedacht! Die alt Mamsell hat ihr Geld Anneli gegeben! Anneli konnte die Geschichte nicht recht begreifen. Hatte sie wirklich zehn¬ tausend Mark geerbt, und war es genug Geld, daß sie ihr ganzes Leben fröhlich davon zehren konnte? Jedenfalls wollte sie gleich ihre Rechnung bei Herrn Peterlein bezahlen; aber es stellte sich zu ihrem Verdruß heraus, daß Frau Roland sogleich mit dem Geld zum Bürgermeister gegangen war. und daß dieser es unter Verschluß genommen hatte. Von wegen der Ordnung! sagte seine Tochter, die Anneli zur Schule abholte. Eine Ehre, der die Kleine noch niemals teilhaftig geworden war. Dein Onkel ist dein Vormund, fuhr Karoline ernsthaft fort. Aber da er nicht hier ist, muß sich die Obrigkeit des Geldes annehmen. Du wirst es wahrscheinlich auch gar nicht erhalten. Du bist keine Blutsverwandte der Demoiselle gewesen, und sie war wohl schon verrückt, als sie das Geld dir vermachte. Dann fällt es an ihre beiden Neffen. Kann ich nicht ein bißchen davon kriegen? fragte Anneli kläglich. Ganz gewiß nicht. Erstens bist du nicht mündig, und zweitens gehört dir das Geld nicht. Vielleicht kommt noch ein Prozeß, dann kriegen die Advokaten die Erbschaft. Es war eine langweilige Geschichte, nud Anneli ärgerte sich über ste. So sehr, daß sie der Tochter des Buchdruckers gleich nach der Schule die Zunge heraus¬ streckte und ein ungezognes Wort sagte, obgleich ihr Anna Manning nur gesagt hatte, daß sie jetzt auch in die Zeitung kommen sollte. Eigentlich hätte sie schon deswegen hineingemußt, weil sie beinahe ertrunken war, schließlich aber hatte diese Nachricht wegen Stofffülle zurückbleiben müssen. Nun aber, wo sie vielleicht zehn¬ tausend Mark geerbt hatte — vielleicht auch uicht —, sollte sie doch endlich einmal er die Zeitung. Es war häßlich, daß Anneli der freundlichen Buchdruckertochter so ungezogen begegnete und dann triumphierend heimwärts ging. Fräulein Sengelmann schüttelte den Kopf über sie, und Karoline, die in das Alter der vorlauten Weisheit kam, sagte, Anneli wäre schlecht angeleitet, eine Bemerkung, die die Lehrerin hilflos anhörte. Aureus Triumph dauerte nicht lange. Sie stand jetzt in der stillen Straße, die zu der Rolandschen Wohnung führte, und die ganze Einsamkeit des Lebens kam über sie. Dort war die Hecke zum Sudeckscheu Garten, dort die Bretterbude mit den toten Menschen darin — überall die Stille, der Tod. Wo war Christel, die lustige, wo ihr Hund, der fröhliche? Es war alles vergangen, nur sie war ge¬ blieben und war fremd geworden. Anneli kroch durch die Hecke und in den Grenzboten II 1906 70

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/557
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/557>, abgerufen am 04.07.2024.