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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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der Christenheit des eignen Heils gewiß zu werden, und die andre Idee, daß
die Christenheit eine einzige große Gefolgschaft sein müsse und sei. Sicher
haben sich auch von Anfang an sehr materielle Interessen der Herrschaft und des
Handels eingemischt, aber sie haben auch hier ihre spaltende und erniedrigende
Kraft bewiesen. Auch diese Ideale sind vergangen, aber die Nachwirkungen
der Taten, zu denen sie begeisterten, haben die innere Entwicklung des Abend¬
landes auf Jahrhunderte bestimmt, und trotz allen Spaltungen in der Christen¬
heit, die nicht die Religion, sondern die Theologie verschuldet hat, zeigt sich
die christliche Kirche in der Mission noch heute als eine einige, zusammen¬
wirkende Genossenschaft.

Um solche Ideale recht lebendig für das Volk zu machen, dazu bedarf es
großer Persönlichkeiten, die sie vertreten und verkörpern. Es gehört zu den
modernen Irrtümern, zu behaupten, die Verehrung großer Männer sei eine
Verkehrtheit, denn die geschichtliche Entwicklung beruhe auf der Arbeit der
Massen, und große Männer führten eben nur das aus, was diese bewußt
oder unbewußt vorbereiteten und erstrebte", aber sie machten nicht die Geschichte.
Daß sich auch ein Genie von seiner Zeit nicht trennen kann und auf ihren
Grundlagen und mit ihren Mitteln wirken muß, das ist eine recht alte Weis¬
heit, aber die Tätigkeit der Massen schafft immer nur Voraussetzungen und
Möglichkeiten; ob diese und wie und wann sie zu entscheidenden Taten
führen, das häugt von großen, ihre Zeit nicht nur verstehenden, sondern
ihr auch voraus denkenden Männern ab. Goethe und Schiller, Bismarck und
Luther sind uns doch noch etwas ganz andres als der bloße Ausdruck ihrer
Zeit. Auf der Betrachtung großer Männer, ihres Wesens und ihrer Taten
vor allem, nicht auf der Aufstellung historischer Entwicklungsgesetze, die im
übrigen ihre wissenschaftliche Berechtigung haben, aber das Rätsel der Persön¬
lichkeit nicht erklären, also auch in sich nicht aufnehmen können, beruht der
sittliche Wert des geschichtlichen Studiums. Und eben dieses führt mit zwingender
Gewalt zu der Überzeugung von dem Werte der großen nationalen und sittlich¬
religiösen Ideale gegenüber den erniedrigenden und spaltenden Sonderinteressen
der Einzelnen und einzelner Kreise. Keinem Volte tut diese Überzeugung so
bi Veto Naemmel tter not wie heute dem deutschen.




Die Festungen Europas
B. Bruhns von

>in Kapitel in der Geographie, das in auffallender Weise ver¬
nachlässigt wird, ist die Lehre von den Festungen. Gewöhnlich
werden im Unterricht die Hauptstädte der einzelnen Länder, die
wichtigsten Handelsstädte und die bedeutendsten Industriegebiete
! eingehend besprochen, aber die Festungen werden nur nebenbei
erwähnt. Auf deu Karte" sind sie durch die zackige Gestalt des Städteringes
bezeichnet, auf bessern Karten werden auch häufig die eine große Festung um-


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der Christenheit des eignen Heils gewiß zu werden, und die andre Idee, daß
die Christenheit eine einzige große Gefolgschaft sein müsse und sei. Sicher
haben sich auch von Anfang an sehr materielle Interessen der Herrschaft und des
Handels eingemischt, aber sie haben auch hier ihre spaltende und erniedrigende
Kraft bewiesen. Auch diese Ideale sind vergangen, aber die Nachwirkungen
der Taten, zu denen sie begeisterten, haben die innere Entwicklung des Abend¬
landes auf Jahrhunderte bestimmt, und trotz allen Spaltungen in der Christen¬
heit, die nicht die Religion, sondern die Theologie verschuldet hat, zeigt sich
die christliche Kirche in der Mission noch heute als eine einige, zusammen¬
wirkende Genossenschaft.

Um solche Ideale recht lebendig für das Volk zu machen, dazu bedarf es
großer Persönlichkeiten, die sie vertreten und verkörpern. Es gehört zu den
modernen Irrtümern, zu behaupten, die Verehrung großer Männer sei eine
Verkehrtheit, denn die geschichtliche Entwicklung beruhe auf der Arbeit der
Massen, und große Männer führten eben nur das aus, was diese bewußt
oder unbewußt vorbereiteten und erstrebte«, aber sie machten nicht die Geschichte.
Daß sich auch ein Genie von seiner Zeit nicht trennen kann und auf ihren
Grundlagen und mit ihren Mitteln wirken muß, das ist eine recht alte Weis¬
heit, aber die Tätigkeit der Massen schafft immer nur Voraussetzungen und
Möglichkeiten; ob diese und wie und wann sie zu entscheidenden Taten
führen, das häugt von großen, ihre Zeit nicht nur verstehenden, sondern
ihr auch voraus denkenden Männern ab. Goethe und Schiller, Bismarck und
Luther sind uns doch noch etwas ganz andres als der bloße Ausdruck ihrer
Zeit. Auf der Betrachtung großer Männer, ihres Wesens und ihrer Taten
vor allem, nicht auf der Aufstellung historischer Entwicklungsgesetze, die im
übrigen ihre wissenschaftliche Berechtigung haben, aber das Rätsel der Persön¬
lichkeit nicht erklären, also auch in sich nicht aufnehmen können, beruht der
sittliche Wert des geschichtlichen Studiums. Und eben dieses führt mit zwingender
Gewalt zu der Überzeugung von dem Werte der großen nationalen und sittlich¬
religiösen Ideale gegenüber den erniedrigenden und spaltenden Sonderinteressen
der Einzelnen und einzelner Kreise. Keinem Volte tut diese Überzeugung so
bi Veto Naemmel tter not wie heute dem deutschen.




Die Festungen Europas
B. Bruhns von

>in Kapitel in der Geographie, das in auffallender Weise ver¬
nachlässigt wird, ist die Lehre von den Festungen. Gewöhnlich
werden im Unterricht die Hauptstädte der einzelnen Länder, die
wichtigsten Handelsstädte und die bedeutendsten Industriegebiete
! eingehend besprochen, aber die Festungen werden nur nebenbei
erwähnt. Auf deu Karte» sind sie durch die zackige Gestalt des Städteringes
bezeichnet, auf bessern Karten werden auch häufig die eine große Festung um-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/130>, abgerufen am 27.12.2024.