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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Menschenfrühling

Schwester Lene holte Anneli bald wieder vom Bett ihres Onkels und sagte ihr
dies. Sie hatte eine etwas harte Stimme, und Anneli empfand Scheu vor ihr.
Aber dann öffnete sie plötzlich die Augen und starrte Tante Fritze an, die im
schwarzseidnen Kleide mit wachsgelben Gesicht vor ihr lag. Die Kerzen brannten
und knisterten, es roch nach Firnis und nach Blumen. Die Fenster waren ver¬
hängt, und das Tageslicht huschte nur verstohlen in das dunkle Gemach.

Anneli wollte aufschreien, aber Schwester Lene legte ihr die Hand auf den
Mund.

Du wirst dich doch nicht so töricht anstellen, sagte sie mit ihrer harten Stimme.
So werden wir alle einmal!

Aber Anneli freute sich, als sie wieder draußen war, wo die Sonne schien,
und der See unter ihren Strahlen funkelte. Cäsar, der auf sie gewartet hatte,
sprang bellend an ihr empor, wedelte mit dem Teckelschwanze und zeigte ihr eine
Mans, die er inzwischen gefangen hatte.

War das Leben nicht schön? Mit einem scheuen Blick streifte Anneli die ver¬
hängten Fenster des Schlosses und konnte es Onkel Aurelius nicht verdenken, daß
er lieber hier unter den grünen Bäumen wandelte als drinnen war und über den
Tod nachdachte.

Der Kandidat stand an einem Ende der Terrasse und sprach mit Slina Böteführ,
die mit einem Korbe voll Eßwaren aus der Stadt gekommen war und in der Hand
ein Paar junge Tauben trug, die sie wohl für ihre Demoiselle zubereiten wollte.

Stirn kochte gut. Obgleich Tante Fritze weder Demoiselle Stahl noch ihr
Dienstmädchen ausstehn konnte, so hatte sie das doch immer zugeben müssen. Der
Kandidat hörte auch nachdenklich auf das, was Slina ihm sagte, und ihr Gesicht
war nicht so finster als sonst.

Anneli freute sich jetzt, daß sie unten in der Stadt wohnen durfte, in dem
weinumsponnenen Doktorhaus, wo es häufig klingelte, und wo allerhand bresthafte
Leute Heilung suchten. Heilung war besser als Tod, und Vater und Mutter
Sudeck waren gute Leute. Der Doktor war manchmal etwas mürrisch, besonders
wenn er Nachts herausgerufen worden war, und die Doktorin sprach viel über
Stadtgeschichten. Aber gegen Anneli waren beide freundlich, und sie fühlte sich
bald hier zuhause -- trotz dem dämmrigen Garten, wo die Bäume so dicht wuchsen,
und der Schuppen noch immer auf derselben Stelle stand, düster, geheimnisvoll
mit seinem schauerlichen Inhalt. An diese Stelle ging Anneli niemals, und auch
nicht an die Hecke, in der so viele Löcher waren, daß man mit leichter Mühe
hindurchkriechen konnte. Freilich wohnte Fred Roland in dem kleinen Gäßchen, und
sie hörte manchmal seine Stimme. Aber Fred war ja nichts für Anneli; Christel
Wollte ihn heiraten, und diese ging vor, weil sie jetzt schon vierzehn Jahre alt ge¬
worden war. Anneli mußte noch lange mit dem Heiraten warten, sie hatte ja
auch ihren Cäsar, der jeden Tag niedlicher und verständiger wurde. Er hatte
kein Heimweh nach Falkenhorst und bellte den ganzen Tag hinter Spatzen her, und
wenn er diese nicht sah, hinter etwas Eingebildeten, das ihm gerade so viel Spaß
wachte, als sähe er Mäuse und Spatzen.

Nach einigen Tagen wurde Tante Fritze begraben. Es war kein großes Be¬
gräbnis, aber die Honoratioren der Stadt folgten doch dem Sarge, und Frau
Bürgermeister gab hinterher einen Leichenkaffee, wie sie es immer tat, wenn eine
d°n ihren Freundinnen gestorben war. Man sprach dann nur Gutes von der
Verstorbnen, was bei ihren Lebzeiten nicht immer der Fall gewesen war, und Rike
Blüthen weinte sogar und wollte keine Kuchen essen. Sie war die einzige, die
°s nicht konnte, und die andern Damen sagten, sie stellte sich nur so an,

Christel hatte diese Mitteilung von ihrer Mutter und berichtete sie natürlich
gleich Anneli weiter, worauf diese nicht recht wußte, was sie sagen sollte, und nach¬
denklich einen Zuckerkringel zerbiß, den die Doktorin aus der Kaffeegesellschaft mit¬
gebracht hatte. Über Tante Fritze weinen konnte sie nicht mehr.


Grenzboten II 190t" 35
Menschenfrühling

Schwester Lene holte Anneli bald wieder vom Bett ihres Onkels und sagte ihr
dies. Sie hatte eine etwas harte Stimme, und Anneli empfand Scheu vor ihr.
Aber dann öffnete sie plötzlich die Augen und starrte Tante Fritze an, die im
schwarzseidnen Kleide mit wachsgelben Gesicht vor ihr lag. Die Kerzen brannten
und knisterten, es roch nach Firnis und nach Blumen. Die Fenster waren ver¬
hängt, und das Tageslicht huschte nur verstohlen in das dunkle Gemach.

Anneli wollte aufschreien, aber Schwester Lene legte ihr die Hand auf den
Mund.

Du wirst dich doch nicht so töricht anstellen, sagte sie mit ihrer harten Stimme.
So werden wir alle einmal!

Aber Anneli freute sich, als sie wieder draußen war, wo die Sonne schien,
und der See unter ihren Strahlen funkelte. Cäsar, der auf sie gewartet hatte,
sprang bellend an ihr empor, wedelte mit dem Teckelschwanze und zeigte ihr eine
Mans, die er inzwischen gefangen hatte.

War das Leben nicht schön? Mit einem scheuen Blick streifte Anneli die ver¬
hängten Fenster des Schlosses und konnte es Onkel Aurelius nicht verdenken, daß
er lieber hier unter den grünen Bäumen wandelte als drinnen war und über den
Tod nachdachte.

Der Kandidat stand an einem Ende der Terrasse und sprach mit Slina Böteführ,
die mit einem Korbe voll Eßwaren aus der Stadt gekommen war und in der Hand
ein Paar junge Tauben trug, die sie wohl für ihre Demoiselle zubereiten wollte.

Stirn kochte gut. Obgleich Tante Fritze weder Demoiselle Stahl noch ihr
Dienstmädchen ausstehn konnte, so hatte sie das doch immer zugeben müssen. Der
Kandidat hörte auch nachdenklich auf das, was Slina ihm sagte, und ihr Gesicht
war nicht so finster als sonst.

Anneli freute sich jetzt, daß sie unten in der Stadt wohnen durfte, in dem
weinumsponnenen Doktorhaus, wo es häufig klingelte, und wo allerhand bresthafte
Leute Heilung suchten. Heilung war besser als Tod, und Vater und Mutter
Sudeck waren gute Leute. Der Doktor war manchmal etwas mürrisch, besonders
wenn er Nachts herausgerufen worden war, und die Doktorin sprach viel über
Stadtgeschichten. Aber gegen Anneli waren beide freundlich, und sie fühlte sich
bald hier zuhause — trotz dem dämmrigen Garten, wo die Bäume so dicht wuchsen,
und der Schuppen noch immer auf derselben Stelle stand, düster, geheimnisvoll
mit seinem schauerlichen Inhalt. An diese Stelle ging Anneli niemals, und auch
nicht an die Hecke, in der so viele Löcher waren, daß man mit leichter Mühe
hindurchkriechen konnte. Freilich wohnte Fred Roland in dem kleinen Gäßchen, und
sie hörte manchmal seine Stimme. Aber Fred war ja nichts für Anneli; Christel
Wollte ihn heiraten, und diese ging vor, weil sie jetzt schon vierzehn Jahre alt ge¬
worden war. Anneli mußte noch lange mit dem Heiraten warten, sie hatte ja
auch ihren Cäsar, der jeden Tag niedlicher und verständiger wurde. Er hatte
kein Heimweh nach Falkenhorst und bellte den ganzen Tag hinter Spatzen her, und
wenn er diese nicht sah, hinter etwas Eingebildeten, das ihm gerade so viel Spaß
wachte, als sähe er Mäuse und Spatzen.

Nach einigen Tagen wurde Tante Fritze begraben. Es war kein großes Be¬
gräbnis, aber die Honoratioren der Stadt folgten doch dem Sarge, und Frau
Bürgermeister gab hinterher einen Leichenkaffee, wie sie es immer tat, wenn eine
d°n ihren Freundinnen gestorben war. Man sprach dann nur Gutes von der
Verstorbnen, was bei ihren Lebzeiten nicht immer der Fall gewesen war, und Rike
Blüthen weinte sogar und wollte keine Kuchen essen. Sie war die einzige, die
°s nicht konnte, und die andern Damen sagten, sie stellte sich nur so an,

Christel hatte diese Mitteilung von ihrer Mutter und berichtete sie natürlich
gleich Anneli weiter, worauf diese nicht recht wußte, was sie sagen sollte, und nach¬
denklich einen Zuckerkringel zerbiß, den die Doktorin aus der Kaffeegesellschaft mit¬
gebracht hatte. Über Tante Fritze weinen konnte sie nicht mehr.


Grenzboten II 190t» 35
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[0285] Menschenfrühling Schwester Lene holte Anneli bald wieder vom Bett ihres Onkels und sagte ihr dies. Sie hatte eine etwas harte Stimme, und Anneli empfand Scheu vor ihr. Aber dann öffnete sie plötzlich die Augen und starrte Tante Fritze an, die im schwarzseidnen Kleide mit wachsgelben Gesicht vor ihr lag. Die Kerzen brannten und knisterten, es roch nach Firnis und nach Blumen. Die Fenster waren ver¬ hängt, und das Tageslicht huschte nur verstohlen in das dunkle Gemach. Anneli wollte aufschreien, aber Schwester Lene legte ihr die Hand auf den Mund. Du wirst dich doch nicht so töricht anstellen, sagte sie mit ihrer harten Stimme. So werden wir alle einmal! Aber Anneli freute sich, als sie wieder draußen war, wo die Sonne schien, und der See unter ihren Strahlen funkelte. Cäsar, der auf sie gewartet hatte, sprang bellend an ihr empor, wedelte mit dem Teckelschwanze und zeigte ihr eine Mans, die er inzwischen gefangen hatte. War das Leben nicht schön? Mit einem scheuen Blick streifte Anneli die ver¬ hängten Fenster des Schlosses und konnte es Onkel Aurelius nicht verdenken, daß er lieber hier unter den grünen Bäumen wandelte als drinnen war und über den Tod nachdachte. Der Kandidat stand an einem Ende der Terrasse und sprach mit Slina Böteführ, die mit einem Korbe voll Eßwaren aus der Stadt gekommen war und in der Hand ein Paar junge Tauben trug, die sie wohl für ihre Demoiselle zubereiten wollte. Stirn kochte gut. Obgleich Tante Fritze weder Demoiselle Stahl noch ihr Dienstmädchen ausstehn konnte, so hatte sie das doch immer zugeben müssen. Der Kandidat hörte auch nachdenklich auf das, was Slina ihm sagte, und ihr Gesicht war nicht so finster als sonst. Anneli freute sich jetzt, daß sie unten in der Stadt wohnen durfte, in dem weinumsponnenen Doktorhaus, wo es häufig klingelte, und wo allerhand bresthafte Leute Heilung suchten. Heilung war besser als Tod, und Vater und Mutter Sudeck waren gute Leute. Der Doktor war manchmal etwas mürrisch, besonders wenn er Nachts herausgerufen worden war, und die Doktorin sprach viel über Stadtgeschichten. Aber gegen Anneli waren beide freundlich, und sie fühlte sich bald hier zuhause — trotz dem dämmrigen Garten, wo die Bäume so dicht wuchsen, und der Schuppen noch immer auf derselben Stelle stand, düster, geheimnisvoll mit seinem schauerlichen Inhalt. An diese Stelle ging Anneli niemals, und auch nicht an die Hecke, in der so viele Löcher waren, daß man mit leichter Mühe hindurchkriechen konnte. Freilich wohnte Fred Roland in dem kleinen Gäßchen, und sie hörte manchmal seine Stimme. Aber Fred war ja nichts für Anneli; Christel Wollte ihn heiraten, und diese ging vor, weil sie jetzt schon vierzehn Jahre alt ge¬ worden war. Anneli mußte noch lange mit dem Heiraten warten, sie hatte ja auch ihren Cäsar, der jeden Tag niedlicher und verständiger wurde. Er hatte kein Heimweh nach Falkenhorst und bellte den ganzen Tag hinter Spatzen her, und wenn er diese nicht sah, hinter etwas Eingebildeten, das ihm gerade so viel Spaß wachte, als sähe er Mäuse und Spatzen. Nach einigen Tagen wurde Tante Fritze begraben. Es war kein großes Be¬ gräbnis, aber die Honoratioren der Stadt folgten doch dem Sarge, und Frau Bürgermeister gab hinterher einen Leichenkaffee, wie sie es immer tat, wenn eine d°n ihren Freundinnen gestorben war. Man sprach dann nur Gutes von der Verstorbnen, was bei ihren Lebzeiten nicht immer der Fall gewesen war, und Rike Blüthen weinte sogar und wollte keine Kuchen essen. Sie war die einzige, die °s nicht konnte, und die andern Damen sagten, sie stellte sich nur so an, Christel hatte diese Mitteilung von ihrer Mutter und berichtete sie natürlich gleich Anneli weiter, worauf diese nicht recht wußte, was sie sagen sollte, und nach¬ denklich einen Zuckerkringel zerbiß, den die Doktorin aus der Kaffeegesellschaft mit¬ gebracht hatte. Über Tante Fritze weinen konnte sie nicht mehr. Grenzboten II 190t» 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/285>, abgerufen am 02.07.2024.