Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Line französische Kriegsphantasie bei Mezieres stehende französische Division ist durch einen energischen Angriff Der Schleier ist gerissen! Die Deutschen haben bis jetzt bei Verdun nur 5. November. Der Generalissimus hat seine Maßregeln getroffen, um den Seit gestern bewegen sich unsre hauptsächlichsten Streitkräfte in nordöstlicher Eine kräftige Offensive hat uns gestern Abend wieder in den Besitz von 6. November. Was machen nun eigentlich die Belgier angesichts dieser Line französische Kriegsphantasie bei Mezieres stehende französische Division ist durch einen energischen Angriff Der Schleier ist gerissen! Die Deutschen haben bis jetzt bei Verdun nur 5. November. Der Generalissimus hat seine Maßregeln getroffen, um den Seit gestern bewegen sich unsre hauptsächlichsten Streitkräfte in nordöstlicher Eine kräftige Offensive hat uns gestern Abend wieder in den Besitz von 6. November. Was machen nun eigentlich die Belgier angesichts dieser <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299305"/> <fw type="header" place="top"> Line französische Kriegsphantasie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1163" prev="#ID_1162"> bei Mezieres stehende französische Division ist durch einen energischen Angriff<lb/> auf Signy-l'Abbaye zurückgeworfen worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1164"> Der Schleier ist gerissen! Die Deutschen haben bis jetzt bei Verdun nur<lb/> mit einer Avantgarde demonstriert; das Gros ihrer Truppen marschiert gegen<lb/> die belgische Maas, dann jedenfalls gegen die Sambre, um den Paß der Oise<lb/> zu gewinnen; die französische Hauptarmee wird auf dem linken Flügel um¬<lb/> gangen, von Paris abgeschnitten, vom Meere getrennt, d. h, von den Hilfsmitteln<lb/> aller Art, die sie von England aus erhalten könnte. Die Neutralität Belgiens<lb/> und Luxemburgs ist für die Deutschen ein toter Buchstabe. Während der ganzen<lb/> Nacht verhandelte Brangere mit dem Chef des Generalstabs, dem Direktor der<lb/> Eisenbahnen und der Etappenlinien und mit den kommandierender Generalen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1165"> 5. November. Der Generalissimus hat seine Maßregeln getroffen, um den<lb/> Schlag zu parieren. Die erste Armee bleibt an der Maas und setzt sich in<lb/> Verbindung mit den Garnisonen von Toul und von Verdun, um die deutsche<lb/> Avantgarde zu vernichten, die sich bis an die Aire in der Nähe von Clermont<lb/> hin verirrt hat. Diesesmal haben die Deutschen zu viel Kühnheit gezeigt, indem<lb/> sie auf das Unvorhergesehene ihrer Strategie rechneten und auf die Ungenauig-<lb/> keit und die Verzögerung der Meldungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> Seit gestern bewegen sich unsre hauptsächlichsten Streitkräfte in nordöstlicher<lb/> Richtung: Straßen, Eisenbahnen, Kanäle, alle Verbindungen werden ausgenützt.<lb/> Die Jmpedimenta sind in den Kantonnements zurückgelassen worden; die In¬<lb/> fanterie marschiert ohne Tornister, die Patronen und Lebensmittel in den<lb/> Taschen, einige Kochgeschirre auf dem Kompagniewagen. Endlich sehe ich, daß<lb/> die Umstände zu dieser Erleichterung des Soldaten gezwungen haben, die ich<lb/> so oft vergeblich beantragt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> Eine kräftige Offensive hat uns gestern Abend wieder in den Besitz von<lb/> Mezieres gesetzt. Die Deutschen hatten wirklich schon Transporte auf der Linie<lb/> Thionville, Mezieres, Glock organisiert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1168" next="#ID_1169"> 6. November. Was machen nun eigentlich die Belgier angesichts dieser<lb/> Ereignisse? Man sagt, daß sie Lüttich aufgegeben haben und sich auf Ant¬<lb/> werpen zurückziehn. Jedenfalls haben sie nichts getan, die Maasübergänge zu<lb/> verteidigen, nicht einmal die Brücken gesprengt. Mehr noch als wir haben sie<lb/> sich durch die Ereignisse überraschen lassen; wie hätten sie auch annehmen<lb/> können, daß der Kaiser von Deutschland, der gute Freund ihres Königs, den<lb/> schwarzen Plan hegen könnte, seine Soldaten durch ihr Land marschieren zu<lb/> lassen, ohne vorher „Hab acht" zu rufen! Und trotzdem haben die Anzeichen<lb/> nicht gefehlt, wie zum Beispiel die Schaffung dieses Lagers von Malmedy vor<lb/> den Toren von Liittich. Wenn ein Lager auf solchem Fuße errichtet wird, mit<lb/> Baracken und Lebensmitteln für 100000 Mann, Eisenbahnmaterial, Munitions¬<lb/> depots usw., so sind die unmittelbaren Nachbarn Wohl berechtigt, einigermaßen<lb/> mißtrauisch zu werden. Es ist wahr, daß die Deutschen in der Kunst Meister<lb/> sind, das Mißtrauen einzuschläfern. Das Lager von Mcilmedy! Es sollte<lb/> nichts sein als ein Übungsgelände für Schießübungen, ausdrücklich in einer<lb/> unbewohnten Gegend ausgewählt, mit der Absicht, Unglücksfälle zu vermeiden.<lb/> Nur um zu verhindern, daß Spaziergänger von Verlornen Kugeln oder Ge¬<lb/> schossen erreicht würden, wurde das Lager mit einem Drahtzaun umgeben, der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Line französische Kriegsphantasie
bei Mezieres stehende französische Division ist durch einen energischen Angriff
auf Signy-l'Abbaye zurückgeworfen worden.
Der Schleier ist gerissen! Die Deutschen haben bis jetzt bei Verdun nur
mit einer Avantgarde demonstriert; das Gros ihrer Truppen marschiert gegen
die belgische Maas, dann jedenfalls gegen die Sambre, um den Paß der Oise
zu gewinnen; die französische Hauptarmee wird auf dem linken Flügel um¬
gangen, von Paris abgeschnitten, vom Meere getrennt, d. h, von den Hilfsmitteln
aller Art, die sie von England aus erhalten könnte. Die Neutralität Belgiens
und Luxemburgs ist für die Deutschen ein toter Buchstabe. Während der ganzen
Nacht verhandelte Brangere mit dem Chef des Generalstabs, dem Direktor der
Eisenbahnen und der Etappenlinien und mit den kommandierender Generalen.
5. November. Der Generalissimus hat seine Maßregeln getroffen, um den
Schlag zu parieren. Die erste Armee bleibt an der Maas und setzt sich in
Verbindung mit den Garnisonen von Toul und von Verdun, um die deutsche
Avantgarde zu vernichten, die sich bis an die Aire in der Nähe von Clermont
hin verirrt hat. Diesesmal haben die Deutschen zu viel Kühnheit gezeigt, indem
sie auf das Unvorhergesehene ihrer Strategie rechneten und auf die Ungenauig-
keit und die Verzögerung der Meldungen.
Seit gestern bewegen sich unsre hauptsächlichsten Streitkräfte in nordöstlicher
Richtung: Straßen, Eisenbahnen, Kanäle, alle Verbindungen werden ausgenützt.
Die Jmpedimenta sind in den Kantonnements zurückgelassen worden; die In¬
fanterie marschiert ohne Tornister, die Patronen und Lebensmittel in den
Taschen, einige Kochgeschirre auf dem Kompagniewagen. Endlich sehe ich, daß
die Umstände zu dieser Erleichterung des Soldaten gezwungen haben, die ich
so oft vergeblich beantragt hatte.
Eine kräftige Offensive hat uns gestern Abend wieder in den Besitz von
Mezieres gesetzt. Die Deutschen hatten wirklich schon Transporte auf der Linie
Thionville, Mezieres, Glock organisiert.
6. November. Was machen nun eigentlich die Belgier angesichts dieser
Ereignisse? Man sagt, daß sie Lüttich aufgegeben haben und sich auf Ant¬
werpen zurückziehn. Jedenfalls haben sie nichts getan, die Maasübergänge zu
verteidigen, nicht einmal die Brücken gesprengt. Mehr noch als wir haben sie
sich durch die Ereignisse überraschen lassen; wie hätten sie auch annehmen
können, daß der Kaiser von Deutschland, der gute Freund ihres Königs, den
schwarzen Plan hegen könnte, seine Soldaten durch ihr Land marschieren zu
lassen, ohne vorher „Hab acht" zu rufen! Und trotzdem haben die Anzeichen
nicht gefehlt, wie zum Beispiel die Schaffung dieses Lagers von Malmedy vor
den Toren von Liittich. Wenn ein Lager auf solchem Fuße errichtet wird, mit
Baracken und Lebensmitteln für 100000 Mann, Eisenbahnmaterial, Munitions¬
depots usw., so sind die unmittelbaren Nachbarn Wohl berechtigt, einigermaßen
mißtrauisch zu werden. Es ist wahr, daß die Deutschen in der Kunst Meister
sind, das Mißtrauen einzuschläfern. Das Lager von Mcilmedy! Es sollte
nichts sein als ein Übungsgelände für Schießübungen, ausdrücklich in einer
unbewohnten Gegend ausgewählt, mit der Absicht, Unglücksfälle zu vermeiden.
Nur um zu verhindern, daß Spaziergänger von Verlornen Kugeln oder Ge¬
schossen erreicht würden, wurde das Lager mit einem Drahtzaun umgeben, der
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