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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege

falls Funken stieben, Geschichten, für deren Schauer oder Unmöglichkeit der Tag
zu licht wäre. Daß uns die Sorge nicht einschlafen ließ, ist uns durch die Siege
erspart worden. Heimweh dagegen, das ist leider allenthalben ein starkes Mittel
zum Wachhalten! Ich könnte davon erzählen, habe aber auch dieselbe Erfahrung
gemacht wie andre, das dem, der sich nächtelang auf seinem Lager wälzt, unfehlbar
in der Kälte des Morgens gerade die kühle halbe Stunde vor Sonnenaufgang,
den Schlaf bringt. Auch den sorgenvoll Wachestcn wehen die frischen Lüfte in
Schlummer, die der aufgehenden Sonne vorauseilen.

Der Regen erkaltet den Marschierenden das Herz und erschlafft die Muskeln,
die Lasten wachsen, die wir tragen, jedes Kleidungsstück, das wir anhaben, jede
Brotkrume im Proviantbeutel wird zum Schwamm, der sich vollsangt. Unwillkürlich
vergleicht man sich mit dem Esel der Fabel, der sich mit einer Ladung Schwämme
im Bache niederließ und nicht mehr aufstehn konnte. O wäre ich doch der tingere
Esel, der es mit der Salzladung so machte! Aber ich fühle, wie ich immer schwerer
werde, trotzdem daß Regenbäche aus Rock und Hosen rinnen, und jede Naht ein
Tal geworden ist, das seinen eignen Bach beherbergt. Oft habe ich in Friedens¬
zeiten der Poesie des Regenwetters das Wort gesprochen, und als behaglicher
Wandrer freute ich mich des Netzes aus Wasserfäden, das die regnende Wolke quer
über das Tal vom Himmel bis zum Boden spannte. Auch heute hüllt mich das
Netz des Regens mit tausend Fäden ein, aber ich komme mir wie gefangen darin
vor, und es flicht sich für jedes Gewebe, das ich durchschreite, ein neues um mich
her. Durch die ganze lange Marschkolonne geht dieses Gefühl des Ankämpfens
gegen das Nasse, das gegen uns prallt, uns umschlingt und umschlängelt, anfeuchtet
und abkühlt. Mein Unteroffizier geht noch immer aufrecht, während fast alle den
Kopf vorstrecken, als wollten sie dem Regen entgehn, der nur um so dichter in die
Lücke zwischen Hals und Binde regnet; er ist auch hier wieder der, der das er¬
lösende Wort findet: Jetzt sieht man erst, was für ein Vergnügen es sonst war,
in der freien Luft zu marschieren; daß mir morgen keiner über Staub jammert,
wenn der Regen aufgehört hat, und wir vierzig Kilometer zurücklegen! Auch stellt
er Betrachtungen an über den Unterschied des Gefühls, das die Flüssigkeit hervor¬
ruft, die man vorn hinter die Binde gießt, und dem des Regenwassers, das von
rückwärts seinen Weg hinter die Binde findet. Er fand diesesmal keinen Anklang,
denn wenn man den Mund zum Lachen öffnen wollte, floß oder regnete eben dieses
geschmacklose Wasser hinein.

Dem Wasser sind wir überhaupt nicht Freund. Als Regen verdirbt es uus
nicht sofort den Humor, aber die Uniform geht aus der "Feuwr," und haupt¬
sächlich schadet es dem Gewehr. Auf Regen folgt nicht bloß der Sonnenschein,
sondern viel sicherer der Putztag und die gefürchtete Gewehrvisitation. Der Kampf
mit dem Rost fällt dem gewehrtragenden Soldaten fast so schwer wie der mit dem
Feind und ist oft nicht so erfolgreich. Deswegen verglich der Unteroffizier Reiske
in einer seiner Abendbetrachtungen den Büchsenmacher, als Führer im Kampfe mit
dem Roste, mit den Göttern; auch er kämpft gegen das Schicksal, kriegt es aber nicht
unter, und der Rost ist nichts als die Zeit, die alles annage und zerfrißt, am meisten
den Stahl, dessen grauer Glanz im Gewehrlauf der Stolz des guten Soldaten ist.

Aus fortgesetzten Betrachtungen dieses und andrer Philosophen in Uniform
ergab sich aber auch, daß der Nutzen des Wassers im Kriege ist, daß der Soldat
sich hineinlegt, wenn er biwakiert, denn es macht die Erde weicher; wird diese
aber zu weich, und schlägt überhaupt das Gefühl der Nässe durch, dann schleppt
man Steine herbei, einen für den Kopf, einen für den Rücken, einen für die
Füße. Steine sind immer hart, aber unser Gefühl für ihre Härte ist nicht immer
dasselbe, und es wird die Behauptung gewagt, daß rundliche Steine, die trocken
sind, sogar den Eindruck einer gewissen Weichheit machen, die man vielleicht besser
als Molligkeit bezeichnen würde. Sobald man aber Wasser in den Körper ge¬
langen läßt, vnIZo trinkt, wird das Gefühl für die äußere Nässe verstärkt, denn


Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege

falls Funken stieben, Geschichten, für deren Schauer oder Unmöglichkeit der Tag
zu licht wäre. Daß uns die Sorge nicht einschlafen ließ, ist uns durch die Siege
erspart worden. Heimweh dagegen, das ist leider allenthalben ein starkes Mittel
zum Wachhalten! Ich könnte davon erzählen, habe aber auch dieselbe Erfahrung
gemacht wie andre, das dem, der sich nächtelang auf seinem Lager wälzt, unfehlbar
in der Kälte des Morgens gerade die kühle halbe Stunde vor Sonnenaufgang,
den Schlaf bringt. Auch den sorgenvoll Wachestcn wehen die frischen Lüfte in
Schlummer, die der aufgehenden Sonne vorauseilen.

Der Regen erkaltet den Marschierenden das Herz und erschlafft die Muskeln,
die Lasten wachsen, die wir tragen, jedes Kleidungsstück, das wir anhaben, jede
Brotkrume im Proviantbeutel wird zum Schwamm, der sich vollsangt. Unwillkürlich
vergleicht man sich mit dem Esel der Fabel, der sich mit einer Ladung Schwämme
im Bache niederließ und nicht mehr aufstehn konnte. O wäre ich doch der tingere
Esel, der es mit der Salzladung so machte! Aber ich fühle, wie ich immer schwerer
werde, trotzdem daß Regenbäche aus Rock und Hosen rinnen, und jede Naht ein
Tal geworden ist, das seinen eignen Bach beherbergt. Oft habe ich in Friedens¬
zeiten der Poesie des Regenwetters das Wort gesprochen, und als behaglicher
Wandrer freute ich mich des Netzes aus Wasserfäden, das die regnende Wolke quer
über das Tal vom Himmel bis zum Boden spannte. Auch heute hüllt mich das
Netz des Regens mit tausend Fäden ein, aber ich komme mir wie gefangen darin
vor, und es flicht sich für jedes Gewebe, das ich durchschreite, ein neues um mich
her. Durch die ganze lange Marschkolonne geht dieses Gefühl des Ankämpfens
gegen das Nasse, das gegen uns prallt, uns umschlingt und umschlängelt, anfeuchtet
und abkühlt. Mein Unteroffizier geht noch immer aufrecht, während fast alle den
Kopf vorstrecken, als wollten sie dem Regen entgehn, der nur um so dichter in die
Lücke zwischen Hals und Binde regnet; er ist auch hier wieder der, der das er¬
lösende Wort findet: Jetzt sieht man erst, was für ein Vergnügen es sonst war,
in der freien Luft zu marschieren; daß mir morgen keiner über Staub jammert,
wenn der Regen aufgehört hat, und wir vierzig Kilometer zurücklegen! Auch stellt
er Betrachtungen an über den Unterschied des Gefühls, das die Flüssigkeit hervor¬
ruft, die man vorn hinter die Binde gießt, und dem des Regenwassers, das von
rückwärts seinen Weg hinter die Binde findet. Er fand diesesmal keinen Anklang,
denn wenn man den Mund zum Lachen öffnen wollte, floß oder regnete eben dieses
geschmacklose Wasser hinein.

Dem Wasser sind wir überhaupt nicht Freund. Als Regen verdirbt es uus
nicht sofort den Humor, aber die Uniform geht aus der „Feuwr," und haupt¬
sächlich schadet es dem Gewehr. Auf Regen folgt nicht bloß der Sonnenschein,
sondern viel sicherer der Putztag und die gefürchtete Gewehrvisitation. Der Kampf
mit dem Rost fällt dem gewehrtragenden Soldaten fast so schwer wie der mit dem
Feind und ist oft nicht so erfolgreich. Deswegen verglich der Unteroffizier Reiske
in einer seiner Abendbetrachtungen den Büchsenmacher, als Führer im Kampfe mit
dem Roste, mit den Göttern; auch er kämpft gegen das Schicksal, kriegt es aber nicht
unter, und der Rost ist nichts als die Zeit, die alles annage und zerfrißt, am meisten
den Stahl, dessen grauer Glanz im Gewehrlauf der Stolz des guten Soldaten ist.

Aus fortgesetzten Betrachtungen dieses und andrer Philosophen in Uniform
ergab sich aber auch, daß der Nutzen des Wassers im Kriege ist, daß der Soldat
sich hineinlegt, wenn er biwakiert, denn es macht die Erde weicher; wird diese
aber zu weich, und schlägt überhaupt das Gefühl der Nässe durch, dann schleppt
man Steine herbei, einen für den Kopf, einen für den Rücken, einen für die
Füße. Steine sind immer hart, aber unser Gefühl für ihre Härte ist nicht immer
dasselbe, und es wird die Behauptung gewagt, daß rundliche Steine, die trocken
sind, sogar den Eindruck einer gewissen Weichheit machen, die man vielleicht besser
als Molligkeit bezeichnen würde. Sobald man aber Wasser in den Körper ge¬
langen läßt, vnIZo trinkt, wird das Gefühl für die äußere Nässe verstärkt, denn


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[0053] Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege falls Funken stieben, Geschichten, für deren Schauer oder Unmöglichkeit der Tag zu licht wäre. Daß uns die Sorge nicht einschlafen ließ, ist uns durch die Siege erspart worden. Heimweh dagegen, das ist leider allenthalben ein starkes Mittel zum Wachhalten! Ich könnte davon erzählen, habe aber auch dieselbe Erfahrung gemacht wie andre, das dem, der sich nächtelang auf seinem Lager wälzt, unfehlbar in der Kälte des Morgens gerade die kühle halbe Stunde vor Sonnenaufgang, den Schlaf bringt. Auch den sorgenvoll Wachestcn wehen die frischen Lüfte in Schlummer, die der aufgehenden Sonne vorauseilen. Der Regen erkaltet den Marschierenden das Herz und erschlafft die Muskeln, die Lasten wachsen, die wir tragen, jedes Kleidungsstück, das wir anhaben, jede Brotkrume im Proviantbeutel wird zum Schwamm, der sich vollsangt. Unwillkürlich vergleicht man sich mit dem Esel der Fabel, der sich mit einer Ladung Schwämme im Bache niederließ und nicht mehr aufstehn konnte. O wäre ich doch der tingere Esel, der es mit der Salzladung so machte! Aber ich fühle, wie ich immer schwerer werde, trotzdem daß Regenbäche aus Rock und Hosen rinnen, und jede Naht ein Tal geworden ist, das seinen eignen Bach beherbergt. Oft habe ich in Friedens¬ zeiten der Poesie des Regenwetters das Wort gesprochen, und als behaglicher Wandrer freute ich mich des Netzes aus Wasserfäden, das die regnende Wolke quer über das Tal vom Himmel bis zum Boden spannte. Auch heute hüllt mich das Netz des Regens mit tausend Fäden ein, aber ich komme mir wie gefangen darin vor, und es flicht sich für jedes Gewebe, das ich durchschreite, ein neues um mich her. Durch die ganze lange Marschkolonne geht dieses Gefühl des Ankämpfens gegen das Nasse, das gegen uns prallt, uns umschlingt und umschlängelt, anfeuchtet und abkühlt. Mein Unteroffizier geht noch immer aufrecht, während fast alle den Kopf vorstrecken, als wollten sie dem Regen entgehn, der nur um so dichter in die Lücke zwischen Hals und Binde regnet; er ist auch hier wieder der, der das er¬ lösende Wort findet: Jetzt sieht man erst, was für ein Vergnügen es sonst war, in der freien Luft zu marschieren; daß mir morgen keiner über Staub jammert, wenn der Regen aufgehört hat, und wir vierzig Kilometer zurücklegen! Auch stellt er Betrachtungen an über den Unterschied des Gefühls, das die Flüssigkeit hervor¬ ruft, die man vorn hinter die Binde gießt, und dem des Regenwassers, das von rückwärts seinen Weg hinter die Binde findet. Er fand diesesmal keinen Anklang, denn wenn man den Mund zum Lachen öffnen wollte, floß oder regnete eben dieses geschmacklose Wasser hinein. Dem Wasser sind wir überhaupt nicht Freund. Als Regen verdirbt es uus nicht sofort den Humor, aber die Uniform geht aus der „Feuwr," und haupt¬ sächlich schadet es dem Gewehr. Auf Regen folgt nicht bloß der Sonnenschein, sondern viel sicherer der Putztag und die gefürchtete Gewehrvisitation. Der Kampf mit dem Rost fällt dem gewehrtragenden Soldaten fast so schwer wie der mit dem Feind und ist oft nicht so erfolgreich. Deswegen verglich der Unteroffizier Reiske in einer seiner Abendbetrachtungen den Büchsenmacher, als Führer im Kampfe mit dem Roste, mit den Göttern; auch er kämpft gegen das Schicksal, kriegt es aber nicht unter, und der Rost ist nichts als die Zeit, die alles annage und zerfrißt, am meisten den Stahl, dessen grauer Glanz im Gewehrlauf der Stolz des guten Soldaten ist. Aus fortgesetzten Betrachtungen dieses und andrer Philosophen in Uniform ergab sich aber auch, daß der Nutzen des Wassers im Kriege ist, daß der Soldat sich hineinlegt, wenn er biwakiert, denn es macht die Erde weicher; wird diese aber zu weich, und schlägt überhaupt das Gefühl der Nässe durch, dann schleppt man Steine herbei, einen für den Kopf, einen für den Rücken, einen für die Füße. Steine sind immer hart, aber unser Gefühl für ihre Härte ist nicht immer dasselbe, und es wird die Behauptung gewagt, daß rundliche Steine, die trocken sind, sogar den Eindruck einer gewissen Weichheit machen, die man vielleicht besser als Molligkeit bezeichnen würde. Sobald man aber Wasser in den Körper ge¬ langen läßt, vnIZo trinkt, wird das Gefühl für die äußere Nässe verstärkt, denn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/53>, abgerufen am 23.07.2024.