Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Gin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa Tag an sich schon schwüler war, und die Ermüdung hinzukam, wurde der Ritt Je mehr wir die Sohle des Ringes hinabritten, desto enger schlössen sich Wir ritten nun eine Weile mit mäßiger Senkung schräg an der Berg¬ Die Zinne dieser Mauer erwies sich jedoch als breit genug und der Ab- Gin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa Tag an sich schon schwüler war, und die Ermüdung hinzukam, wurde der Ritt Je mehr wir die Sohle des Ringes hinabritten, desto enger schlössen sich Wir ritten nun eine Weile mit mäßiger Senkung schräg an der Berg¬ Die Zinne dieser Mauer erwies sich jedoch als breit genug und der Ab- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0733" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88211"/> <fw type="header" place="top"> Gin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa</fw><lb/> <p xml:id="ID_3102" prev="#ID_3101"> Tag an sich schon schwüler war, und die Ermüdung hinzukam, wurde der Ritt<lb/> durch die Wüste bei zunehmender Mittagshitze diesesmal etwas erschlaffend. Das<lb/> Sonnenlicht erschien greller, die Landschaft toter. Mein Grautier war auch<lb/> heute träger und blieb bestündig zurück, zumal da es mit dem Kopfe am<lb/> Boden immer nach irgend etwas herumschnupperte und sogar Retamazweige,<lb/> die die Tiere sonst verschmähen, anbiß. „Dieses Tier ist immer beim Diner"<lb/> (sikinxre- s Ig oovMg.), meinte der Treiber, und wie grollender Donner erklang<lb/> unaufhörlich sein dräuendes ^.nah, iren!</p><lb/> <p xml:id="ID_3103"> Je mehr wir die Sohle des Ringes hinabritten, desto enger schlössen sich<lb/> vor uns die Felsen zusammen, und ich war neugierig, wo und wie wir eigent¬<lb/> lich aus dem Trichter hinausgelangen sollten. Aber siehe, als wir den Fels¬<lb/> wall erreicht hatten, klommen wir ohne weitere Umstände eine Schurre hinauf,<lb/> die ich zwar vorher schon gesehen, aber für eine Wasserrinne oder höchstens<lb/> eine Ziegenrutschbahn taxiert hatte, und die Maultiere leisteten dies auch ohne<lb/> jede Stockung, wie etwas ganz Selbstverständliches. Die so überwnndne Fels¬<lb/> partie war sehr eigentümlich: sie glich ganz einer vorgeschobnen Bastion<lb/> — weshalb sie auch deu Namen ^orlAlsög, (Festung) führt — und hatte in<lb/> der Mitte eine enge, tief eingeschnittne Kerbe, durch die einst die Lavaströme<lb/> abgeflossen sind. Durch diese führte auch unser Weg, und sie bedeutete für<lb/> uns zugleich den Austritt aus der Pikregion; hinter uns blickend überschauten<lb/> wir noch einmal den Canadasring mit dem einsamen Riesen in seiner Mitte,<lb/> vor uns leuchtete, wenn auch noch tief unten und durch manche Bergabhänge<lb/> getrennt, der Streifen der Meeresküste.</p><lb/> <p xml:id="ID_3104"> Wir ritten nun eine Weile mit mäßiger Senkung schräg an der Berg¬<lb/> lehne hinab, durch einen wahren Wald von hohen, dicht stehenden Netama-<lb/> sträuchern. Soweit diese einen Durchblick in die Tiefe erlaubten, weidete sich<lb/> die Aussicht immer mehr: eine steil abfallende, unregelmäßige Küste mit<lb/> mehreren, weit in die See hinausgesprengten Felsklippen wurde sichtbar und<lb/> darüber eine köstliche grüne Ebene mit einer großen Ortschaft und vielen rings<lb/> verstreuten Gehöften. Aber das war nicht das wohlbekannte Tal von Orotava,<lb/> und ich wurde gespannt darauf, wie unser Weg weiter führen, und namentlich,<lb/> was wir demnächst unmittelbar vor uns sehen würden; denn wir stiegen ja in<lb/> ein fremdes Gelände hinab! Diese Neugier wurde jedoch zunächst enttäuscht,<lb/> da sich unter uns Wolkenschichten zusammenhäuften, die über fünfzig bis<lb/> hundert Fuß hinaus jede Aussicht abschnitten; wir ritten beständig in einen<lb/> gelbgrauen Nebelschleier hinein. Plötzlich gewahrte ich, daß wir am Rande<lb/> einer ganz scheitelrecht abfallenden Felsenbank hinstreiften, und sofort durchs<lb/> zuckte mich der Gedanke, wir könnten direkt auf der Scheide zwischen den<lb/> Ebenen von Orotava und Jeod, der messerscharfen Latern, sein, die ich für<lb/> ganz unwegsam gehalten hatte! Eine Frage an den Treiber bestätigte dies,<lb/> und ich blickte nun mit gelindem Unbehagen auf die unter dem Felsrande<lb/> zusammengeballten Dunstmassen, hinter denen sich ein so fürchterlicher Absturz<lb/> verbarg. Hatte ich doch schon oft von ferne und gestern noch beim Ausritt<lb/> staunend zu der Riesenwand hinausgesehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_3105" next="#ID_3106"> Die Zinne dieser Mauer erwies sich jedoch als breit genug und der Ab-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0733]
Gin Sommerritt auf den Pik von Teneriffa
Tag an sich schon schwüler war, und die Ermüdung hinzukam, wurde der Ritt
durch die Wüste bei zunehmender Mittagshitze diesesmal etwas erschlaffend. Das
Sonnenlicht erschien greller, die Landschaft toter. Mein Grautier war auch
heute träger und blieb bestündig zurück, zumal da es mit dem Kopfe am
Boden immer nach irgend etwas herumschnupperte und sogar Retamazweige,
die die Tiere sonst verschmähen, anbiß. „Dieses Tier ist immer beim Diner"
(sikinxre- s Ig oovMg.), meinte der Treiber, und wie grollender Donner erklang
unaufhörlich sein dräuendes ^.nah, iren!
Je mehr wir die Sohle des Ringes hinabritten, desto enger schlössen sich
vor uns die Felsen zusammen, und ich war neugierig, wo und wie wir eigent¬
lich aus dem Trichter hinausgelangen sollten. Aber siehe, als wir den Fels¬
wall erreicht hatten, klommen wir ohne weitere Umstände eine Schurre hinauf,
die ich zwar vorher schon gesehen, aber für eine Wasserrinne oder höchstens
eine Ziegenrutschbahn taxiert hatte, und die Maultiere leisteten dies auch ohne
jede Stockung, wie etwas ganz Selbstverständliches. Die so überwnndne Fels¬
partie war sehr eigentümlich: sie glich ganz einer vorgeschobnen Bastion
— weshalb sie auch deu Namen ^orlAlsög, (Festung) führt — und hatte in
der Mitte eine enge, tief eingeschnittne Kerbe, durch die einst die Lavaströme
abgeflossen sind. Durch diese führte auch unser Weg, und sie bedeutete für
uns zugleich den Austritt aus der Pikregion; hinter uns blickend überschauten
wir noch einmal den Canadasring mit dem einsamen Riesen in seiner Mitte,
vor uns leuchtete, wenn auch noch tief unten und durch manche Bergabhänge
getrennt, der Streifen der Meeresküste.
Wir ritten nun eine Weile mit mäßiger Senkung schräg an der Berg¬
lehne hinab, durch einen wahren Wald von hohen, dicht stehenden Netama-
sträuchern. Soweit diese einen Durchblick in die Tiefe erlaubten, weidete sich
die Aussicht immer mehr: eine steil abfallende, unregelmäßige Küste mit
mehreren, weit in die See hinausgesprengten Felsklippen wurde sichtbar und
darüber eine köstliche grüne Ebene mit einer großen Ortschaft und vielen rings
verstreuten Gehöften. Aber das war nicht das wohlbekannte Tal von Orotava,
und ich wurde gespannt darauf, wie unser Weg weiter führen, und namentlich,
was wir demnächst unmittelbar vor uns sehen würden; denn wir stiegen ja in
ein fremdes Gelände hinab! Diese Neugier wurde jedoch zunächst enttäuscht,
da sich unter uns Wolkenschichten zusammenhäuften, die über fünfzig bis
hundert Fuß hinaus jede Aussicht abschnitten; wir ritten beständig in einen
gelbgrauen Nebelschleier hinein. Plötzlich gewahrte ich, daß wir am Rande
einer ganz scheitelrecht abfallenden Felsenbank hinstreiften, und sofort durchs
zuckte mich der Gedanke, wir könnten direkt auf der Scheide zwischen den
Ebenen von Orotava und Jeod, der messerscharfen Latern, sein, die ich für
ganz unwegsam gehalten hatte! Eine Frage an den Treiber bestätigte dies,
und ich blickte nun mit gelindem Unbehagen auf die unter dem Felsrande
zusammengeballten Dunstmassen, hinter denen sich ein so fürchterlicher Absturz
verbarg. Hatte ich doch schon oft von ferne und gestern noch beim Ausritt
staunend zu der Riesenwand hinausgesehen!
Die Zinne dieser Mauer erwies sich jedoch als breit genug und der Ab-
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