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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Ein Sommerritt auf den Pik von Teneriffa

Es ist nun eine eigne Fügung, daß in den Frühlingstagen des Jahres 1815,
als sich das dramatische Nachspiel der deutschen Unabhängigkeitskämpfe schon
vorzubereiten begann, der dereinstige Vollstrecker der politischen Hinterlassenschaft
dieses Jahres eben geboren war: Otto von Bismarck. Aber nicht als Militär,
sondern als Diplomat erreichte er, was nicht durchgesetzt zu haben der Patriot
Blücher den von ihm nicht immer mit Recht so hart geschmähten preußischen Ver¬
tretern der Staatskunst, "den Deplomatiquern" zum schärfsten Vorwurf gemacht
hat, die Einigung und Festigung Deutschlands. -- Ein volles Menschenalter
liegt also zwischen dem Wirken der beiden gewaltigen Männer, die, ihrem ganzen
Wesen nach aus demselben Ton geknetet, dasselbe Ziel vor Augen hatten.
Allerdings auf Gebieten, die miteinander nichts gemein zu haben scheinen. Aber
doch eben nur scheinbar. "Denn der Krieg, so sagt Clausewitz, ist nur die
Fortsetzung der Politik, nur mit andern Mitteln." Von dem Zusammenhang
beider Tätigkeiten und der Notwendigkeit, sie zueinander in lebendige Wechsel¬
wirkung zu bringen, war der eine, der Soldat, immer durchdrungen gewesen.
Doch erst der Diplomat erreichte es, daß der Forderung jenes: die Feder muß
mit dem Schwerte Hand in Hand gehn, entsprochen werden konnte, wenigstens
für seine Zeit und für seine Ziele.

Diese kurzen Andeutungen machen schon einige der Beziehungen deutlich,
die tatsächlich zwischen Bismarck und Blücher bestehn. Nichtsdestoweniger mag
der Versuch einer vergleichenden Gegenüberstellung beider Männer befremdlich,
ja paradox erscheinen. Wer aber tiefer in den Stoff eindringt und dabei die
Quellen bloßlegt, aus denen beide geschöpft haben, der wird die Berechtigung
eines solchen Versuchs zugeben müssen.

(Schluß folgt)




Ein ^"ommerritt auf den Pik von Teneriffa
Reinhold Schultz Reiseerinnerung von

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^M"M^M^.>Vin der Eingangspforte der Tropen, mit ihren Reizen geschmückt
und doch frei von ihren Plagen, heben sich die "Glücklichen
Inseln" der Kanarier hoch aus den Fluten des Atlantischen
Ozeans, der sie unablässig mit besondrer Wucht umbrandet und
> gierig an ihren Küsten nagt; eine reißende Strömung drängt sich
zwischen ihnen hindurch, gefördert bald und bald gehemmt von den beständig
wechselnden See- und Gebirgswinden, und umgibt ihre viclgewundnen Ufer¬
linien mit einem breiten Bande hochaufspritzenden Schaums. Bis weit in ihr
Inneres hinein hört man das Tosen und das Zischen des unermüdlich gegen sie
anstürmenden feindlichen Elements. Aber sie sind kein zerbröckelndes Helgo¬
land, vulkanische Kräfte haben sie vorzeiten kernfest aufgetürmt, und ihre
starren schwarzen Felsen spotten des Anpralls der Wogen wie der zersetzenden
Kraft des Salzwassers. Erhebt sich ja doch in ihrer Mitte die Riesenwerkstatt


Ein Sommerritt auf den Pik von Teneriffa

Es ist nun eine eigne Fügung, daß in den Frühlingstagen des Jahres 1815,
als sich das dramatische Nachspiel der deutschen Unabhängigkeitskämpfe schon
vorzubereiten begann, der dereinstige Vollstrecker der politischen Hinterlassenschaft
dieses Jahres eben geboren war: Otto von Bismarck. Aber nicht als Militär,
sondern als Diplomat erreichte er, was nicht durchgesetzt zu haben der Patriot
Blücher den von ihm nicht immer mit Recht so hart geschmähten preußischen Ver¬
tretern der Staatskunst, „den Deplomatiquern" zum schärfsten Vorwurf gemacht
hat, die Einigung und Festigung Deutschlands. — Ein volles Menschenalter
liegt also zwischen dem Wirken der beiden gewaltigen Männer, die, ihrem ganzen
Wesen nach aus demselben Ton geknetet, dasselbe Ziel vor Augen hatten.
Allerdings auf Gebieten, die miteinander nichts gemein zu haben scheinen. Aber
doch eben nur scheinbar. „Denn der Krieg, so sagt Clausewitz, ist nur die
Fortsetzung der Politik, nur mit andern Mitteln." Von dem Zusammenhang
beider Tätigkeiten und der Notwendigkeit, sie zueinander in lebendige Wechsel¬
wirkung zu bringen, war der eine, der Soldat, immer durchdrungen gewesen.
Doch erst der Diplomat erreichte es, daß der Forderung jenes: die Feder muß
mit dem Schwerte Hand in Hand gehn, entsprochen werden konnte, wenigstens
für seine Zeit und für seine Ziele.

Diese kurzen Andeutungen machen schon einige der Beziehungen deutlich,
die tatsächlich zwischen Bismarck und Blücher bestehn. Nichtsdestoweniger mag
der Versuch einer vergleichenden Gegenüberstellung beider Männer befremdlich,
ja paradox erscheinen. Wer aber tiefer in den Stoff eindringt und dabei die
Quellen bloßlegt, aus denen beide geschöpft haben, der wird die Berechtigung
eines solchen Versuchs zugeben müssen.

(Schluß folgt)




Ein ^»ommerritt auf den Pik von Teneriffa
Reinhold Schultz Reiseerinnerung von

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^M»M^M^.>Vin der Eingangspforte der Tropen, mit ihren Reizen geschmückt
und doch frei von ihren Plagen, heben sich die „Glücklichen
Inseln" der Kanarier hoch aus den Fluten des Atlantischen
Ozeans, der sie unablässig mit besondrer Wucht umbrandet und
> gierig an ihren Küsten nagt; eine reißende Strömung drängt sich
zwischen ihnen hindurch, gefördert bald und bald gehemmt von den beständig
wechselnden See- und Gebirgswinden, und umgibt ihre viclgewundnen Ufer¬
linien mit einem breiten Bande hochaufspritzenden Schaums. Bis weit in ihr
Inneres hinein hört man das Tosen und das Zischen des unermüdlich gegen sie
anstürmenden feindlichen Elements. Aber sie sind kein zerbröckelndes Helgo¬
land, vulkanische Kräfte haben sie vorzeiten kernfest aufgetürmt, und ihre
starren schwarzen Felsen spotten des Anpralls der Wogen wie der zersetzenden
Kraft des Salzwassers. Erhebt sich ja doch in ihrer Mitte die Riesenwerkstatt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/671>, abgerufen am 23.07.2024.