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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Die russische Armee nach dem Kriege gegen Japan

Hand in Hand mit der Neuregelung der Beförderungsvorschriften für die
russischen Offiziere gehn die ebenso wichtigen Bestrebungen zur Weiterbildung
der Offiziere in taktischer und sonstiger militärwissenschaftlicher Hinsicht. Die
Vorgesetzten sollen dafür nicht nur, was ihre Untergebnen betrifft, Sorge
tragen und deren Beschäftigungen persönlich leiten, sondern sich selbst vervoll¬
kommnen, besonders in der Führung. So sollen zum Beispiel die Divisions¬
kommandeure jährlich mindestens eine ihnen von den kommandierender
Generalen zu erteilende strategische Aufgabe lösen. Damit man die Leistungs¬
fähigkeit der kommandierender Offiziere und die taktische Ausbildung der ge¬
samten Truppe besser prüfen könne, sollen die Besichtigungen nicht mehr vorher
angesagt oder zu bestimmten Zeitpunkten, sondern unerwartet durch Alarmierung
vorgenommen werden und sich hauptsächlich nur auf die Lösung von Aufgaben
im Gelände erstrecken usw. Man arbeitet speziell nach dieser Richtung hin in
den höchsten militärischen Kreisen mit großem Eifer und verspricht sich auch von
der strikten Durchführung dieser befohlenen Reformen die besten Ergebnisse für
die Gesamtheit des Heeres.

Beabsichtigt ist auch noch die Beschaffenheit des Offizierkorps dadurch
zu bessern, daß die Regimenter fortan ihre Junker in größerm Umfang als
bisher selbst annehmen und ihre jungen Offiziere nicht mehr wie jetzt direkt
als solche, also ohne sie vorher gekannt zu haben, aus den Kriegs- und den
Junkerschulen überwiesen erhalten. ,

Dadurch war eine Wahl zum Offizier in den, Sinne, wie es bei andern
großen Armeen der Fall ist, ausgeschlossen, und es fehlte den einzelnen Offizier¬
korps ein individuelles, das Interesse an ihren Mitgliedern verstärkendes und
auch den ganzen Dienstbetrieb förderndes Gepräge.

Bei dem bisherigen System der Militürbildungsanstalten waren überdies die
Kriegs- und die Junkerschulen, in die die Eleven meist direkt aus den Kadetten¬
korps oder von der Schulbank eintreten, nach den Waffengattungen gesondert.
Die Garde sowie die SpezialWaffen erhielten dabei auf Kosten der übrigen
Armee die in wissenschaftlicher Hinsicht besten, aber nicht immer auch die sich
für die betreffende Waffengattung am meisten eignenden Abiturienten. Da¬
durch trat zwischen dem Offizierkorps der verschiednen Truppengattungen eine
gewisse Entfremdung, andrerseits aber auch Einseitigkeit in der Durchbildung,
das heißt Mangel an Kenntnis der übrigen Waffen ein, die das Zusammen¬
wirken erschwerte. Man will nun, um eine allgemeinere militärische Vorbildung
zu fördern, gemeinsame Schulen für alle Waffengattungen errichten und den
Schülern erst nach deren Absolvierung eine Spezialausbildung für die von
ihnen gewählte oder für die für sie von den Vorgesetzten am geeignetsten be-
fundne Waffe geben. Auch die Verwirklichung dieses Plans würde jedoch eine
so große Umwälzung des Militärbildungswesens hervorrufen, daß sie nur durch
eine Reihe von vorbereitenden Übergangsperioden zu ermöglichen sein wird.

Wir haben in unsern vorstehenden Ausführungen natürlich kein ganz ab¬
geschlossenes Bild von aller der Arbeit und fieberhaften Tätigkeit geben können,
die gegenwärtig bei allen militärischen Instanzen im benachbarten russischen
Reiche herrscht, weil man den Kriegserfahrnngen die praktischen Lehren nach


Die russische Armee nach dem Kriege gegen Japan

Hand in Hand mit der Neuregelung der Beförderungsvorschriften für die
russischen Offiziere gehn die ebenso wichtigen Bestrebungen zur Weiterbildung
der Offiziere in taktischer und sonstiger militärwissenschaftlicher Hinsicht. Die
Vorgesetzten sollen dafür nicht nur, was ihre Untergebnen betrifft, Sorge
tragen und deren Beschäftigungen persönlich leiten, sondern sich selbst vervoll¬
kommnen, besonders in der Führung. So sollen zum Beispiel die Divisions¬
kommandeure jährlich mindestens eine ihnen von den kommandierender
Generalen zu erteilende strategische Aufgabe lösen. Damit man die Leistungs¬
fähigkeit der kommandierender Offiziere und die taktische Ausbildung der ge¬
samten Truppe besser prüfen könne, sollen die Besichtigungen nicht mehr vorher
angesagt oder zu bestimmten Zeitpunkten, sondern unerwartet durch Alarmierung
vorgenommen werden und sich hauptsächlich nur auf die Lösung von Aufgaben
im Gelände erstrecken usw. Man arbeitet speziell nach dieser Richtung hin in
den höchsten militärischen Kreisen mit großem Eifer und verspricht sich auch von
der strikten Durchführung dieser befohlenen Reformen die besten Ergebnisse für
die Gesamtheit des Heeres.

Beabsichtigt ist auch noch die Beschaffenheit des Offizierkorps dadurch
zu bessern, daß die Regimenter fortan ihre Junker in größerm Umfang als
bisher selbst annehmen und ihre jungen Offiziere nicht mehr wie jetzt direkt
als solche, also ohne sie vorher gekannt zu haben, aus den Kriegs- und den
Junkerschulen überwiesen erhalten. ,

Dadurch war eine Wahl zum Offizier in den, Sinne, wie es bei andern
großen Armeen der Fall ist, ausgeschlossen, und es fehlte den einzelnen Offizier¬
korps ein individuelles, das Interesse an ihren Mitgliedern verstärkendes und
auch den ganzen Dienstbetrieb förderndes Gepräge.

Bei dem bisherigen System der Militürbildungsanstalten waren überdies die
Kriegs- und die Junkerschulen, in die die Eleven meist direkt aus den Kadetten¬
korps oder von der Schulbank eintreten, nach den Waffengattungen gesondert.
Die Garde sowie die SpezialWaffen erhielten dabei auf Kosten der übrigen
Armee die in wissenschaftlicher Hinsicht besten, aber nicht immer auch die sich
für die betreffende Waffengattung am meisten eignenden Abiturienten. Da¬
durch trat zwischen dem Offizierkorps der verschiednen Truppengattungen eine
gewisse Entfremdung, andrerseits aber auch Einseitigkeit in der Durchbildung,
das heißt Mangel an Kenntnis der übrigen Waffen ein, die das Zusammen¬
wirken erschwerte. Man will nun, um eine allgemeinere militärische Vorbildung
zu fördern, gemeinsame Schulen für alle Waffengattungen errichten und den
Schülern erst nach deren Absolvierung eine Spezialausbildung für die von
ihnen gewählte oder für die für sie von den Vorgesetzten am geeignetsten be-
fundne Waffe geben. Auch die Verwirklichung dieses Plans würde jedoch eine
so große Umwälzung des Militärbildungswesens hervorrufen, daß sie nur durch
eine Reihe von vorbereitenden Übergangsperioden zu ermöglichen sein wird.

Wir haben in unsern vorstehenden Ausführungen natürlich kein ganz ab¬
geschlossenes Bild von aller der Arbeit und fieberhaften Tätigkeit geben können,
die gegenwärtig bei allen militärischen Instanzen im benachbarten russischen
Reiche herrscht, weil man den Kriegserfahrnngen die praktischen Lehren nach


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[0185] Die russische Armee nach dem Kriege gegen Japan Hand in Hand mit der Neuregelung der Beförderungsvorschriften für die russischen Offiziere gehn die ebenso wichtigen Bestrebungen zur Weiterbildung der Offiziere in taktischer und sonstiger militärwissenschaftlicher Hinsicht. Die Vorgesetzten sollen dafür nicht nur, was ihre Untergebnen betrifft, Sorge tragen und deren Beschäftigungen persönlich leiten, sondern sich selbst vervoll¬ kommnen, besonders in der Führung. So sollen zum Beispiel die Divisions¬ kommandeure jährlich mindestens eine ihnen von den kommandierender Generalen zu erteilende strategische Aufgabe lösen. Damit man die Leistungs¬ fähigkeit der kommandierender Offiziere und die taktische Ausbildung der ge¬ samten Truppe besser prüfen könne, sollen die Besichtigungen nicht mehr vorher angesagt oder zu bestimmten Zeitpunkten, sondern unerwartet durch Alarmierung vorgenommen werden und sich hauptsächlich nur auf die Lösung von Aufgaben im Gelände erstrecken usw. Man arbeitet speziell nach dieser Richtung hin in den höchsten militärischen Kreisen mit großem Eifer und verspricht sich auch von der strikten Durchführung dieser befohlenen Reformen die besten Ergebnisse für die Gesamtheit des Heeres. Beabsichtigt ist auch noch die Beschaffenheit des Offizierkorps dadurch zu bessern, daß die Regimenter fortan ihre Junker in größerm Umfang als bisher selbst annehmen und ihre jungen Offiziere nicht mehr wie jetzt direkt als solche, also ohne sie vorher gekannt zu haben, aus den Kriegs- und den Junkerschulen überwiesen erhalten. , Dadurch war eine Wahl zum Offizier in den, Sinne, wie es bei andern großen Armeen der Fall ist, ausgeschlossen, und es fehlte den einzelnen Offizier¬ korps ein individuelles, das Interesse an ihren Mitgliedern verstärkendes und auch den ganzen Dienstbetrieb förderndes Gepräge. Bei dem bisherigen System der Militürbildungsanstalten waren überdies die Kriegs- und die Junkerschulen, in die die Eleven meist direkt aus den Kadetten¬ korps oder von der Schulbank eintreten, nach den Waffengattungen gesondert. Die Garde sowie die SpezialWaffen erhielten dabei auf Kosten der übrigen Armee die in wissenschaftlicher Hinsicht besten, aber nicht immer auch die sich für die betreffende Waffengattung am meisten eignenden Abiturienten. Da¬ durch trat zwischen dem Offizierkorps der verschiednen Truppengattungen eine gewisse Entfremdung, andrerseits aber auch Einseitigkeit in der Durchbildung, das heißt Mangel an Kenntnis der übrigen Waffen ein, die das Zusammen¬ wirken erschwerte. Man will nun, um eine allgemeinere militärische Vorbildung zu fördern, gemeinsame Schulen für alle Waffengattungen errichten und den Schülern erst nach deren Absolvierung eine Spezialausbildung für die von ihnen gewählte oder für die für sie von den Vorgesetzten am geeignetsten be- fundne Waffe geben. Auch die Verwirklichung dieses Plans würde jedoch eine so große Umwälzung des Militärbildungswesens hervorrufen, daß sie nur durch eine Reihe von vorbereitenden Übergangsperioden zu ermöglichen sein wird. Wir haben in unsern vorstehenden Ausführungen natürlich kein ganz ab¬ geschlossenes Bild von aller der Arbeit und fieberhaften Tätigkeit geben können, die gegenwärtig bei allen militärischen Instanzen im benachbarten russischen Reiche herrscht, weil man den Kriegserfahrnngen die praktischen Lehren nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/185>, abgerufen am 04.07.2024.