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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

vergangen, und keiner seiner drei Nachfolger ist imstande gewesen, irgendeine
durchführbare organisatorische Erleichterung oder Umgestaltung des Amtes in Vor¬
schlag zu bringen. Die Trennung zwischen dem Reichskanzlerposten und dem des
Ministerpräsidenten, die zu Bismarcks Zeiten einmal auf ein Jahr versucht worden
war, hat unter Caprivi bekanntlich eine Wiederholung erlebt, die aber auch da keine
zwei Jahre gedauert hat und seitdem nicht wieder erneuert worden ist, auch schwer¬
lich noch einmal versucht werden wird. Denn sie bedeutet doch nicht mehr und
nicht weniger als eine o^xitis ciiminutio des Reichskanzlers und kann unter Um¬
ständen zu dessen völliger Entgleisung führen, wenn er eines Tages den preu¬
ßischen Ministerpräsidenten nicht mehr hinter sich hat, wie das ja auch der Aus¬
gang der Ära Caprivi gewesen ist. Will man darum ernstlich nach einer
Entlastung des Reichskanzlers suchen, so kann das nur auf dem Gebiete geschehen,
dessen Geschäfte ihn am meisten belasten, und das ist das parlamentarische.
Durch die alljährliche Wiederkehr der Reichshaushaltsberatung wird sowohl in den
Stadien der Vorberatuug innerhalb der Reichsämter und im Bundesrat als auch
während der Plenar- und der Kommissionsverhandlungen im Reichstage die In¬
anspruchnahme des Reichskanzlers durch die von ihm zu gebenden Entscheidungen,
die dadurch notwendigen Konferenzen, Sitzungen und Besprechungen, Verhandlungen
mit dem Kaiser, mit deutschen Bundesregierungen und Bundesfürsten ins unendliche
vermehrt. Gerade bei dem Reiche, als einer bundesstaatlichen Einrichtung, wäre mit
zweijährigen Etatsperioden um so leichter auszukommen, als tatsächlich die so empfind¬
liche Frage des Budgetrechts dabei viel weniger in Betracht kommt als in den
Einzelstaaten. Denn das Budgetrecht im Reiche ist ein doppeltes, einmal das der
Bundesstaaten durch ihre Regierungen und deren Vertretung im Bundesrate, zum
andern das persönliche der Abgeordneten, und wenn sich die Regierungen bereit
erklären würden, mit einer zweijährigen Betätigung dieses Rechts statt mit einer
alljährlichen vorlieb zu nehmen, so können das auch die Abgeordneten, ohne dem
Volksrecht, das sie vertreten, irgend etwas zu vergeben. Wie sich die Bundes¬
regierungen zu der Frage stellen, ist bisher noch nicht erprobt worden. Die Ent¬
scheidung würde bei Preußen liegen, Bayern, das die Einrichtung in seinem eignen
Lande schon hat, würde kaum Schwierigkeiten machen. Man könnte überhaupt darauf
kommen, die Frage generell zu behandeln, ob denn unter den heutigen Verhältnissen
bei einer so demokratischen Reichsverfassung und bei dem so weit gediehenen Aus¬
bau des konstitutionellen Wesens in Deutschland zweijährige Etatsperioden nicht all¬
gemein genügen sollten, zumal da die dadurch gewonnene Zeit der bessern Vor¬
bereitung der gesamten Gesetzgebung, die Etats einbegriffen, zugute kommen würde.

Abgesehen von dieser Einrichtung ist im ganzen Betätigungskreise des Reichs¬
kanzlers und Ministerpräsidenten keine Reform erkennbar, die irgendwie zu seiner
Entlastung führen könnte. Es muß doch auch damit gerechnet werden, daß wir nicht
immer Reichskanzler in voller Manneskraft haben können, sondern daß sie entweder
im Amt altern oder wie weiland Fürst Hohenlohe alt in das Amt hineinkommen.
Schon aus diesem Grunde würde es wünschenswert erscheinen, von den Obliegen¬
heiten des Reichskanzlers alles hinwegzunehmen, was unnötig eine dauernde Er¬
schwerung bedeutet und keinerlei Beeinträchtigung seines Wirkungskreises zur Folge
haben würde. Wir maßen uns nicht an, darüber zu urteilen, wie der Reichskanzler
selbst über zweijährige Etatsperioden denkt, die sowohl ihn wie die gesamte Reichs¬
verwaltung, den Bundestag, den Reichstag und alle einzelnen Bundesregierungen
in hohem Maße entlasten würden. Die rechnerisch technischen Schwierigkeiten, die mit
dem Übergang von einjährigen zu zweijährigen Perioden verbunden sein würden,
können dabei kaum in Betracht kommen.

Zu den politischen Aufgaben dieses Jahres sollten sich auf neue Anregung
Rußlands wichtige internationale Verhandlungen auf dem Gebiete des Völkerrechts
gesellen. Rußland hat eine neue Friedenskonferenz nach dem Haag in Vorschlag
gebracht, mit einem recht umfangreichen Programm, das eine große Reihe von


Maßgebliches und Unmaßgebliches

vergangen, und keiner seiner drei Nachfolger ist imstande gewesen, irgendeine
durchführbare organisatorische Erleichterung oder Umgestaltung des Amtes in Vor¬
schlag zu bringen. Die Trennung zwischen dem Reichskanzlerposten und dem des
Ministerpräsidenten, die zu Bismarcks Zeiten einmal auf ein Jahr versucht worden
war, hat unter Caprivi bekanntlich eine Wiederholung erlebt, die aber auch da keine
zwei Jahre gedauert hat und seitdem nicht wieder erneuert worden ist, auch schwer¬
lich noch einmal versucht werden wird. Denn sie bedeutet doch nicht mehr und
nicht weniger als eine o^xitis ciiminutio des Reichskanzlers und kann unter Um¬
ständen zu dessen völliger Entgleisung führen, wenn er eines Tages den preu¬
ßischen Ministerpräsidenten nicht mehr hinter sich hat, wie das ja auch der Aus¬
gang der Ära Caprivi gewesen ist. Will man darum ernstlich nach einer
Entlastung des Reichskanzlers suchen, so kann das nur auf dem Gebiete geschehen,
dessen Geschäfte ihn am meisten belasten, und das ist das parlamentarische.
Durch die alljährliche Wiederkehr der Reichshaushaltsberatung wird sowohl in den
Stadien der Vorberatuug innerhalb der Reichsämter und im Bundesrat als auch
während der Plenar- und der Kommissionsverhandlungen im Reichstage die In¬
anspruchnahme des Reichskanzlers durch die von ihm zu gebenden Entscheidungen,
die dadurch notwendigen Konferenzen, Sitzungen und Besprechungen, Verhandlungen
mit dem Kaiser, mit deutschen Bundesregierungen und Bundesfürsten ins unendliche
vermehrt. Gerade bei dem Reiche, als einer bundesstaatlichen Einrichtung, wäre mit
zweijährigen Etatsperioden um so leichter auszukommen, als tatsächlich die so empfind¬
liche Frage des Budgetrechts dabei viel weniger in Betracht kommt als in den
Einzelstaaten. Denn das Budgetrecht im Reiche ist ein doppeltes, einmal das der
Bundesstaaten durch ihre Regierungen und deren Vertretung im Bundesrate, zum
andern das persönliche der Abgeordneten, und wenn sich die Regierungen bereit
erklären würden, mit einer zweijährigen Betätigung dieses Rechts statt mit einer
alljährlichen vorlieb zu nehmen, so können das auch die Abgeordneten, ohne dem
Volksrecht, das sie vertreten, irgend etwas zu vergeben. Wie sich die Bundes¬
regierungen zu der Frage stellen, ist bisher noch nicht erprobt worden. Die Ent¬
scheidung würde bei Preußen liegen, Bayern, das die Einrichtung in seinem eignen
Lande schon hat, würde kaum Schwierigkeiten machen. Man könnte überhaupt darauf
kommen, die Frage generell zu behandeln, ob denn unter den heutigen Verhältnissen
bei einer so demokratischen Reichsverfassung und bei dem so weit gediehenen Aus¬
bau des konstitutionellen Wesens in Deutschland zweijährige Etatsperioden nicht all¬
gemein genügen sollten, zumal da die dadurch gewonnene Zeit der bessern Vor¬
bereitung der gesamten Gesetzgebung, die Etats einbegriffen, zugute kommen würde.

Abgesehen von dieser Einrichtung ist im ganzen Betätigungskreise des Reichs¬
kanzlers und Ministerpräsidenten keine Reform erkennbar, die irgendwie zu seiner
Entlastung führen könnte. Es muß doch auch damit gerechnet werden, daß wir nicht
immer Reichskanzler in voller Manneskraft haben können, sondern daß sie entweder
im Amt altern oder wie weiland Fürst Hohenlohe alt in das Amt hineinkommen.
Schon aus diesem Grunde würde es wünschenswert erscheinen, von den Obliegen¬
heiten des Reichskanzlers alles hinwegzunehmen, was unnötig eine dauernde Er¬
schwerung bedeutet und keinerlei Beeinträchtigung seines Wirkungskreises zur Folge
haben würde. Wir maßen uns nicht an, darüber zu urteilen, wie der Reichskanzler
selbst über zweijährige Etatsperioden denkt, die sowohl ihn wie die gesamte Reichs¬
verwaltung, den Bundestag, den Reichstag und alle einzelnen Bundesregierungen
in hohem Maße entlasten würden. Die rechnerisch technischen Schwierigkeiten, die mit
dem Übergang von einjährigen zu zweijährigen Perioden verbunden sein würden,
können dabei kaum in Betracht kommen.

Zu den politischen Aufgaben dieses Jahres sollten sich auf neue Anregung
Rußlands wichtige internationale Verhandlungen auf dem Gebiete des Völkerrechts
gesellen. Rußland hat eine neue Friedenskonferenz nach dem Haag in Vorschlag
gebracht, mit einem recht umfangreichen Programm, das eine große Reihe von


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[0177] Maßgebliches und Unmaßgebliches vergangen, und keiner seiner drei Nachfolger ist imstande gewesen, irgendeine durchführbare organisatorische Erleichterung oder Umgestaltung des Amtes in Vor¬ schlag zu bringen. Die Trennung zwischen dem Reichskanzlerposten und dem des Ministerpräsidenten, die zu Bismarcks Zeiten einmal auf ein Jahr versucht worden war, hat unter Caprivi bekanntlich eine Wiederholung erlebt, die aber auch da keine zwei Jahre gedauert hat und seitdem nicht wieder erneuert worden ist, auch schwer¬ lich noch einmal versucht werden wird. Denn sie bedeutet doch nicht mehr und nicht weniger als eine o^xitis ciiminutio des Reichskanzlers und kann unter Um¬ ständen zu dessen völliger Entgleisung führen, wenn er eines Tages den preu¬ ßischen Ministerpräsidenten nicht mehr hinter sich hat, wie das ja auch der Aus¬ gang der Ära Caprivi gewesen ist. Will man darum ernstlich nach einer Entlastung des Reichskanzlers suchen, so kann das nur auf dem Gebiete geschehen, dessen Geschäfte ihn am meisten belasten, und das ist das parlamentarische. Durch die alljährliche Wiederkehr der Reichshaushaltsberatung wird sowohl in den Stadien der Vorberatuug innerhalb der Reichsämter und im Bundesrat als auch während der Plenar- und der Kommissionsverhandlungen im Reichstage die In¬ anspruchnahme des Reichskanzlers durch die von ihm zu gebenden Entscheidungen, die dadurch notwendigen Konferenzen, Sitzungen und Besprechungen, Verhandlungen mit dem Kaiser, mit deutschen Bundesregierungen und Bundesfürsten ins unendliche vermehrt. Gerade bei dem Reiche, als einer bundesstaatlichen Einrichtung, wäre mit zweijährigen Etatsperioden um so leichter auszukommen, als tatsächlich die so empfind¬ liche Frage des Budgetrechts dabei viel weniger in Betracht kommt als in den Einzelstaaten. Denn das Budgetrecht im Reiche ist ein doppeltes, einmal das der Bundesstaaten durch ihre Regierungen und deren Vertretung im Bundesrate, zum andern das persönliche der Abgeordneten, und wenn sich die Regierungen bereit erklären würden, mit einer zweijährigen Betätigung dieses Rechts statt mit einer alljährlichen vorlieb zu nehmen, so können das auch die Abgeordneten, ohne dem Volksrecht, das sie vertreten, irgend etwas zu vergeben. Wie sich die Bundes¬ regierungen zu der Frage stellen, ist bisher noch nicht erprobt worden. Die Ent¬ scheidung würde bei Preußen liegen, Bayern, das die Einrichtung in seinem eignen Lande schon hat, würde kaum Schwierigkeiten machen. Man könnte überhaupt darauf kommen, die Frage generell zu behandeln, ob denn unter den heutigen Verhältnissen bei einer so demokratischen Reichsverfassung und bei dem so weit gediehenen Aus¬ bau des konstitutionellen Wesens in Deutschland zweijährige Etatsperioden nicht all¬ gemein genügen sollten, zumal da die dadurch gewonnene Zeit der bessern Vor¬ bereitung der gesamten Gesetzgebung, die Etats einbegriffen, zugute kommen würde. Abgesehen von dieser Einrichtung ist im ganzen Betätigungskreise des Reichs¬ kanzlers und Ministerpräsidenten keine Reform erkennbar, die irgendwie zu seiner Entlastung führen könnte. Es muß doch auch damit gerechnet werden, daß wir nicht immer Reichskanzler in voller Manneskraft haben können, sondern daß sie entweder im Amt altern oder wie weiland Fürst Hohenlohe alt in das Amt hineinkommen. Schon aus diesem Grunde würde es wünschenswert erscheinen, von den Obliegen¬ heiten des Reichskanzlers alles hinwegzunehmen, was unnötig eine dauernde Er¬ schwerung bedeutet und keinerlei Beeinträchtigung seines Wirkungskreises zur Folge haben würde. Wir maßen uns nicht an, darüber zu urteilen, wie der Reichskanzler selbst über zweijährige Etatsperioden denkt, die sowohl ihn wie die gesamte Reichs¬ verwaltung, den Bundestag, den Reichstag und alle einzelnen Bundesregierungen in hohem Maße entlasten würden. Die rechnerisch technischen Schwierigkeiten, die mit dem Übergang von einjährigen zu zweijährigen Perioden verbunden sein würden, können dabei kaum in Betracht kommen. Zu den politischen Aufgaben dieses Jahres sollten sich auf neue Anregung Rußlands wichtige internationale Verhandlungen auf dem Gebiete des Völkerrechts gesellen. Rußland hat eine neue Friedenskonferenz nach dem Haag in Vorschlag gebracht, mit einem recht umfangreichen Programm, das eine große Reihe von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/177>, abgerufen am 02.07.2024.