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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

Erde in diesem Sommer der azurnen Bläue und der niemals nachlassenden
Sonnenglut auch durch die dunkelsten Wolken getäuscht worden, aber diesmal sind
es die echten Rosse Wodans, die dnmpfgrollend von Süden nach Norden jagen:
ein sanfter Regen erquickt deu ausgebleichten, zur festen Tenne erstarrten Lößboden
rings um uus her, das verschmachtende Herzblatt des Krauts und der Futterrübe
hebt lauschend und freudig deu Kopf, und mitten durch den langentbehrten Erd¬
geruch befeuchteter Schollen führt uns die Straße ins Innerste der "Pflege," in
das alte heilige Lommatzsch. Auf der Höhe vor Wänden öffnet sich der Blick ans
das Städtchen, das frei und heiter auf einem langgestreckten vou Südwest nach
Nordost streichenden Rücken liegt und uns die weithin leuchtenden drei dicht
nebeneinanderstehenden Turmspitzen seiner schönen Kirche zeigt. Während uns das
Fahrrad auf sanfter Neigung der Straße an unser Ziel trägt, schwirren uns sla¬
wische Weisen durch deu Kopf, und den Text zur leisen, schwermütigen Melodie
reimt uns Thietmar, der wackre Bischof von Merseburg, der sonst so wortkarg und
verschlossen bei allem, was die slawische Vorzeit unsers Landes anlangt, hier ein¬
mal ein übriges tut und uns einen leisen Hall aus jeuer verschollnen Welt ver¬
nehmen läßt.

Er berichtet: "Heinrich von Sachsen sei, noch bevor er deutscher König wurde,
von seinem Vater mit großer Heeresmacht in die Landschaft, die wir Dalcminzi,
die Slawen aber Glomazi nennen, geschickt worden und habe sie mit Feuer und
Schwert verwüstet." Um diesen Gaunmneu zu erkläre", fährt er fort (I, 3): "Glomazi
ist eine Quelle, nicht über zwei Meilen von der Elbe entfernt, diese bildet aus
ihrem Wasser einen See und zeigt, wie die Eingebornen behaupten und viele
Augenzeugen bestätigen, wunderbare Erscheinungen. Wenn holder Friede die Be¬
wohner des Landes beglücken soll, und der Boden seine Frucht tragen will, erfüllt
er, mit Weizen, Hafer und Eicheln bedeckt, die Gemüter der häufig an seinen Ufern
zusammenströmenden Nachbarn mit froher Lust. Wenn aber ein wilder Kriegs¬
sturm droht, so verkündet er durch Blut und Asche untrüglich das Kommende.
Diesen Quell verehrt und achtet jeder Einwohner, wenn er auch uur noch eine leise
Hoffnung zu ihm trägt, höher als die christlichen Kirchen. Von ihm hat der sich
von der Elbe bis zur Caminizi (Chemnitz) erstreckende Gan den Namen." Aus
diesen Worten entnehmen wir die Tatsache, daß das slawische Lommatzsch (das
jetzige Dorf Alt-Lommatzsch) bei den Slawen dieser Landschaft der politische, der
Quell Glomazi der religiöse Mittelpunkt war. Nach einer volkstümliche" Über¬
lieferung ist der heilige See in dem Paltzschener See -- eine halbe Stunde nörd¬
lich von Alt-Lommatzsch -- zu suchen, der jetzt freilich zun, größten Teil in ein
Wiesengelände verwandelt worden ist. slawische Grabhügel spiegelten sich einst in
seinen Fluten, und zur Sommerzeit sah er alljährlich das festliche Gepränge der
Elbslawen, die von allen Seiten herbeikamen, durch Wallfahrt und Opfer das
heilige Gewässer zu verehre". Dem Opfer folgten Schmause unter den hohen
Bäumen, die sicherlich auch dieses Heiligtum umgaben. Auch Musik der slawischen,
mit acht Saiten bespannten Zithern und des Dudelsacks wird bei diese" Festen nicht
gefehlt haben.

Wenn der See Glomazi wirklich künftiges Kriegselend prophezeite, so muß
er im Frühjahr 928 besonders viel Asche und Blut auf dem Wasser gezeigt haben:
denn damals zog König Heinrich herbei und vollendete das schon früher begonnene
Werk der Unterwerfung des Gaus Dalemiuzi, indem er die Festung Gaua (Jahna,
fünf Kilometer westlich von Lommatzsch an den, Bache desselben Namens) nach
zwanzigtägiger Belagerung erstürmte und zu dauernder Beherrschung der Land¬
schaft die Burg Meißen gründete. Lakonisch meldet Widukind über die Erstürmung
Gcmas: l?iÄizäÄ urbis militious t-r-MtÄ, pubsrss omnes nidsi'thet.i, pnsri se xusllaö
vavtivit,s,ti ssrvg,tÄS. Die Grausamkeit der deutschen Eroberer scheint sich aber ans
die Besatzungen der festen Plätze beschränkt zu haben, die in offnen Dörfern
wohnende bäuerliche Bevölkerung blieb im wesentlichen unversehrt, auch zunächst in


Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz

Erde in diesem Sommer der azurnen Bläue und der niemals nachlassenden
Sonnenglut auch durch die dunkelsten Wolken getäuscht worden, aber diesmal sind
es die echten Rosse Wodans, die dnmpfgrollend von Süden nach Norden jagen:
ein sanfter Regen erquickt deu ausgebleichten, zur festen Tenne erstarrten Lößboden
rings um uus her, das verschmachtende Herzblatt des Krauts und der Futterrübe
hebt lauschend und freudig deu Kopf, und mitten durch den langentbehrten Erd¬
geruch befeuchteter Schollen führt uns die Straße ins Innerste der „Pflege," in
das alte heilige Lommatzsch. Auf der Höhe vor Wänden öffnet sich der Blick ans
das Städtchen, das frei und heiter auf einem langgestreckten vou Südwest nach
Nordost streichenden Rücken liegt und uns die weithin leuchtenden drei dicht
nebeneinanderstehenden Turmspitzen seiner schönen Kirche zeigt. Während uns das
Fahrrad auf sanfter Neigung der Straße an unser Ziel trägt, schwirren uns sla¬
wische Weisen durch deu Kopf, und den Text zur leisen, schwermütigen Melodie
reimt uns Thietmar, der wackre Bischof von Merseburg, der sonst so wortkarg und
verschlossen bei allem, was die slawische Vorzeit unsers Landes anlangt, hier ein¬
mal ein übriges tut und uns einen leisen Hall aus jeuer verschollnen Welt ver¬
nehmen läßt.

Er berichtet: „Heinrich von Sachsen sei, noch bevor er deutscher König wurde,
von seinem Vater mit großer Heeresmacht in die Landschaft, die wir Dalcminzi,
die Slawen aber Glomazi nennen, geschickt worden und habe sie mit Feuer und
Schwert verwüstet." Um diesen Gaunmneu zu erkläre», fährt er fort (I, 3): „Glomazi
ist eine Quelle, nicht über zwei Meilen von der Elbe entfernt, diese bildet aus
ihrem Wasser einen See und zeigt, wie die Eingebornen behaupten und viele
Augenzeugen bestätigen, wunderbare Erscheinungen. Wenn holder Friede die Be¬
wohner des Landes beglücken soll, und der Boden seine Frucht tragen will, erfüllt
er, mit Weizen, Hafer und Eicheln bedeckt, die Gemüter der häufig an seinen Ufern
zusammenströmenden Nachbarn mit froher Lust. Wenn aber ein wilder Kriegs¬
sturm droht, so verkündet er durch Blut und Asche untrüglich das Kommende.
Diesen Quell verehrt und achtet jeder Einwohner, wenn er auch uur noch eine leise
Hoffnung zu ihm trägt, höher als die christlichen Kirchen. Von ihm hat der sich
von der Elbe bis zur Caminizi (Chemnitz) erstreckende Gan den Namen." Aus
diesen Worten entnehmen wir die Tatsache, daß das slawische Lommatzsch (das
jetzige Dorf Alt-Lommatzsch) bei den Slawen dieser Landschaft der politische, der
Quell Glomazi der religiöse Mittelpunkt war. Nach einer volkstümliche» Über¬
lieferung ist der heilige See in dem Paltzschener See — eine halbe Stunde nörd¬
lich von Alt-Lommatzsch — zu suchen, der jetzt freilich zun, größten Teil in ein
Wiesengelände verwandelt worden ist. slawische Grabhügel spiegelten sich einst in
seinen Fluten, und zur Sommerzeit sah er alljährlich das festliche Gepränge der
Elbslawen, die von allen Seiten herbeikamen, durch Wallfahrt und Opfer das
heilige Gewässer zu verehre». Dem Opfer folgten Schmause unter den hohen
Bäumen, die sicherlich auch dieses Heiligtum umgaben. Auch Musik der slawischen,
mit acht Saiten bespannten Zithern und des Dudelsacks wird bei diese» Festen nicht
gefehlt haben.

Wenn der See Glomazi wirklich künftiges Kriegselend prophezeite, so muß
er im Frühjahr 928 besonders viel Asche und Blut auf dem Wasser gezeigt haben:
denn damals zog König Heinrich herbei und vollendete das schon früher begonnene
Werk der Unterwerfung des Gaus Dalemiuzi, indem er die Festung Gaua (Jahna,
fünf Kilometer westlich von Lommatzsch an den, Bache desselben Namens) nach
zwanzigtägiger Belagerung erstürmte und zu dauernder Beherrschung der Land¬
schaft die Burg Meißen gründete. Lakonisch meldet Widukind über die Erstürmung
Gcmas: l?iÄizäÄ urbis militious t-r-MtÄ, pubsrss omnes nidsi'thet.i, pnsri se xusllaö
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die Besatzungen der festen Plätze beschränkt zu haben, die in offnen Dörfern
wohnende bäuerliche Bevölkerung blieb im wesentlichen unversehrt, auch zunächst in


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[0564] Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz Erde in diesem Sommer der azurnen Bläue und der niemals nachlassenden Sonnenglut auch durch die dunkelsten Wolken getäuscht worden, aber diesmal sind es die echten Rosse Wodans, die dnmpfgrollend von Süden nach Norden jagen: ein sanfter Regen erquickt deu ausgebleichten, zur festen Tenne erstarrten Lößboden rings um uus her, das verschmachtende Herzblatt des Krauts und der Futterrübe hebt lauschend und freudig deu Kopf, und mitten durch den langentbehrten Erd¬ geruch befeuchteter Schollen führt uns die Straße ins Innerste der „Pflege," in das alte heilige Lommatzsch. Auf der Höhe vor Wänden öffnet sich der Blick ans das Städtchen, das frei und heiter auf einem langgestreckten vou Südwest nach Nordost streichenden Rücken liegt und uns die weithin leuchtenden drei dicht nebeneinanderstehenden Turmspitzen seiner schönen Kirche zeigt. Während uns das Fahrrad auf sanfter Neigung der Straße an unser Ziel trägt, schwirren uns sla¬ wische Weisen durch deu Kopf, und den Text zur leisen, schwermütigen Melodie reimt uns Thietmar, der wackre Bischof von Merseburg, der sonst so wortkarg und verschlossen bei allem, was die slawische Vorzeit unsers Landes anlangt, hier ein¬ mal ein übriges tut und uns einen leisen Hall aus jeuer verschollnen Welt ver¬ nehmen läßt. Er berichtet: „Heinrich von Sachsen sei, noch bevor er deutscher König wurde, von seinem Vater mit großer Heeresmacht in die Landschaft, die wir Dalcminzi, die Slawen aber Glomazi nennen, geschickt worden und habe sie mit Feuer und Schwert verwüstet." Um diesen Gaunmneu zu erkläre», fährt er fort (I, 3): „Glomazi ist eine Quelle, nicht über zwei Meilen von der Elbe entfernt, diese bildet aus ihrem Wasser einen See und zeigt, wie die Eingebornen behaupten und viele Augenzeugen bestätigen, wunderbare Erscheinungen. Wenn holder Friede die Be¬ wohner des Landes beglücken soll, und der Boden seine Frucht tragen will, erfüllt er, mit Weizen, Hafer und Eicheln bedeckt, die Gemüter der häufig an seinen Ufern zusammenströmenden Nachbarn mit froher Lust. Wenn aber ein wilder Kriegs¬ sturm droht, so verkündet er durch Blut und Asche untrüglich das Kommende. Diesen Quell verehrt und achtet jeder Einwohner, wenn er auch uur noch eine leise Hoffnung zu ihm trägt, höher als die christlichen Kirchen. Von ihm hat der sich von der Elbe bis zur Caminizi (Chemnitz) erstreckende Gan den Namen." Aus diesen Worten entnehmen wir die Tatsache, daß das slawische Lommatzsch (das jetzige Dorf Alt-Lommatzsch) bei den Slawen dieser Landschaft der politische, der Quell Glomazi der religiöse Mittelpunkt war. Nach einer volkstümliche» Über¬ lieferung ist der heilige See in dem Paltzschener See — eine halbe Stunde nörd¬ lich von Alt-Lommatzsch — zu suchen, der jetzt freilich zun, größten Teil in ein Wiesengelände verwandelt worden ist. slawische Grabhügel spiegelten sich einst in seinen Fluten, und zur Sommerzeit sah er alljährlich das festliche Gepränge der Elbslawen, die von allen Seiten herbeikamen, durch Wallfahrt und Opfer das heilige Gewässer zu verehre». Dem Opfer folgten Schmause unter den hohen Bäumen, die sicherlich auch dieses Heiligtum umgaben. Auch Musik der slawischen, mit acht Saiten bespannten Zithern und des Dudelsacks wird bei diese» Festen nicht gefehlt haben. Wenn der See Glomazi wirklich künftiges Kriegselend prophezeite, so muß er im Frühjahr 928 besonders viel Asche und Blut auf dem Wasser gezeigt haben: denn damals zog König Heinrich herbei und vollendete das schon früher begonnene Werk der Unterwerfung des Gaus Dalemiuzi, indem er die Festung Gaua (Jahna, fünf Kilometer westlich von Lommatzsch an den, Bache desselben Namens) nach zwanzigtägiger Belagerung erstürmte und zu dauernder Beherrschung der Land¬ schaft die Burg Meißen gründete. Lakonisch meldet Widukind über die Erstürmung Gcmas: l?iÄizäÄ urbis militious t-r-MtÄ, pubsrss omnes nidsi'thet.i, pnsri se xusllaö vavtivit,s,ti ssrvg,tÄS. Die Grausamkeit der deutschen Eroberer scheint sich aber ans die Besatzungen der festen Plätze beschränkt zu haben, die in offnen Dörfern wohnende bäuerliche Bevölkerung blieb im wesentlichen unversehrt, auch zunächst in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/564>, abgerufen am 23.07.2024.