Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum Andenken

Die Jahre 1859 bis 1884 sind für den Prinzen voll stillen, meist zurück¬
gezognen und bescheidnen, von ihm und seiner Gattin mit täglich erneutem
Danke für die Gaben der Vorsehung hingenommnen Glücks gewesen. Ganz
freilich hatte der Elfensegen die Heimsuchungen, von denen fast jede zahlreiche
Familie betroffen wird, dem prinzlichen Paare nicht ersparen können: zwei
Kinder wurden ihm in zartem Alter durch den Tod entrissen, aber dafür umgab
die glücklichen Eltern ein blühender Kranz von vier Prinzen und zwei
Prinzessinnen, dem seitdem nur eine Blüte entfallen ist: durch den Tod des
allgemein beliebten jugendfrischem Prinzen Albert.

Das zum Vermögensbestande der sogenannten Seknndogenitur gehörende
Prinz Maxsche Palais auf der Langen Gasse -- jetzt heißt sie Zinzendorfer-
straße -- war für das junge Ehepaar als Wohnung ausersehen worden.
König Johann, der als Prinz der Vorgänger seines Sohnes in der Seknndogenitur
war und im Winter im Palais am Taschenberge, im Sommer in Janishausen,
Weesenstein oder Pillnitz residierte, hat das Maxsche Palais, das in einem
Grundstück steht, das seinerzeit dem Gründer der Herrnhuter Gemeinde gehörte,
wohl wenig oder gar nicht bewohnt. Es mußte, che es 18S9 von dem jungen
Paare bezogen werden konnte, völlig umgestaltet und neu eingerichtet werden.
Diese Umgestaltung und Neueinrichtung war zwar mit vielem Geschmack und
großem Verständnis geschehen, aber dem einen Fehler, daß die Gartenanlagen
von einem nur träge dahinschleichenden Gewässer durchflossen wurden, und daß
sich zeitweise schädliche Grundwasserausdünstungen einstellten, hatte nicht ge¬
nügend abgeholfen werden können. Kurz vor der Ankunft des neuvermählten
Paares hatte man in den untern Räumen mit dem Schwämme zu kämpfen
gehabt, und noch nach Jahren wurden die Erkrankungen, die dem Tode der
Prinzessin vorausgingen, ebenfalls gesundheitsgefährlichen Bodenausdünstungen
zugeschrieben.

Bei den glänzenden und mit feinen? Verständnis veranstalteten Festen,
die das prinzliche Paar im Winter der Dresdner Gesellschaft zu geben pflegte,
merkte man davon freilich nichts. Der Umstand, daß die Zahl der Geladnen
die mit vornehmem Geschmack ausgestatteten Rünme immer nur mäßig füllte,
zeichnete die Bälle auf der Langen Gasse vor vielen andern aus, und man
fühlte sich auf ihnen wie auf einem sehr eleganten Familienballe ganz besonders
behaglich. Der Prinz und die Prinzessin haben das Palais mit geringen
Unterbrechungen, wie sie dnrch kurze Reisen im Ausland, durch Besuche bei
Verwandten, eine Zeit lang durch einen alljährlichen Sommeraufenthalt in
Schieritz und durch die beiden Feldzüge von 1866 und 1870 herbeigeführt
wurden, bewohnt, und erst als der Prinz in den sechziger Jahren eine Villa
in Hosterwitz gekauft hatte, war dadurch für ihn und seine Familie ein Sommer¬
aufenthalt gewonnen, von dem aus er die Residenz ohne Zeitverlust erreichen
konnte. Wie bescheiden bürgerlich diese Villa in den ersten Jahren noch war,
ergibt sich unter anderm auch aus dem Umstände, daß sie für die diensttuenden
Kavaliere schlechterdings keinen Raum hatte, und daß man die Herren quer
über die Straße weg im ersten Stock eines kleinen Bäckerhauses hatte unter¬
bringen müssen.


Grenzboten I 1905 63
Zum Andenken

Die Jahre 1859 bis 1884 sind für den Prinzen voll stillen, meist zurück¬
gezognen und bescheidnen, von ihm und seiner Gattin mit täglich erneutem
Danke für die Gaben der Vorsehung hingenommnen Glücks gewesen. Ganz
freilich hatte der Elfensegen die Heimsuchungen, von denen fast jede zahlreiche
Familie betroffen wird, dem prinzlichen Paare nicht ersparen können: zwei
Kinder wurden ihm in zartem Alter durch den Tod entrissen, aber dafür umgab
die glücklichen Eltern ein blühender Kranz von vier Prinzen und zwei
Prinzessinnen, dem seitdem nur eine Blüte entfallen ist: durch den Tod des
allgemein beliebten jugendfrischem Prinzen Albert.

Das zum Vermögensbestande der sogenannten Seknndogenitur gehörende
Prinz Maxsche Palais auf der Langen Gasse — jetzt heißt sie Zinzendorfer-
straße — war für das junge Ehepaar als Wohnung ausersehen worden.
König Johann, der als Prinz der Vorgänger seines Sohnes in der Seknndogenitur
war und im Winter im Palais am Taschenberge, im Sommer in Janishausen,
Weesenstein oder Pillnitz residierte, hat das Maxsche Palais, das in einem
Grundstück steht, das seinerzeit dem Gründer der Herrnhuter Gemeinde gehörte,
wohl wenig oder gar nicht bewohnt. Es mußte, che es 18S9 von dem jungen
Paare bezogen werden konnte, völlig umgestaltet und neu eingerichtet werden.
Diese Umgestaltung und Neueinrichtung war zwar mit vielem Geschmack und
großem Verständnis geschehen, aber dem einen Fehler, daß die Gartenanlagen
von einem nur träge dahinschleichenden Gewässer durchflossen wurden, und daß
sich zeitweise schädliche Grundwasserausdünstungen einstellten, hatte nicht ge¬
nügend abgeholfen werden können. Kurz vor der Ankunft des neuvermählten
Paares hatte man in den untern Räumen mit dem Schwämme zu kämpfen
gehabt, und noch nach Jahren wurden die Erkrankungen, die dem Tode der
Prinzessin vorausgingen, ebenfalls gesundheitsgefährlichen Bodenausdünstungen
zugeschrieben.

Bei den glänzenden und mit feinen? Verständnis veranstalteten Festen,
die das prinzliche Paar im Winter der Dresdner Gesellschaft zu geben pflegte,
merkte man davon freilich nichts. Der Umstand, daß die Zahl der Geladnen
die mit vornehmem Geschmack ausgestatteten Rünme immer nur mäßig füllte,
zeichnete die Bälle auf der Langen Gasse vor vielen andern aus, und man
fühlte sich auf ihnen wie auf einem sehr eleganten Familienballe ganz besonders
behaglich. Der Prinz und die Prinzessin haben das Palais mit geringen
Unterbrechungen, wie sie dnrch kurze Reisen im Ausland, durch Besuche bei
Verwandten, eine Zeit lang durch einen alljährlichen Sommeraufenthalt in
Schieritz und durch die beiden Feldzüge von 1866 und 1870 herbeigeführt
wurden, bewohnt, und erst als der Prinz in den sechziger Jahren eine Villa
in Hosterwitz gekauft hatte, war dadurch für ihn und seine Familie ein Sommer¬
aufenthalt gewonnen, von dem aus er die Residenz ohne Zeitverlust erreichen
konnte. Wie bescheiden bürgerlich diese Villa in den ersten Jahren noch war,
ergibt sich unter anderm auch aus dem Umstände, daß sie für die diensttuenden
Kavaliere schlechterdings keinen Raum hatte, und daß man die Herren quer
über die Straße weg im ersten Stock eines kleinen Bäckerhauses hatte unter¬
bringen müssen.


Grenzboten I 1905 63
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87963"/>
          <fw type="header" place="top"> Zum Andenken</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2116"> Die Jahre 1859 bis 1884 sind für den Prinzen voll stillen, meist zurück¬<lb/>
gezognen und bescheidnen, von ihm und seiner Gattin mit täglich erneutem<lb/>
Danke für die Gaben der Vorsehung hingenommnen Glücks gewesen. Ganz<lb/>
freilich hatte der Elfensegen die Heimsuchungen, von denen fast jede zahlreiche<lb/>
Familie betroffen wird, dem prinzlichen Paare nicht ersparen können: zwei<lb/>
Kinder wurden ihm in zartem Alter durch den Tod entrissen, aber dafür umgab<lb/>
die glücklichen Eltern ein blühender Kranz von vier Prinzen und zwei<lb/>
Prinzessinnen, dem seitdem nur eine Blüte entfallen ist: durch den Tod des<lb/>
allgemein beliebten jugendfrischem Prinzen Albert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2117"> Das zum Vermögensbestande der sogenannten Seknndogenitur gehörende<lb/>
Prinz Maxsche Palais auf der Langen Gasse &#x2014; jetzt heißt sie Zinzendorfer-<lb/>
straße &#x2014; war für das junge Ehepaar als Wohnung ausersehen worden.<lb/>
König Johann, der als Prinz der Vorgänger seines Sohnes in der Seknndogenitur<lb/>
war und im Winter im Palais am Taschenberge, im Sommer in Janishausen,<lb/>
Weesenstein oder Pillnitz residierte, hat das Maxsche Palais, das in einem<lb/>
Grundstück steht, das seinerzeit dem Gründer der Herrnhuter Gemeinde gehörte,<lb/>
wohl wenig oder gar nicht bewohnt. Es mußte, che es 18S9 von dem jungen<lb/>
Paare bezogen werden konnte, völlig umgestaltet und neu eingerichtet werden.<lb/>
Diese Umgestaltung und Neueinrichtung war zwar mit vielem Geschmack und<lb/>
großem Verständnis geschehen, aber dem einen Fehler, daß die Gartenanlagen<lb/>
von einem nur träge dahinschleichenden Gewässer durchflossen wurden, und daß<lb/>
sich zeitweise schädliche Grundwasserausdünstungen einstellten, hatte nicht ge¬<lb/>
nügend abgeholfen werden können. Kurz vor der Ankunft des neuvermählten<lb/>
Paares hatte man in den untern Räumen mit dem Schwämme zu kämpfen<lb/>
gehabt, und noch nach Jahren wurden die Erkrankungen, die dem Tode der<lb/>
Prinzessin vorausgingen, ebenfalls gesundheitsgefährlichen Bodenausdünstungen<lb/>
zugeschrieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2118"> Bei den glänzenden und mit feinen? Verständnis veranstalteten Festen,<lb/>
die das prinzliche Paar im Winter der Dresdner Gesellschaft zu geben pflegte,<lb/>
merkte man davon freilich nichts. Der Umstand, daß die Zahl der Geladnen<lb/>
die mit vornehmem Geschmack ausgestatteten Rünme immer nur mäßig füllte,<lb/>
zeichnete die Bälle auf der Langen Gasse vor vielen andern aus, und man<lb/>
fühlte sich auf ihnen wie auf einem sehr eleganten Familienballe ganz besonders<lb/>
behaglich. Der Prinz und die Prinzessin haben das Palais mit geringen<lb/>
Unterbrechungen, wie sie dnrch kurze Reisen im Ausland, durch Besuche bei<lb/>
Verwandten, eine Zeit lang durch einen alljährlichen Sommeraufenthalt in<lb/>
Schieritz und durch die beiden Feldzüge von 1866 und 1870 herbeigeführt<lb/>
wurden, bewohnt, und erst als der Prinz in den sechziger Jahren eine Villa<lb/>
in Hosterwitz gekauft hatte, war dadurch für ihn und seine Familie ein Sommer¬<lb/>
aufenthalt gewonnen, von dem aus er die Residenz ohne Zeitverlust erreichen<lb/>
konnte. Wie bescheiden bürgerlich diese Villa in den ersten Jahren noch war,<lb/>
ergibt sich unter anderm auch aus dem Umstände, daß sie für die diensttuenden<lb/>
Kavaliere schlechterdings keinen Raum hatte, und daß man die Herren quer<lb/>
über die Straße weg im ersten Stock eines kleinen Bäckerhauses hatte unter¬<lb/>
bringen müssen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1905 63</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485] Zum Andenken Die Jahre 1859 bis 1884 sind für den Prinzen voll stillen, meist zurück¬ gezognen und bescheidnen, von ihm und seiner Gattin mit täglich erneutem Danke für die Gaben der Vorsehung hingenommnen Glücks gewesen. Ganz freilich hatte der Elfensegen die Heimsuchungen, von denen fast jede zahlreiche Familie betroffen wird, dem prinzlichen Paare nicht ersparen können: zwei Kinder wurden ihm in zartem Alter durch den Tod entrissen, aber dafür umgab die glücklichen Eltern ein blühender Kranz von vier Prinzen und zwei Prinzessinnen, dem seitdem nur eine Blüte entfallen ist: durch den Tod des allgemein beliebten jugendfrischem Prinzen Albert. Das zum Vermögensbestande der sogenannten Seknndogenitur gehörende Prinz Maxsche Palais auf der Langen Gasse — jetzt heißt sie Zinzendorfer- straße — war für das junge Ehepaar als Wohnung ausersehen worden. König Johann, der als Prinz der Vorgänger seines Sohnes in der Seknndogenitur war und im Winter im Palais am Taschenberge, im Sommer in Janishausen, Weesenstein oder Pillnitz residierte, hat das Maxsche Palais, das in einem Grundstück steht, das seinerzeit dem Gründer der Herrnhuter Gemeinde gehörte, wohl wenig oder gar nicht bewohnt. Es mußte, che es 18S9 von dem jungen Paare bezogen werden konnte, völlig umgestaltet und neu eingerichtet werden. Diese Umgestaltung und Neueinrichtung war zwar mit vielem Geschmack und großem Verständnis geschehen, aber dem einen Fehler, daß die Gartenanlagen von einem nur träge dahinschleichenden Gewässer durchflossen wurden, und daß sich zeitweise schädliche Grundwasserausdünstungen einstellten, hatte nicht ge¬ nügend abgeholfen werden können. Kurz vor der Ankunft des neuvermählten Paares hatte man in den untern Räumen mit dem Schwämme zu kämpfen gehabt, und noch nach Jahren wurden die Erkrankungen, die dem Tode der Prinzessin vorausgingen, ebenfalls gesundheitsgefährlichen Bodenausdünstungen zugeschrieben. Bei den glänzenden und mit feinen? Verständnis veranstalteten Festen, die das prinzliche Paar im Winter der Dresdner Gesellschaft zu geben pflegte, merkte man davon freilich nichts. Der Umstand, daß die Zahl der Geladnen die mit vornehmem Geschmack ausgestatteten Rünme immer nur mäßig füllte, zeichnete die Bälle auf der Langen Gasse vor vielen andern aus, und man fühlte sich auf ihnen wie auf einem sehr eleganten Familienballe ganz besonders behaglich. Der Prinz und die Prinzessin haben das Palais mit geringen Unterbrechungen, wie sie dnrch kurze Reisen im Ausland, durch Besuche bei Verwandten, eine Zeit lang durch einen alljährlichen Sommeraufenthalt in Schieritz und durch die beiden Feldzüge von 1866 und 1870 herbeigeführt wurden, bewohnt, und erst als der Prinz in den sechziger Jahren eine Villa in Hosterwitz gekauft hatte, war dadurch für ihn und seine Familie ein Sommer¬ aufenthalt gewonnen, von dem aus er die Residenz ohne Zeitverlust erreichen konnte. Wie bescheiden bürgerlich diese Villa in den ersten Jahren noch war, ergibt sich unter anderm auch aus dem Umstände, daß sie für die diensttuenden Kavaliere schlechterdings keinen Raum hatte, und daß man die Herren quer über die Straße weg im ersten Stock eines kleinen Bäckerhauses hatte unter¬ bringen müssen. Grenzboten I 1905 63

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/485
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/485>, abgerufen am 23.12.2024.