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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Menschenfrühling

des Pastoren war in Pension gekommen, und Christel war tot. Da wandte sich
Karoline Anneli zu, ging mit ihr spazieren und vertraute ihr vieles an.

Ihr Vater hatte alle seine schönen Bücher so gut versteckt, daß niemand daran
kommen konnte, außerdem war er strenge geworden und erlaubte nicht, daß seine
Tochter Abends allein-auf den Straßen umherlief oder bei Herrn Peterlein im
Laden stand und mit ihm scherzte.

Sie sind alle ganz sonderbar geworden, klagte sie, während sie mit Anneli
zum Kirchhof ging. Und alles uur, weil Christel Sudeck ins Wasser gegangen ist.
Es ist ja auch schrecklich, und wie ich es hörte, bin ich lang hingeschlagen. Aber
Christel tat immer, was ihr gerade einfiel, und dachte nie lange nach. Herr Peters
würde sie gewiß nicht verklagt haben, wenn Doktor Sudeck ihn schön darum ge¬
beten hätte, und Papa sagt auch, Christel hätte in Pension gemußt, und wenn sie
wiedergekommen wäre, würde kein Mensch mehr an die Geschichte gedacht haben.
Aber Christel mußte ins Wasser laufen und ließ sich drei Tage suchen, bis sie ge¬
funden wurde. Sie tat, was sie wollte!

Karoline schauerte zusammen und sah zum See hinüber, der regungslos unter
einem grauen Novemberhimmel lag. In der Nacht hatte es geschneit, auf den
schwarzen Feldern und Hecken lag ein selner weißer Schleier. Er hatte sich auch
auf die Gräber gesenkt, auf verwelkte Kränze und frische Blumen, die hier und
dort auf einigen Stätten lagen.

Beide Mädchen standen jetzt vor einem weißen Marmorkreuz. Es war noch
neu, ragte hoch in die Luft, und auf seinem Sockel stand Christel Sudecks Name.
Die Buchstaben waren von Gold, und da in diesem Augenblick ein matter Sonnen¬
strahl vom Himmel glitt, so flimmerten sie leise. Gerade wie Christels Haar
flimmern konnte, wenn die Sonne darauf schien.

Es war so entsetzlich, begann Karoline von neuem. Drei Tage lang suchten
sie nach ihr im See, und dann erst fanden sie sie im Schilf. Dort hinten, wo
im Winter manchmal die wilden Schwäne sind. Nachher war es ein großartiges
Begräbnis, wir streuten Blumen, und der Pastor weinte bei seiner Rede. Er sagte,
Gott würde Gnade üben, weil sie doch nur töricht gehandelt Hütte, aber nicht schlecht.
Sie wäre verirrt gewesen, und niemand hätte ihr den rechten Weg gezeigt. Wir
Kinder sollten mehr Vertrauen haben zu unsern Eltern, dann würde so etwas
niemals vorkommen. Aber Frau Doktor Sudeck war ja immer aus; wenn Christel
zu ihr Vertrauen haben wollte, dann war sie nicht da, und der Doktor hatte wirklich
viel zu tun. Ich will aber Mama lieber alles sagen, was ich denke; obgleich es
manchmal schwer ist. Denn die Mütter haben ganz andre Gedanken als wir.

Karoline hatte weinerlich gesprochen, nun rupfte sie ein Unkräutchen auf Christels
Grabe aus und sprach von andern Dingen. Daß sie zu Weihnachten einen neuen
Hut bekäme, den Frau Roland ihr arbeiten sollte, und daß aus dem Wintermantel
ihrer Mutter noch ein ganz vernünftiger für sie gearbeitet würde. Rike Blüthen
war dieses Werk anvertraut, und hoffentlich würde sie nicht zuviel an den Kan¬
didaten Bergheim denken und dabei den Stoff verderben.

An Onkel Aurelius denkt sie?

Bis dahin war Anneli noch ganz in ihre Gedanken versunken gewesen, nun
aber war sie erstaunt und doch zugleich beschämt, weil Karoline sie so mitleidig ansah.

Du weißt doch niemals etwas. Rike Blüthen hat gedacht, sie könnte nach
Tante Fritzes Tode den Kandidaten kriegen, aber er nimmt nun wohl Slina Böte-
sühr. Mein Vater meint es, und der alte Herr Peters glaubt es auch. Der
kommt jetzt manchmal in die Weinstube zu den andern Herren, und sie sind alle
sehr freundlich gegen ihn, weil er doch so allein ist. Er weiß immer so nett von
allem zu berichten, was in der Stadt passiert, und ist also gerade das Gegenteil
von dir. Wenn du nun größer wirst, dann mußt du auch verständiger werden.

Diese Ermahnung nutzte nichts, und Anneli wußte niemals etwas neues-
Vielleicht kam es daher, daß sie auf dem Schloß und bei Onkel Aurelius blieb.


Menschenfrühling

des Pastoren war in Pension gekommen, und Christel war tot. Da wandte sich
Karoline Anneli zu, ging mit ihr spazieren und vertraute ihr vieles an.

Ihr Vater hatte alle seine schönen Bücher so gut versteckt, daß niemand daran
kommen konnte, außerdem war er strenge geworden und erlaubte nicht, daß seine
Tochter Abends allein-auf den Straßen umherlief oder bei Herrn Peterlein im
Laden stand und mit ihm scherzte.

Sie sind alle ganz sonderbar geworden, klagte sie, während sie mit Anneli
zum Kirchhof ging. Und alles uur, weil Christel Sudeck ins Wasser gegangen ist.
Es ist ja auch schrecklich, und wie ich es hörte, bin ich lang hingeschlagen. Aber
Christel tat immer, was ihr gerade einfiel, und dachte nie lange nach. Herr Peters
würde sie gewiß nicht verklagt haben, wenn Doktor Sudeck ihn schön darum ge¬
beten hätte, und Papa sagt auch, Christel hätte in Pension gemußt, und wenn sie
wiedergekommen wäre, würde kein Mensch mehr an die Geschichte gedacht haben.
Aber Christel mußte ins Wasser laufen und ließ sich drei Tage suchen, bis sie ge¬
funden wurde. Sie tat, was sie wollte!

Karoline schauerte zusammen und sah zum See hinüber, der regungslos unter
einem grauen Novemberhimmel lag. In der Nacht hatte es geschneit, auf den
schwarzen Feldern und Hecken lag ein selner weißer Schleier. Er hatte sich auch
auf die Gräber gesenkt, auf verwelkte Kränze und frische Blumen, die hier und
dort auf einigen Stätten lagen.

Beide Mädchen standen jetzt vor einem weißen Marmorkreuz. Es war noch
neu, ragte hoch in die Luft, und auf seinem Sockel stand Christel Sudecks Name.
Die Buchstaben waren von Gold, und da in diesem Augenblick ein matter Sonnen¬
strahl vom Himmel glitt, so flimmerten sie leise. Gerade wie Christels Haar
flimmern konnte, wenn die Sonne darauf schien.

Es war so entsetzlich, begann Karoline von neuem. Drei Tage lang suchten
sie nach ihr im See, und dann erst fanden sie sie im Schilf. Dort hinten, wo
im Winter manchmal die wilden Schwäne sind. Nachher war es ein großartiges
Begräbnis, wir streuten Blumen, und der Pastor weinte bei seiner Rede. Er sagte,
Gott würde Gnade üben, weil sie doch nur töricht gehandelt Hütte, aber nicht schlecht.
Sie wäre verirrt gewesen, und niemand hätte ihr den rechten Weg gezeigt. Wir
Kinder sollten mehr Vertrauen haben zu unsern Eltern, dann würde so etwas
niemals vorkommen. Aber Frau Doktor Sudeck war ja immer aus; wenn Christel
zu ihr Vertrauen haben wollte, dann war sie nicht da, und der Doktor hatte wirklich
viel zu tun. Ich will aber Mama lieber alles sagen, was ich denke; obgleich es
manchmal schwer ist. Denn die Mütter haben ganz andre Gedanken als wir.

Karoline hatte weinerlich gesprochen, nun rupfte sie ein Unkräutchen auf Christels
Grabe aus und sprach von andern Dingen. Daß sie zu Weihnachten einen neuen
Hut bekäme, den Frau Roland ihr arbeiten sollte, und daß aus dem Wintermantel
ihrer Mutter noch ein ganz vernünftiger für sie gearbeitet würde. Rike Blüthen
war dieses Werk anvertraut, und hoffentlich würde sie nicht zuviel an den Kan¬
didaten Bergheim denken und dabei den Stoff verderben.

An Onkel Aurelius denkt sie?

Bis dahin war Anneli noch ganz in ihre Gedanken versunken gewesen, nun
aber war sie erstaunt und doch zugleich beschämt, weil Karoline sie so mitleidig ansah.

Du weißt doch niemals etwas. Rike Blüthen hat gedacht, sie könnte nach
Tante Fritzes Tode den Kandidaten kriegen, aber er nimmt nun wohl Slina Böte-
sühr. Mein Vater meint es, und der alte Herr Peters glaubt es auch. Der
kommt jetzt manchmal in die Weinstube zu den andern Herren, und sie sind alle
sehr freundlich gegen ihn, weil er doch so allein ist. Er weiß immer so nett von
allem zu berichten, was in der Stadt passiert, und ist also gerade das Gegenteil
von dir. Wenn du nun größer wirst, dann mußt du auch verständiger werden.

Diese Ermahnung nutzte nichts, und Anneli wußte niemals etwas neues-
Vielleicht kam es daher, daß sie auf dem Schloß und bei Onkel Aurelius blieb.


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[0399] Menschenfrühling des Pastoren war in Pension gekommen, und Christel war tot. Da wandte sich Karoline Anneli zu, ging mit ihr spazieren und vertraute ihr vieles an. Ihr Vater hatte alle seine schönen Bücher so gut versteckt, daß niemand daran kommen konnte, außerdem war er strenge geworden und erlaubte nicht, daß seine Tochter Abends allein-auf den Straßen umherlief oder bei Herrn Peterlein im Laden stand und mit ihm scherzte. Sie sind alle ganz sonderbar geworden, klagte sie, während sie mit Anneli zum Kirchhof ging. Und alles uur, weil Christel Sudeck ins Wasser gegangen ist. Es ist ja auch schrecklich, und wie ich es hörte, bin ich lang hingeschlagen. Aber Christel tat immer, was ihr gerade einfiel, und dachte nie lange nach. Herr Peters würde sie gewiß nicht verklagt haben, wenn Doktor Sudeck ihn schön darum ge¬ beten hätte, und Papa sagt auch, Christel hätte in Pension gemußt, und wenn sie wiedergekommen wäre, würde kein Mensch mehr an die Geschichte gedacht haben. Aber Christel mußte ins Wasser laufen und ließ sich drei Tage suchen, bis sie ge¬ funden wurde. Sie tat, was sie wollte! Karoline schauerte zusammen und sah zum See hinüber, der regungslos unter einem grauen Novemberhimmel lag. In der Nacht hatte es geschneit, auf den schwarzen Feldern und Hecken lag ein selner weißer Schleier. Er hatte sich auch auf die Gräber gesenkt, auf verwelkte Kränze und frische Blumen, die hier und dort auf einigen Stätten lagen. Beide Mädchen standen jetzt vor einem weißen Marmorkreuz. Es war noch neu, ragte hoch in die Luft, und auf seinem Sockel stand Christel Sudecks Name. Die Buchstaben waren von Gold, und da in diesem Augenblick ein matter Sonnen¬ strahl vom Himmel glitt, so flimmerten sie leise. Gerade wie Christels Haar flimmern konnte, wenn die Sonne darauf schien. Es war so entsetzlich, begann Karoline von neuem. Drei Tage lang suchten sie nach ihr im See, und dann erst fanden sie sie im Schilf. Dort hinten, wo im Winter manchmal die wilden Schwäne sind. Nachher war es ein großartiges Begräbnis, wir streuten Blumen, und der Pastor weinte bei seiner Rede. Er sagte, Gott würde Gnade üben, weil sie doch nur töricht gehandelt Hütte, aber nicht schlecht. Sie wäre verirrt gewesen, und niemand hätte ihr den rechten Weg gezeigt. Wir Kinder sollten mehr Vertrauen haben zu unsern Eltern, dann würde so etwas niemals vorkommen. Aber Frau Doktor Sudeck war ja immer aus; wenn Christel zu ihr Vertrauen haben wollte, dann war sie nicht da, und der Doktor hatte wirklich viel zu tun. Ich will aber Mama lieber alles sagen, was ich denke; obgleich es manchmal schwer ist. Denn die Mütter haben ganz andre Gedanken als wir. Karoline hatte weinerlich gesprochen, nun rupfte sie ein Unkräutchen auf Christels Grabe aus und sprach von andern Dingen. Daß sie zu Weihnachten einen neuen Hut bekäme, den Frau Roland ihr arbeiten sollte, und daß aus dem Wintermantel ihrer Mutter noch ein ganz vernünftiger für sie gearbeitet würde. Rike Blüthen war dieses Werk anvertraut, und hoffentlich würde sie nicht zuviel an den Kan¬ didaten Bergheim denken und dabei den Stoff verderben. An Onkel Aurelius denkt sie? Bis dahin war Anneli noch ganz in ihre Gedanken versunken gewesen, nun aber war sie erstaunt und doch zugleich beschämt, weil Karoline sie so mitleidig ansah. Du weißt doch niemals etwas. Rike Blüthen hat gedacht, sie könnte nach Tante Fritzes Tode den Kandidaten kriegen, aber er nimmt nun wohl Slina Böte- sühr. Mein Vater meint es, und der alte Herr Peters glaubt es auch. Der kommt jetzt manchmal in die Weinstube zu den andern Herren, und sie sind alle sehr freundlich gegen ihn, weil er doch so allein ist. Er weiß immer so nett von allem zu berichten, was in der Stadt passiert, und ist also gerade das Gegenteil von dir. Wenn du nun größer wirst, dann mußt du auch verständiger werden. Diese Ermahnung nutzte nichts, und Anneli wußte niemals etwas neues- Vielleicht kam es daher, daß sie auf dem Schloß und bei Onkel Aurelius blieb.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/399>, abgerufen am 24.07.2024.