Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Herrenmenschen die verkäuflich waren. Er hatte einen unbedeutenden Bart, eine Sttrnlocke, die ihm Man wird den Titel Amtshcmptmann schwerlich im preußischen Beamten- Wie aber kamen die drei Maler in dieses weltentlegne Nest und an den Wir müssen ferner berichten, daß Tapnicken auf dem Punkte stand, sich ans Herrenmenschen die verkäuflich waren. Er hatte einen unbedeutenden Bart, eine Sttrnlocke, die ihm Man wird den Titel Amtshcmptmann schwerlich im preußischen Beamten- Wie aber kamen die drei Maler in dieses weltentlegne Nest und an den Wir müssen ferner berichten, daß Tapnicken auf dem Punkte stand, sich ans <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88051"/> <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2454" prev="#ID_2453"> die verkäuflich waren. Er hatte einen unbedeutenden Bart, eine Sttrnlocke, die ihm<lb/> jederzeit auf die Nase fiel, sehr lebendigen Ausdruck und war mit seinem Freunde<lb/> Schwechting immer im Streite, was aber nicht hinderte, daß sie die besten Freunde<lb/> waren und den Namen „die Siamesen" trugen. Der dritte, Franz Staffelsteiger,<lb/> war ein ganz moderner, wie schon seine modern-altmodische Tracht, der steife<lb/> Hemdenkragen, die handbreite Halsbinde und der Großvaterrock zeigte. Er hatte<lb/> einen gewaltigen Haarschopf, „eoulsur Borstwtsch," wie Pogge zu sagen pflegte,<lb/> in dem er mit Vorliebe wühlte, richtete seinen geistigen Blick auf sein Inneres<lb/> und erwartete ganz besondre Offenbarungen. Der vierte war, wie schon gesagt<lb/> worden ist, einer von der grünen Farbe. Er war ein Mann im Anfang der<lb/> Fünfziger und früher offenbar ein schöner Mann gewesen. Aber jetzt waren seine<lb/> Züge zu scharf geworden. Er hatte ein mageres Gesicht und einen dunkelblonden<lb/> Bart, der an den Seiten schon ergraut war. Mit seiner Hakennase, seinen tief<lb/> unter buschigen Brauen liegenden scharfen Angen, seinem hängenden starken Schnauz¬<lb/> bart und zurückweichenden Kinn hatte er die Physiognomie eines Adlers. Er war<lb/> der Inhaber des Tisches, den ihm der Wirt des Kurhauses als der hohen Obrigkeit<lb/> und der angesehensten Person der Gegend gezimmert hatte, indem er eine runde<lb/> Tischplatte auf den Stumpf eines dicken Baumes genagelt hatte. Es war der Herr<lb/> Amtshcmptmann Groppoff.</p><lb/> <p xml:id="ID_2455"> Man wird den Titel Amtshcmptmann schwerlich im preußischen Beamten-<lb/> kalender finden, er war auch nicht der offizielle Titel seines Trägers, hatte aber<lb/> offiziöse Berechtigung. Wenigstens sagten die Bewohner von Tapnicken nie anders<lb/> als so, und die hohe Behörde ließ es geschehen. Der Titel hatte übrigens auch<lb/> einen geschichtlichen Untergrund. Zur Zeit der altpreußischen Ritter hatten sich auf<lb/> der Landzunge bei Tapnicken ein Kastell und eine Gerichtsstätte befunden, wovon<lb/> noch der Turm mit dem Storchneste und der Wall Kunde gaben, und der Name<lb/> Amtshauptmcnm war noch vor hundert Jahren der Titel des hier residierenden<lb/> königlichen Beamten gewesen. Jetzt war das Amt eine Art Oberförsterei mit er¬<lb/> weiterten anderweitigen Befugnissen geworden. Dementsprechend trug Herr Groppoff<lb/> die Uniform eines Oberförsters mit gewissen Abänderungen, die nur der Kenner<lb/> unterschied, und bemühte sich mit Erfolg, den großen Herrn zu spielen. Er konnte<lb/> überaus liebenswürdig sein, besonders denen gegenüber, die seine Überordnung an¬<lb/> erkannten, aber auch den Selbstherrscher aller Reußen mit voller Schärfe heraus¬<lb/> kehren. Im Dorfe, wo alles mehr oder weniger von ihm als Forstbeamten, Amts¬<lb/> vorsteher und Arbeitgeber abhing, hatte man einen heiligen Respekt vor ihm und<lb/> machte die tiefsten Bücklinge, wo er sich nur sehen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_2456"> Wie aber kamen die drei Maler in dieses weltentlegne Nest und an den<lb/> Herrentisch des Herrn Amtshcmptmanns? Sie waren die Mitglieder der Künstler-<lb/> kolonie Mopswende, die sich in Tapnicken angesiedelt hatte, um in der unerschlossenen<lb/> Gegend nach neuen, noch unverbrauchter Motiven zu suchen. Wenn des Tages<lb/> Arbeit getan war, so versammelte man sich im Kurgarten, um einen Rest Künstler¬<lb/> kater, den man regelmäßig mitbrachte, durch Bier und Kalauer umzubringen und<lb/> das Dampfschiff anlaufen zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2457" next="#ID_2458"> Wir müssen ferner berichten, daß Tapnicken auf dem Punkte stand, sich ans<lb/> einem Fischerdorfe in ein Seebad zu verwandeln. Was wäre aber ein Seebad<lb/> ohne ein Kurhaus! Und so hatte der Wirt des Dorfkrugs, der von den Fischern<lb/> ein schönes Stück Geld verdient hatte, seinen Krug verkauft und seine gesammelten<lb/> Kapitalteil dazu benutzt, am Strande, der Landungsbrücke gegenüber, ein steinernes<lb/> Haus zu bauen, dem er den stolzen Namen Kurhaus gab. Hier Pflegten die<lb/> Passanten zu wohnen, sowie Badegäste, ehe sie im Dorf eine Unterkunft gefunden<lb/> hatten. Viel Badegäste waren es eben nicht, noch nicht so viel, als in manchem<lb/> großen Badeorte an einem einzigen Tage ankommen. Auch waren es keine be¬<lb/> rühmten Leute und große Herren, die kamen. Aber das Bad hob sich sichtbar.<lb/> In diesem Jahre waren sogar ein Herr von Kügelchen, ein Rechnungsrat, ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0573]
Herrenmenschen
die verkäuflich waren. Er hatte einen unbedeutenden Bart, eine Sttrnlocke, die ihm
jederzeit auf die Nase fiel, sehr lebendigen Ausdruck und war mit seinem Freunde
Schwechting immer im Streite, was aber nicht hinderte, daß sie die besten Freunde
waren und den Namen „die Siamesen" trugen. Der dritte, Franz Staffelsteiger,
war ein ganz moderner, wie schon seine modern-altmodische Tracht, der steife
Hemdenkragen, die handbreite Halsbinde und der Großvaterrock zeigte. Er hatte
einen gewaltigen Haarschopf, „eoulsur Borstwtsch," wie Pogge zu sagen pflegte,
in dem er mit Vorliebe wühlte, richtete seinen geistigen Blick auf sein Inneres
und erwartete ganz besondre Offenbarungen. Der vierte war, wie schon gesagt
worden ist, einer von der grünen Farbe. Er war ein Mann im Anfang der
Fünfziger und früher offenbar ein schöner Mann gewesen. Aber jetzt waren seine
Züge zu scharf geworden. Er hatte ein mageres Gesicht und einen dunkelblonden
Bart, der an den Seiten schon ergraut war. Mit seiner Hakennase, seinen tief
unter buschigen Brauen liegenden scharfen Angen, seinem hängenden starken Schnauz¬
bart und zurückweichenden Kinn hatte er die Physiognomie eines Adlers. Er war
der Inhaber des Tisches, den ihm der Wirt des Kurhauses als der hohen Obrigkeit
und der angesehensten Person der Gegend gezimmert hatte, indem er eine runde
Tischplatte auf den Stumpf eines dicken Baumes genagelt hatte. Es war der Herr
Amtshcmptmann Groppoff.
Man wird den Titel Amtshcmptmann schwerlich im preußischen Beamten-
kalender finden, er war auch nicht der offizielle Titel seines Trägers, hatte aber
offiziöse Berechtigung. Wenigstens sagten die Bewohner von Tapnicken nie anders
als so, und die hohe Behörde ließ es geschehen. Der Titel hatte übrigens auch
einen geschichtlichen Untergrund. Zur Zeit der altpreußischen Ritter hatten sich auf
der Landzunge bei Tapnicken ein Kastell und eine Gerichtsstätte befunden, wovon
noch der Turm mit dem Storchneste und der Wall Kunde gaben, und der Name
Amtshauptmcnm war noch vor hundert Jahren der Titel des hier residierenden
königlichen Beamten gewesen. Jetzt war das Amt eine Art Oberförsterei mit er¬
weiterten anderweitigen Befugnissen geworden. Dementsprechend trug Herr Groppoff
die Uniform eines Oberförsters mit gewissen Abänderungen, die nur der Kenner
unterschied, und bemühte sich mit Erfolg, den großen Herrn zu spielen. Er konnte
überaus liebenswürdig sein, besonders denen gegenüber, die seine Überordnung an¬
erkannten, aber auch den Selbstherrscher aller Reußen mit voller Schärfe heraus¬
kehren. Im Dorfe, wo alles mehr oder weniger von ihm als Forstbeamten, Amts¬
vorsteher und Arbeitgeber abhing, hatte man einen heiligen Respekt vor ihm und
machte die tiefsten Bücklinge, wo er sich nur sehen ließ.
Wie aber kamen die drei Maler in dieses weltentlegne Nest und an den
Herrentisch des Herrn Amtshcmptmanns? Sie waren die Mitglieder der Künstler-
kolonie Mopswende, die sich in Tapnicken angesiedelt hatte, um in der unerschlossenen
Gegend nach neuen, noch unverbrauchter Motiven zu suchen. Wenn des Tages
Arbeit getan war, so versammelte man sich im Kurgarten, um einen Rest Künstler¬
kater, den man regelmäßig mitbrachte, durch Bier und Kalauer umzubringen und
das Dampfschiff anlaufen zu sehen.
Wir müssen ferner berichten, daß Tapnicken auf dem Punkte stand, sich ans
einem Fischerdorfe in ein Seebad zu verwandeln. Was wäre aber ein Seebad
ohne ein Kurhaus! Und so hatte der Wirt des Dorfkrugs, der von den Fischern
ein schönes Stück Geld verdient hatte, seinen Krug verkauft und seine gesammelten
Kapitalteil dazu benutzt, am Strande, der Landungsbrücke gegenüber, ein steinernes
Haus zu bauen, dem er den stolzen Namen Kurhaus gab. Hier Pflegten die
Passanten zu wohnen, sowie Badegäste, ehe sie im Dorf eine Unterkunft gefunden
hatten. Viel Badegäste waren es eben nicht, noch nicht so viel, als in manchem
großen Badeorte an einem einzigen Tage ankommen. Auch waren es keine be¬
rühmten Leute und große Herren, die kamen. Aber das Bad hob sich sichtbar.
In diesem Jahre waren sogar ein Herr von Kügelchen, ein Rechnungsrat, ein
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