Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Li" Brief aus trüber Zeit

sammeln. Die Vorwerke ließ ich durch reitende Boten bestellen, ebenso die deutschen
Bauerngemeinden. Als die Boten abrückten, trat ich an den Schrank mit meinen
Waffen, hing die Jagdtasche um, sah die Pistolen noch mal nach, steckte den Nick¬
fänger zu mir, zog aus meiner Etienner Doppelflinte das Schrot und setzte ein
Paar Kugeln in die Läufe. Da kam meine Frau, das Kleinste auf dem Arm, die
andern Kinder weinend an ihren Kleidern hängend, hereingestürzt. Sie warf sich
vor mir nieder, die Kinder umfaßten mir die Knie und baten mich, von meinem
Vorhaben abzustehen. Es war ein entsetzlicher Moment -- ich küßte sie und bat
sie, nicht auf den Hof zu kommen, das Hans zu verriegeln, und empfahl sie dem
Schutze des Allgütiger Gottes. Noch einmal küßte ich ein Jedes, und dann in
Einem Sprunge zur Thür hinaus auf die Rampe. Mit starker Stimme rief ich
drei mal meine Leute. Aus allen Thoren stürzten sie herbei, bald war Alles mit
Sensen, Gabeln und Äxten bewaffnet und viele auch mit Flinten! aus der Stadt
kamen 12 mit Büchsen. Es war eine kleine Schaar, aber ich fühlte eine Armee
in meinem Arm. -- Eben hatte ich meine Truppen geordnet, als ein Abgesandter
mit Friedensanträgen vom polnischen General eintraf, indeß ich ließ ihm zurück¬
sagen, er möge sich sofort mit seiner ganzen Mannschaft aus der Stadt begeben --
sonst würde ich ihn angreifen. Hierauf bekam ich eine entsetzliche Kriegserklärung,
unterschrieben vom General Garadschinsky. Ich ließ antreten, mit mir waren es
Wohl an 20 Schützen und 40 mit Knüppeln. Ich formierte 3 Züge, den Schützen¬
zug nahm ich vor und marschirte vor dem Zug rechts seitwärts; mein lautschallendes
Kommando kam aus muthiger Brust und wirkte belebend auf meine Tapfern, die
mit festem Schritt mir folgten. -- An der Marktecke stand ein Doppelposten von
Sensenmännern -- sie waren wie versteinert, als sie uns sahen. Ich kommandirte
ruhig: Rechtsschwenkt Marsch! und dabei gab ich dem Posten eine Ohrfeige, daß er
sammt seinem klirrenden Spieß über den Eckstein auf das Pflaster fiel und wie
ein Besessener davon lief. Ich formirte die Front, ging im Sturmschritt vor und
überrumpelte den Feind, der nicht Zeit gewinnen konnte, sich zu ordnen. Vier
Schuß wurden aus dem Fenster nach mir gerichtet -- aber fehlten. -- Die Insur¬
genten flohen bei unserm Hurra in wilder Flucht und warfen die Waffen fort;
einige bekamen noch tüchtige Hiebe! In diesem Gemenge schoß ein Schmied, dem
ich immer nur Gutes gethan, auf zwei Schritt nach mir; der Schuß ging mir an
Schulter und Kopf vorbei, ich erkannte das blasse, zitternde Gesicht und drehte mich
um mit der Frage: Wer hat hier geschossen? -- Sonst hätten ihn meine Leute
zerrissen.

Jetzt hörte ich Pferdegetrappel und glaubte schon, es seien die Polnischen
Edelleute mit neuem Zuzug, da erkannte ich die Stimme meines Jnspectors vom
Vorwerk Mlyny, des Herrn von Kleist. Er hatte Alles zu Pferde gesetzt und kam
an der Spitze von 40 Reitern die Straße nach dem Markte mit dem Rufe:
"Vorwärts Jungens" in hausender Carriere, alles vor sich niederwerfend, an. Ich
wollte eben das Haus stürmen, in dem die Polnische Generalität sich verrammelt
hatte; indem war Kleist auch schon vom Pferde gesprungen und warf sich mit
herkulischen Kräften gegen die Thür; sie sprang auf, und nun begann ein neuer
Kampf auf dem dunklen Flur; 4 Schuß fielen, ohne zu verwunden, und nur einige
schlimme Säbelhiebe kamen vor. --- Ein Herr von Welowiesky hatte von hinten
mir mit dem Säbel eins zugedacht; aber einer meiner Bravsten, der Tischler
Hempel, hatte mit der offenen Hand den Säbel abgefangen, dem Burschen ihn
aus der Hand gedreht und ihm mit dem Gefäß beide Augen braun und blau ge¬
schlagen, und es war grade Zeit, daß ich ihn davon abbrächte: "Das müssen Sie
mir schon erlauben, Herr Oberamtmann, den Hund schlagen wir todt." Es waren
8 Personen, die wir hier festnahmen; immer noch fehlte der General, und nach
langem Suchen fanden wir ihn durch die Brille in den Appartement gekrochen;
er saß bis an die Schultern im Koth -- nur durch viele schlechte Witze rettete ich
ihm das Leben. Unter den Gefangenen war auch ein Herr von Lubowieky, der


Li« Brief aus trüber Zeit

sammeln. Die Vorwerke ließ ich durch reitende Boten bestellen, ebenso die deutschen
Bauerngemeinden. Als die Boten abrückten, trat ich an den Schrank mit meinen
Waffen, hing die Jagdtasche um, sah die Pistolen noch mal nach, steckte den Nick¬
fänger zu mir, zog aus meiner Etienner Doppelflinte das Schrot und setzte ein
Paar Kugeln in die Läufe. Da kam meine Frau, das Kleinste auf dem Arm, die
andern Kinder weinend an ihren Kleidern hängend, hereingestürzt. Sie warf sich
vor mir nieder, die Kinder umfaßten mir die Knie und baten mich, von meinem
Vorhaben abzustehen. Es war ein entsetzlicher Moment — ich küßte sie und bat
sie, nicht auf den Hof zu kommen, das Hans zu verriegeln, und empfahl sie dem
Schutze des Allgütiger Gottes. Noch einmal küßte ich ein Jedes, und dann in
Einem Sprunge zur Thür hinaus auf die Rampe. Mit starker Stimme rief ich
drei mal meine Leute. Aus allen Thoren stürzten sie herbei, bald war Alles mit
Sensen, Gabeln und Äxten bewaffnet und viele auch mit Flinten! aus der Stadt
kamen 12 mit Büchsen. Es war eine kleine Schaar, aber ich fühlte eine Armee
in meinem Arm. — Eben hatte ich meine Truppen geordnet, als ein Abgesandter
mit Friedensanträgen vom polnischen General eintraf, indeß ich ließ ihm zurück¬
sagen, er möge sich sofort mit seiner ganzen Mannschaft aus der Stadt begeben —
sonst würde ich ihn angreifen. Hierauf bekam ich eine entsetzliche Kriegserklärung,
unterschrieben vom General Garadschinsky. Ich ließ antreten, mit mir waren es
Wohl an 20 Schützen und 40 mit Knüppeln. Ich formierte 3 Züge, den Schützen¬
zug nahm ich vor und marschirte vor dem Zug rechts seitwärts; mein lautschallendes
Kommando kam aus muthiger Brust und wirkte belebend auf meine Tapfern, die
mit festem Schritt mir folgten. — An der Marktecke stand ein Doppelposten von
Sensenmännern — sie waren wie versteinert, als sie uns sahen. Ich kommandirte
ruhig: Rechtsschwenkt Marsch! und dabei gab ich dem Posten eine Ohrfeige, daß er
sammt seinem klirrenden Spieß über den Eckstein auf das Pflaster fiel und wie
ein Besessener davon lief. Ich formirte die Front, ging im Sturmschritt vor und
überrumpelte den Feind, der nicht Zeit gewinnen konnte, sich zu ordnen. Vier
Schuß wurden aus dem Fenster nach mir gerichtet — aber fehlten. — Die Insur¬
genten flohen bei unserm Hurra in wilder Flucht und warfen die Waffen fort;
einige bekamen noch tüchtige Hiebe! In diesem Gemenge schoß ein Schmied, dem
ich immer nur Gutes gethan, auf zwei Schritt nach mir; der Schuß ging mir an
Schulter und Kopf vorbei, ich erkannte das blasse, zitternde Gesicht und drehte mich
um mit der Frage: Wer hat hier geschossen? — Sonst hätten ihn meine Leute
zerrissen.

Jetzt hörte ich Pferdegetrappel und glaubte schon, es seien die Polnischen
Edelleute mit neuem Zuzug, da erkannte ich die Stimme meines Jnspectors vom
Vorwerk Mlyny, des Herrn von Kleist. Er hatte Alles zu Pferde gesetzt und kam
an der Spitze von 40 Reitern die Straße nach dem Markte mit dem Rufe:
„Vorwärts Jungens" in hausender Carriere, alles vor sich niederwerfend, an. Ich
wollte eben das Haus stürmen, in dem die Polnische Generalität sich verrammelt
hatte; indem war Kleist auch schon vom Pferde gesprungen und warf sich mit
herkulischen Kräften gegen die Thür; sie sprang auf, und nun begann ein neuer
Kampf auf dem dunklen Flur; 4 Schuß fielen, ohne zu verwunden, und nur einige
schlimme Säbelhiebe kamen vor. —- Ein Herr von Welowiesky hatte von hinten
mir mit dem Säbel eins zugedacht; aber einer meiner Bravsten, der Tischler
Hempel, hatte mit der offenen Hand den Säbel abgefangen, dem Burschen ihn
aus der Hand gedreht und ihm mit dem Gefäß beide Augen braun und blau ge¬
schlagen, und es war grade Zeit, daß ich ihn davon abbrächte: „Das müssen Sie
mir schon erlauben, Herr Oberamtmann, den Hund schlagen wir todt." Es waren
8 Personen, die wir hier festnahmen; immer noch fehlte der General, und nach
langem Suchen fanden wir ihn durch die Brille in den Appartement gekrochen;
er saß bis an die Schultern im Koth — nur durch viele schlechte Witze rettete ich
ihm das Leben. Unter den Gefangenen war auch ein Herr von Lubowieky, der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87882"/>
          <fw type="header" place="top"> Li« Brief aus trüber Zeit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1713" prev="#ID_1712"> sammeln. Die Vorwerke ließ ich durch reitende Boten bestellen, ebenso die deutschen<lb/>
Bauerngemeinden. Als die Boten abrückten, trat ich an den Schrank mit meinen<lb/>
Waffen, hing die Jagdtasche um, sah die Pistolen noch mal nach, steckte den Nick¬<lb/>
fänger zu mir, zog aus meiner Etienner Doppelflinte das Schrot und setzte ein<lb/>
Paar Kugeln in die Läufe. Da kam meine Frau, das Kleinste auf dem Arm, die<lb/>
andern Kinder weinend an ihren Kleidern hängend, hereingestürzt. Sie warf sich<lb/>
vor mir nieder, die Kinder umfaßten mir die Knie und baten mich, von meinem<lb/>
Vorhaben abzustehen. Es war ein entsetzlicher Moment &#x2014; ich küßte sie und bat<lb/>
sie, nicht auf den Hof zu kommen, das Hans zu verriegeln, und empfahl sie dem<lb/>
Schutze des Allgütiger Gottes. Noch einmal küßte ich ein Jedes, und dann in<lb/>
Einem Sprunge zur Thür hinaus auf die Rampe. Mit starker Stimme rief ich<lb/>
drei mal meine Leute. Aus allen Thoren stürzten sie herbei, bald war Alles mit<lb/>
Sensen, Gabeln und Äxten bewaffnet und viele auch mit Flinten! aus der Stadt<lb/>
kamen 12 mit Büchsen. Es war eine kleine Schaar, aber ich fühlte eine Armee<lb/>
in meinem Arm. &#x2014; Eben hatte ich meine Truppen geordnet, als ein Abgesandter<lb/>
mit Friedensanträgen vom polnischen General eintraf, indeß ich ließ ihm zurück¬<lb/>
sagen, er möge sich sofort mit seiner ganzen Mannschaft aus der Stadt begeben &#x2014;<lb/>
sonst würde ich ihn angreifen. Hierauf bekam ich eine entsetzliche Kriegserklärung,<lb/>
unterschrieben vom General Garadschinsky. Ich ließ antreten, mit mir waren es<lb/>
Wohl an 20 Schützen und 40 mit Knüppeln. Ich formierte 3 Züge, den Schützen¬<lb/>
zug nahm ich vor und marschirte vor dem Zug rechts seitwärts; mein lautschallendes<lb/>
Kommando kam aus muthiger Brust und wirkte belebend auf meine Tapfern, die<lb/>
mit festem Schritt mir folgten. &#x2014; An der Marktecke stand ein Doppelposten von<lb/>
Sensenmännern &#x2014; sie waren wie versteinert, als sie uns sahen. Ich kommandirte<lb/>
ruhig: Rechtsschwenkt Marsch! und dabei gab ich dem Posten eine Ohrfeige, daß er<lb/>
sammt seinem klirrenden Spieß über den Eckstein auf das Pflaster fiel und wie<lb/>
ein Besessener davon lief. Ich formirte die Front, ging im Sturmschritt vor und<lb/>
überrumpelte den Feind, der nicht Zeit gewinnen konnte, sich zu ordnen. Vier<lb/>
Schuß wurden aus dem Fenster nach mir gerichtet &#x2014; aber fehlten. &#x2014; Die Insur¬<lb/>
genten flohen bei unserm Hurra in wilder Flucht und warfen die Waffen fort;<lb/>
einige bekamen noch tüchtige Hiebe! In diesem Gemenge schoß ein Schmied, dem<lb/>
ich immer nur Gutes gethan, auf zwei Schritt nach mir; der Schuß ging mir an<lb/>
Schulter und Kopf vorbei, ich erkannte das blasse, zitternde Gesicht und drehte mich<lb/>
um mit der Frage: Wer hat hier geschossen? &#x2014; Sonst hätten ihn meine Leute<lb/>
zerrissen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1714" next="#ID_1715"> Jetzt hörte ich Pferdegetrappel und glaubte schon, es seien die Polnischen<lb/>
Edelleute mit neuem Zuzug, da erkannte ich die Stimme meines Jnspectors vom<lb/>
Vorwerk Mlyny, des Herrn von Kleist. Er hatte Alles zu Pferde gesetzt und kam<lb/>
an der Spitze von 40 Reitern die Straße nach dem Markte mit dem Rufe:<lb/>
&#x201E;Vorwärts Jungens" in hausender Carriere, alles vor sich niederwerfend, an. Ich<lb/>
wollte eben das Haus stürmen, in dem die Polnische Generalität sich verrammelt<lb/>
hatte; indem war Kleist auch schon vom Pferde gesprungen und warf sich mit<lb/>
herkulischen Kräften gegen die Thür; sie sprang auf, und nun begann ein neuer<lb/>
Kampf auf dem dunklen Flur; 4 Schuß fielen, ohne zu verwunden, und nur einige<lb/>
schlimme Säbelhiebe kamen vor. &#x2014;- Ein Herr von Welowiesky hatte von hinten<lb/>
mir mit dem Säbel eins zugedacht; aber einer meiner Bravsten, der Tischler<lb/>
Hempel, hatte mit der offenen Hand den Säbel abgefangen, dem Burschen ihn<lb/>
aus der Hand gedreht und ihm mit dem Gefäß beide Augen braun und blau ge¬<lb/>
schlagen, und es war grade Zeit, daß ich ihn davon abbrächte: &#x201E;Das müssen Sie<lb/>
mir schon erlauben, Herr Oberamtmann, den Hund schlagen wir todt." Es waren<lb/>
8 Personen, die wir hier festnahmen; immer noch fehlte der General, und nach<lb/>
langem Suchen fanden wir ihn durch die Brille in den Appartement gekrochen;<lb/>
er saß bis an die Schultern im Koth &#x2014; nur durch viele schlechte Witze rettete ich<lb/>
ihm das Leben.  Unter den Gefangenen war auch ein Herr von Lubowieky, der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0404] Li« Brief aus trüber Zeit sammeln. Die Vorwerke ließ ich durch reitende Boten bestellen, ebenso die deutschen Bauerngemeinden. Als die Boten abrückten, trat ich an den Schrank mit meinen Waffen, hing die Jagdtasche um, sah die Pistolen noch mal nach, steckte den Nick¬ fänger zu mir, zog aus meiner Etienner Doppelflinte das Schrot und setzte ein Paar Kugeln in die Läufe. Da kam meine Frau, das Kleinste auf dem Arm, die andern Kinder weinend an ihren Kleidern hängend, hereingestürzt. Sie warf sich vor mir nieder, die Kinder umfaßten mir die Knie und baten mich, von meinem Vorhaben abzustehen. Es war ein entsetzlicher Moment — ich küßte sie und bat sie, nicht auf den Hof zu kommen, das Hans zu verriegeln, und empfahl sie dem Schutze des Allgütiger Gottes. Noch einmal küßte ich ein Jedes, und dann in Einem Sprunge zur Thür hinaus auf die Rampe. Mit starker Stimme rief ich drei mal meine Leute. Aus allen Thoren stürzten sie herbei, bald war Alles mit Sensen, Gabeln und Äxten bewaffnet und viele auch mit Flinten! aus der Stadt kamen 12 mit Büchsen. Es war eine kleine Schaar, aber ich fühlte eine Armee in meinem Arm. — Eben hatte ich meine Truppen geordnet, als ein Abgesandter mit Friedensanträgen vom polnischen General eintraf, indeß ich ließ ihm zurück¬ sagen, er möge sich sofort mit seiner ganzen Mannschaft aus der Stadt begeben — sonst würde ich ihn angreifen. Hierauf bekam ich eine entsetzliche Kriegserklärung, unterschrieben vom General Garadschinsky. Ich ließ antreten, mit mir waren es Wohl an 20 Schützen und 40 mit Knüppeln. Ich formierte 3 Züge, den Schützen¬ zug nahm ich vor und marschirte vor dem Zug rechts seitwärts; mein lautschallendes Kommando kam aus muthiger Brust und wirkte belebend auf meine Tapfern, die mit festem Schritt mir folgten. — An der Marktecke stand ein Doppelposten von Sensenmännern — sie waren wie versteinert, als sie uns sahen. Ich kommandirte ruhig: Rechtsschwenkt Marsch! und dabei gab ich dem Posten eine Ohrfeige, daß er sammt seinem klirrenden Spieß über den Eckstein auf das Pflaster fiel und wie ein Besessener davon lief. Ich formirte die Front, ging im Sturmschritt vor und überrumpelte den Feind, der nicht Zeit gewinnen konnte, sich zu ordnen. Vier Schuß wurden aus dem Fenster nach mir gerichtet — aber fehlten. — Die Insur¬ genten flohen bei unserm Hurra in wilder Flucht und warfen die Waffen fort; einige bekamen noch tüchtige Hiebe! In diesem Gemenge schoß ein Schmied, dem ich immer nur Gutes gethan, auf zwei Schritt nach mir; der Schuß ging mir an Schulter und Kopf vorbei, ich erkannte das blasse, zitternde Gesicht und drehte mich um mit der Frage: Wer hat hier geschossen? — Sonst hätten ihn meine Leute zerrissen. Jetzt hörte ich Pferdegetrappel und glaubte schon, es seien die Polnischen Edelleute mit neuem Zuzug, da erkannte ich die Stimme meines Jnspectors vom Vorwerk Mlyny, des Herrn von Kleist. Er hatte Alles zu Pferde gesetzt und kam an der Spitze von 40 Reitern die Straße nach dem Markte mit dem Rufe: „Vorwärts Jungens" in hausender Carriere, alles vor sich niederwerfend, an. Ich wollte eben das Haus stürmen, in dem die Polnische Generalität sich verrammelt hatte; indem war Kleist auch schon vom Pferde gesprungen und warf sich mit herkulischen Kräften gegen die Thür; sie sprang auf, und nun begann ein neuer Kampf auf dem dunklen Flur; 4 Schuß fielen, ohne zu verwunden, und nur einige schlimme Säbelhiebe kamen vor. —- Ein Herr von Welowiesky hatte von hinten mir mit dem Säbel eins zugedacht; aber einer meiner Bravsten, der Tischler Hempel, hatte mit der offenen Hand den Säbel abgefangen, dem Burschen ihn aus der Hand gedreht und ihm mit dem Gefäß beide Augen braun und blau ge¬ schlagen, und es war grade Zeit, daß ich ihn davon abbrächte: „Das müssen Sie mir schon erlauben, Herr Oberamtmann, den Hund schlagen wir todt." Es waren 8 Personen, die wir hier festnahmen; immer noch fehlte der General, und nach langem Suchen fanden wir ihn durch die Brille in den Appartement gekrochen; er saß bis an die Schultern im Koth — nur durch viele schlechte Witze rettete ich ihm das Leben. Unter den Gefangenen war auch ein Herr von Lubowieky, der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/404
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/404>, abgerufen am 23.07.2024.