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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Zum Andenken

Königin Maria da Gloria und durch diese der Enkelin des Kaisers von
Brasilien, mit dem zweitgebornen Sohne des sächsischen Königs für keine
glänzende Partie. Nach dem Dafürhalten der Portugiesen, die, wie die Spanier,
ihren Adel für weit über dem andrer Länder erhaben ansehen, wäre ein kaiser¬
licher Kronprinz, wenn es einen solchen in heiratsfähigem Alter und von
katholischem Glauben gegeben hätte, für eine Prinzessin von Braganza-Bourbon
gerade gut genug gewesen. Aber die Königin von England, die politisch und
als nahe Verwandte Don Ferdinandos, des Vaters der Prinzessin, eines
Koburgs, in Lissabon großen Einfluß hatte, war den Wünschen des Prinzen
gewogen: sein persönliches Erscheinen am portugiesischen Hofe hatte über jedes
Vorurteil gesiegt, und der sächsische Gesandte in London, Graf Vitzthum, konnte
die Vermählungskompaktate in einer beide Teile zufriedenstellender Weise in
Lissabon abschließen.

Von portugiesischer Seite hatte man den Herzog von Oporto, den spätern
König Dom Luiz, mit einem Kriegsschiffe nach Southampton geschickt, auf dem
der Prinz die Fahrt nach Lissabon machte, wo am 11. Mai 1859 die Vermählung
des jungen Paares durch den Kardinal-Patriarchen vollzogen wurde, und von
wo sich dieses erst an den Hof der Königin Viktoria, dann an den belgischen
zu kurzen Besuchen begab. In Sachsen wurde die Prinzessin mit doppeltem
Jubel begrüßt, weil ihr Wesen und ihre Erscheinung ganz die einer Deutschen
waren. So hat sie denn auch nahezu fünfundzwanzig Jahre in unermüdlicher,
aufopfernder Liebe für die Ihrigen gesorgt und mit ihrem Gemahl ein
patriarchalisch inniges und herzliches Familienglück genossen, bis sie am
5. Februar 1884, wenig Wochen vor dem Tage, an dem das prinzliche Ehe¬
paar seine silberne Hochzeit zu feiern hoffte, einem nervösen Fieber erlag, das
sie sich wahrscheinlich am Krankenbett eines ihrer Kinder bei dessen Pflege
zugezogen hatte. Der Prinz hatte sich im Jahre 1859 bei seiner Rückkehr
aus Lissabon für den ersten Besuch seiner jungen Frau im Dresdner Hof¬
theater von seinem Vater die Aufführung des Shakespearischen Sommernachts¬
traums erbeten, die denn auch vor einem festlich geschmückten Hause (ttMtro
xg,rö) mit möglichstem Glänze vor sich ging. In der großen Hauptsache sind
ja die mit Oberon und Titania am Schlüsse des Stücks erschienenen Elfen
den ihnen vom Herrscher gegebnen Weisungen nachgekommen:

Führt nun bis zur Morgenstunde,
Elben, durch ihr Haus die Runde!
Winkt zum schönsten Brautbett hin
Eures Segens Vollgewinn,
Daß der Stamm, der hier entsprieße,
Immer Glück und Heil genieße,
Auch sich bei dem jungen Paare
Lieb und Treue stets bewahre.

Tropfen edlen Wiesentaus,
Elben, sprengt durchs ganze Haus:
Jedes Zimmer im Gebäude
Weise dem Frieden, weiht der Freude!

Zum Andenken

Königin Maria da Gloria und durch diese der Enkelin des Kaisers von
Brasilien, mit dem zweitgebornen Sohne des sächsischen Königs für keine
glänzende Partie. Nach dem Dafürhalten der Portugiesen, die, wie die Spanier,
ihren Adel für weit über dem andrer Länder erhaben ansehen, wäre ein kaiser¬
licher Kronprinz, wenn es einen solchen in heiratsfähigem Alter und von
katholischem Glauben gegeben hätte, für eine Prinzessin von Braganza-Bourbon
gerade gut genug gewesen. Aber die Königin von England, die politisch und
als nahe Verwandte Don Ferdinandos, des Vaters der Prinzessin, eines
Koburgs, in Lissabon großen Einfluß hatte, war den Wünschen des Prinzen
gewogen: sein persönliches Erscheinen am portugiesischen Hofe hatte über jedes
Vorurteil gesiegt, und der sächsische Gesandte in London, Graf Vitzthum, konnte
die Vermählungskompaktate in einer beide Teile zufriedenstellender Weise in
Lissabon abschließen.

Von portugiesischer Seite hatte man den Herzog von Oporto, den spätern
König Dom Luiz, mit einem Kriegsschiffe nach Southampton geschickt, auf dem
der Prinz die Fahrt nach Lissabon machte, wo am 11. Mai 1859 die Vermählung
des jungen Paares durch den Kardinal-Patriarchen vollzogen wurde, und von
wo sich dieses erst an den Hof der Königin Viktoria, dann an den belgischen
zu kurzen Besuchen begab. In Sachsen wurde die Prinzessin mit doppeltem
Jubel begrüßt, weil ihr Wesen und ihre Erscheinung ganz die einer Deutschen
waren. So hat sie denn auch nahezu fünfundzwanzig Jahre in unermüdlicher,
aufopfernder Liebe für die Ihrigen gesorgt und mit ihrem Gemahl ein
patriarchalisch inniges und herzliches Familienglück genossen, bis sie am
5. Februar 1884, wenig Wochen vor dem Tage, an dem das prinzliche Ehe¬
paar seine silberne Hochzeit zu feiern hoffte, einem nervösen Fieber erlag, das
sie sich wahrscheinlich am Krankenbett eines ihrer Kinder bei dessen Pflege
zugezogen hatte. Der Prinz hatte sich im Jahre 1859 bei seiner Rückkehr
aus Lissabon für den ersten Besuch seiner jungen Frau im Dresdner Hof¬
theater von seinem Vater die Aufführung des Shakespearischen Sommernachts¬
traums erbeten, die denn auch vor einem festlich geschmückten Hause (ttMtro
xg,rö) mit möglichstem Glänze vor sich ging. In der großen Hauptsache sind
ja die mit Oberon und Titania am Schlüsse des Stücks erschienenen Elfen
den ihnen vom Herrscher gegebnen Weisungen nachgekommen:

Führt nun bis zur Morgenstunde,
Elben, durch ihr Haus die Runde!
Winkt zum schönsten Brautbett hin
Eures Segens Vollgewinn,
Daß der Stamm, der hier entsprieße,
Immer Glück und Heil genieße,
Auch sich bei dem jungen Paare
Lieb und Treue stets bewahre.

Tropfen edlen Wiesentaus,
Elben, sprengt durchs ganze Haus:
Jedes Zimmer im Gebäude
Weise dem Frieden, weiht der Freude!

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[0484] Zum Andenken Königin Maria da Gloria und durch diese der Enkelin des Kaisers von Brasilien, mit dem zweitgebornen Sohne des sächsischen Königs für keine glänzende Partie. Nach dem Dafürhalten der Portugiesen, die, wie die Spanier, ihren Adel für weit über dem andrer Länder erhaben ansehen, wäre ein kaiser¬ licher Kronprinz, wenn es einen solchen in heiratsfähigem Alter und von katholischem Glauben gegeben hätte, für eine Prinzessin von Braganza-Bourbon gerade gut genug gewesen. Aber die Königin von England, die politisch und als nahe Verwandte Don Ferdinandos, des Vaters der Prinzessin, eines Koburgs, in Lissabon großen Einfluß hatte, war den Wünschen des Prinzen gewogen: sein persönliches Erscheinen am portugiesischen Hofe hatte über jedes Vorurteil gesiegt, und der sächsische Gesandte in London, Graf Vitzthum, konnte die Vermählungskompaktate in einer beide Teile zufriedenstellender Weise in Lissabon abschließen. Von portugiesischer Seite hatte man den Herzog von Oporto, den spätern König Dom Luiz, mit einem Kriegsschiffe nach Southampton geschickt, auf dem der Prinz die Fahrt nach Lissabon machte, wo am 11. Mai 1859 die Vermählung des jungen Paares durch den Kardinal-Patriarchen vollzogen wurde, und von wo sich dieses erst an den Hof der Königin Viktoria, dann an den belgischen zu kurzen Besuchen begab. In Sachsen wurde die Prinzessin mit doppeltem Jubel begrüßt, weil ihr Wesen und ihre Erscheinung ganz die einer Deutschen waren. So hat sie denn auch nahezu fünfundzwanzig Jahre in unermüdlicher, aufopfernder Liebe für die Ihrigen gesorgt und mit ihrem Gemahl ein patriarchalisch inniges und herzliches Familienglück genossen, bis sie am 5. Februar 1884, wenig Wochen vor dem Tage, an dem das prinzliche Ehe¬ paar seine silberne Hochzeit zu feiern hoffte, einem nervösen Fieber erlag, das sie sich wahrscheinlich am Krankenbett eines ihrer Kinder bei dessen Pflege zugezogen hatte. Der Prinz hatte sich im Jahre 1859 bei seiner Rückkehr aus Lissabon für den ersten Besuch seiner jungen Frau im Dresdner Hof¬ theater von seinem Vater die Aufführung des Shakespearischen Sommernachts¬ traums erbeten, die denn auch vor einem festlich geschmückten Hause (ttMtro xg,rö) mit möglichstem Glänze vor sich ging. In der großen Hauptsache sind ja die mit Oberon und Titania am Schlüsse des Stücks erschienenen Elfen den ihnen vom Herrscher gegebnen Weisungen nachgekommen: Führt nun bis zur Morgenstunde, Elben, durch ihr Haus die Runde! Winkt zum schönsten Brautbett hin Eures Segens Vollgewinn, Daß der Stamm, der hier entsprieße, Immer Glück und Heil genieße, Auch sich bei dem jungen Paare Lieb und Treue stets bewahre. Tropfen edlen Wiesentaus, Elben, sprengt durchs ganze Haus: Jedes Zimmer im Gebäude Weise dem Frieden, weiht der Freude!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/484>, abgerufen am 23.12.2024.