Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.Die Festungen <Luropa5 Monate mit Proviant versehen war, über vier Monate und Belfort fast fünf¬ Wenn wir von den Festungen sprechen, müssen wir uns zuerst darüber Die Festungen <Luropa5 Monate mit Proviant versehen war, über vier Monate und Belfort fast fünf¬ Wenn wir von den Festungen sprechen, müssen wir uns zuerst darüber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299173"/> <fw type="header" place="top"> Die Festungen <Luropa5</fw><lb/> <p xml:id="ID_540" prev="#ID_539"> Monate mit Proviant versehen war, über vier Monate und Belfort fast fünf¬<lb/> zehn Wochen Widerstand geleistet. Ans solchen Überlegungen erklärt sich eine<lb/> gewisse Geringschätzung der Festungen, die wenigstens in Deutschland und in<lb/> Österreich weit verbreitet ist. Aber sie geht auch entschieden zu weit, wen» sie,<lb/> wie es zurzeit der Fall ist, dazu führt, daß die Frage der Landesverteidigung<lb/> dem größern Publikum im wesentlichen als ein Buch mit sieben Siegeln er¬<lb/> scheint. Deal man soll ja nicht etwa die Bedeutung einer Festung mir danach<lb/> beurteilen, wie lange sie einem mit aller Energie geführten Angriff zu wider¬<lb/> stehn vermag, sondern auch nach dem gewissermaßen moralischen Schutze, den<lb/> sie gewährt, indem sie, wie zum Beispiel Wladiwostok, den Gedanken einer Be¬<lb/> setzung gar nicht aufkommen läßt, es sei denn mit ganz außerordentlichen<lb/> Truppenmassen, oder indem sie, wie Port Arthur, Straßburg und Belfort, einen<lb/> recht bedeutenden Teil der mobilen Armee auf eine» vom eigentlichen Kriegs¬<lb/> schauplatz abliegenden Ort fesselt, oder wenn sie, wie die heutigen deutschen und<lb/> französischen Grenzfestnngen, eine feindliche Invasion zu einem kühnen Wagnis<lb/> machen, dessen scheinbare Unüberwindlichkeit die beste Garantie für den Frieden<lb/> ist. Man denke anch daran, daß zum Beispiel in England die Küstenbesestigung,<lb/> solange sie vou der Flotte unterstützt werden kann, eine Landung mit größer»<lb/> Truppenmengcn zur Unmöglichkeit macht. Heute dienen die Rüstungen nicht<lb/> mehr bloß für den Fall der aktiven Betätigung im Kriege, sondern noch viel<lb/> mehr der passiven Abwehr jedes Versuchs, den Frieden zu brechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_541" next="#ID_542"> Wenn wir von den Festungen sprechen, müssen wir uns zuerst darüber<lb/> klar sein, daß heute die Bedeutung der Festungen eine ganz andre ist als in<lb/> frühern Zeiten, wenigstens soweit es sich um die europäischen Staaten handelt.<lb/> Im Mittelalter bis in das siebzehnte Jahrhundert war die Eroberung der festen<lb/> Plätze wesentlich das Ziel der Kriegführung. Feldschlachten waren natürlich<lb/> nicht ausgeschlossen, aber die Entscheidung lag zumeist in dem Kampf um eine<lb/> Stadt. Der Besitz der Stadt, zum Beispiel Magdeburgs, Straßburgs, war das<lb/> Ziel und der Preis des Kampfes. Heute liegt das Entscheidende in der Feld¬<lb/> armee. Die einzelne Festung hat ihre wesentliche Bedeutung in ihrem Werte<lb/> für das Feldheer, sei es daß sie ihm als Stützpunkt dient, oder daß sie das<lb/> feindliche in seinem Vormarsch aufhält. Nur ganz selten ist die Hauptkraft der<lb/> nationalen Verteidigung in einem festen Platz konzentriert, wie i» Bukarest,<lb/> Kopenhagen, den Befestigungen des Se. Gotthard. Und auch hier ist noch immer<lb/> die Möglichkeit vorgesehen, dem Feinde mit einer mobilen Truppe entgegenzu¬<lb/> treten. Aber wir dürfen auch nicht zu weit gehn; der Hauptwert der Festungen<lb/> liegt hente in dem Nutzen, den sie dem Feldheere gewähren, oder dem Schaden,<lb/> den sie einem feindlichen znfttgen können; außerdem hat aber die Festung in vielen<lb/> Fällen auch ihre lokale Bedeutung. Der Weichsel - Narew - Waffenplatz bei<lb/> Warschau ist ein ungeheurer Rückhalt für die größte russische Armee, aber er<lb/> ist auch für Russisch-Polen der Zentralpunkt, ohne dessen Besitz eine Eroberung<lb/> dieses Landes undenkbar ist, weder für Deutschland, noch — was nicht weniger<lb/> bedeutungsvoll ist — für großpoluische Souveränitütsgelüste. Belfort bedeutet<lb/> nicht nur die Sperrung der altberühmten Burgundischen Pforte, sondern auch<lb/> die Herrschaft über das Departement. Port Arthurs Wert lag nicht mir in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
Die Festungen <Luropa5
Monate mit Proviant versehen war, über vier Monate und Belfort fast fünf¬
zehn Wochen Widerstand geleistet. Ans solchen Überlegungen erklärt sich eine
gewisse Geringschätzung der Festungen, die wenigstens in Deutschland und in
Österreich weit verbreitet ist. Aber sie geht auch entschieden zu weit, wen» sie,
wie es zurzeit der Fall ist, dazu führt, daß die Frage der Landesverteidigung
dem größern Publikum im wesentlichen als ein Buch mit sieben Siegeln er¬
scheint. Deal man soll ja nicht etwa die Bedeutung einer Festung mir danach
beurteilen, wie lange sie einem mit aller Energie geführten Angriff zu wider¬
stehn vermag, sondern auch nach dem gewissermaßen moralischen Schutze, den
sie gewährt, indem sie, wie zum Beispiel Wladiwostok, den Gedanken einer Be¬
setzung gar nicht aufkommen läßt, es sei denn mit ganz außerordentlichen
Truppenmassen, oder indem sie, wie Port Arthur, Straßburg und Belfort, einen
recht bedeutenden Teil der mobilen Armee auf eine» vom eigentlichen Kriegs¬
schauplatz abliegenden Ort fesselt, oder wenn sie, wie die heutigen deutschen und
französischen Grenzfestnngen, eine feindliche Invasion zu einem kühnen Wagnis
machen, dessen scheinbare Unüberwindlichkeit die beste Garantie für den Frieden
ist. Man denke anch daran, daß zum Beispiel in England die Küstenbesestigung,
solange sie vou der Flotte unterstützt werden kann, eine Landung mit größer»
Truppenmengcn zur Unmöglichkeit macht. Heute dienen die Rüstungen nicht
mehr bloß für den Fall der aktiven Betätigung im Kriege, sondern noch viel
mehr der passiven Abwehr jedes Versuchs, den Frieden zu brechen.
Wenn wir von den Festungen sprechen, müssen wir uns zuerst darüber
klar sein, daß heute die Bedeutung der Festungen eine ganz andre ist als in
frühern Zeiten, wenigstens soweit es sich um die europäischen Staaten handelt.
Im Mittelalter bis in das siebzehnte Jahrhundert war die Eroberung der festen
Plätze wesentlich das Ziel der Kriegführung. Feldschlachten waren natürlich
nicht ausgeschlossen, aber die Entscheidung lag zumeist in dem Kampf um eine
Stadt. Der Besitz der Stadt, zum Beispiel Magdeburgs, Straßburgs, war das
Ziel und der Preis des Kampfes. Heute liegt das Entscheidende in der Feld¬
armee. Die einzelne Festung hat ihre wesentliche Bedeutung in ihrem Werte
für das Feldheer, sei es daß sie ihm als Stützpunkt dient, oder daß sie das
feindliche in seinem Vormarsch aufhält. Nur ganz selten ist die Hauptkraft der
nationalen Verteidigung in einem festen Platz konzentriert, wie i» Bukarest,
Kopenhagen, den Befestigungen des Se. Gotthard. Und auch hier ist noch immer
die Möglichkeit vorgesehen, dem Feinde mit einer mobilen Truppe entgegenzu¬
treten. Aber wir dürfen auch nicht zu weit gehn; der Hauptwert der Festungen
liegt hente in dem Nutzen, den sie dem Feldheere gewähren, oder dem Schaden,
den sie einem feindlichen znfttgen können; außerdem hat aber die Festung in vielen
Fällen auch ihre lokale Bedeutung. Der Weichsel - Narew - Waffenplatz bei
Warschau ist ein ungeheurer Rückhalt für die größte russische Armee, aber er
ist auch für Russisch-Polen der Zentralpunkt, ohne dessen Besitz eine Eroberung
dieses Landes undenkbar ist, weder für Deutschland, noch — was nicht weniger
bedeutungsvoll ist — für großpoluische Souveränitütsgelüste. Belfort bedeutet
nicht nur die Sperrung der altberühmten Burgundischen Pforte, sondern auch
die Herrschaft über das Departement. Port Arthurs Wert lag nicht mir in
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