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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Wie liest man die Bilanz einer Lebensversicherungsanstalt?

Wieviel Prozente der Prämie sie für diesen Zweck verfügbar haben. Man
setzt also den in der Jahresrechnung angegebnen Verwaltungsaufwand nebst
Provisionen, Tantiemen usw. in das Verhältnis zu den Einnahmen des Jahres
und erhält sodann ein genaues Bild darüber, wieviel von jeder Mark, die die
Gesellschaft eingenommen hat, zur Bestreitung ihrer Betriebskosten ausgegeben
worden ist.

Um zu ermitteln, welchen Zinsgewinn die Gesellschaft gemacht hat, be¬
rechnet man die Summen, die sie rechnungsmäßig zur Verzinsung des Prämien¬
reservefonds (und der Reserven für das "System der steigenden Dividende," für
Pensionsfonds und Depositen) notwendig hat. Welchen Zinssatz man dabei
anwendet, ergibt sich aus den Rechnungsgrundlngen der einzelnen Gesellschaften;
die meisten rechnen mit 3^ Prozent, einige wenige mit 3 Prozent, eine größere
Anzahl mit verschiednen Sätzen zwischen 3 und 4 Prozent. Durch den
Vergleich mit dem in der Gewinn- und der Verlustrechnung aufgeführten
Gesamterträgnis an Zinsen und Mieter findet man den Überschuß aus dieser
Quelle.

Auf diese Art ist man imstande, sich die Provenienz des Jahresüberschusses
klar zu machen. Zufällige Einnahmen oder Ausgaben (wozu zum Beispiel
Kursgewinne oder Kursverluste gehören) vermögen das aus den regulären
Gewinnquellen fließende Jahresergebnis, je nach dem Umfange des Effekten¬
besitzes einer Anstalt, mehr oder weniger stark zu beeinflussen. Namentlich die
amerikanischen Gesellschaften leiden gegenwärtig unter großen Kurseinbußen; bei
den deutscheu sind solche wegen ihres geringfügigen Besitzes an Wertpapieren
so gut wie ausgeschlossen.

Nachdem so durch die Zerlegung des Jahresgewiuns in seiue einzelnen
Posten die Finanzlage geklärt und über die Solidität des Betriebs Sicherheit
gewonnen worden ist, bleibt noch übrig, ans der Höhe des Jahresüberschusses
Schlüsse auf die zu erwartenden Vorteile in Gestalt von Dividenden für die
Versicherten zu ziehn. Mau geht dabei von der Überlegung aus, daß die Ge¬
sellschaft hier die größern Vorteile bietet, die die höhern Überschüsse erreicht.
Zu diesem Zweck muß man aus dem Überschuß alles ausscheiden, was an
Aktionärdividenden, Tantiemen und Zuweisungen an Extrafonds gezahlt wird.
Die Überweisung an die Versicherten stellt den Betrag dar, der an die ge¬
winnberechtigten Versicherungen verteilt wird. Wie hoch sich der Anteil des
Einzelnen hieran bemißt, findet man durch das einfache Verhältnis der Gewinn¬
überweisung zu der Summe der gewinnberechtigten Prämien. Sie deckt sich
nicht immer mit der Prämieneinnahme, die in der Gewinn- und in der Ver¬
lustrechnung steht, weil die letzte auch die Versicherungen ohne Gewinnanteil
umfaßt. Sollte der Betrag der gewinnberechtigten Prämien allein nicht ange¬
geben sein, so kann man ihn ohne nennenswerten Fehler nach dem Verhältnis
des Bestandes an gewinnberechtigten Versicherungssummen schätzen, die fast
immer angegeben sind.

Der so gewonnene Prozentsatz ist der einzig mögliche korrekte Maßstab für
die Dividendenkraft einer Lebensversicherungsanstalt. Nur ist es notwendig, sich
nicht an das Ergebnis eines einzelnen Jahres zu halten, das durch Zufällig-


Wie liest man die Bilanz einer Lebensversicherungsanstalt?

Wieviel Prozente der Prämie sie für diesen Zweck verfügbar haben. Man
setzt also den in der Jahresrechnung angegebnen Verwaltungsaufwand nebst
Provisionen, Tantiemen usw. in das Verhältnis zu den Einnahmen des Jahres
und erhält sodann ein genaues Bild darüber, wieviel von jeder Mark, die die
Gesellschaft eingenommen hat, zur Bestreitung ihrer Betriebskosten ausgegeben
worden ist.

Um zu ermitteln, welchen Zinsgewinn die Gesellschaft gemacht hat, be¬
rechnet man die Summen, die sie rechnungsmäßig zur Verzinsung des Prämien¬
reservefonds (und der Reserven für das „System der steigenden Dividende," für
Pensionsfonds und Depositen) notwendig hat. Welchen Zinssatz man dabei
anwendet, ergibt sich aus den Rechnungsgrundlngen der einzelnen Gesellschaften;
die meisten rechnen mit 3^ Prozent, einige wenige mit 3 Prozent, eine größere
Anzahl mit verschiednen Sätzen zwischen 3 und 4 Prozent. Durch den
Vergleich mit dem in der Gewinn- und der Verlustrechnung aufgeführten
Gesamterträgnis an Zinsen und Mieter findet man den Überschuß aus dieser
Quelle.

Auf diese Art ist man imstande, sich die Provenienz des Jahresüberschusses
klar zu machen. Zufällige Einnahmen oder Ausgaben (wozu zum Beispiel
Kursgewinne oder Kursverluste gehören) vermögen das aus den regulären
Gewinnquellen fließende Jahresergebnis, je nach dem Umfange des Effekten¬
besitzes einer Anstalt, mehr oder weniger stark zu beeinflussen. Namentlich die
amerikanischen Gesellschaften leiden gegenwärtig unter großen Kurseinbußen; bei
den deutscheu sind solche wegen ihres geringfügigen Besitzes an Wertpapieren
so gut wie ausgeschlossen.

Nachdem so durch die Zerlegung des Jahresgewiuns in seiue einzelnen
Posten die Finanzlage geklärt und über die Solidität des Betriebs Sicherheit
gewonnen worden ist, bleibt noch übrig, ans der Höhe des Jahresüberschusses
Schlüsse auf die zu erwartenden Vorteile in Gestalt von Dividenden für die
Versicherten zu ziehn. Mau geht dabei von der Überlegung aus, daß die Ge¬
sellschaft hier die größern Vorteile bietet, die die höhern Überschüsse erreicht.
Zu diesem Zweck muß man aus dem Überschuß alles ausscheiden, was an
Aktionärdividenden, Tantiemen und Zuweisungen an Extrafonds gezahlt wird.
Die Überweisung an die Versicherten stellt den Betrag dar, der an die ge¬
winnberechtigten Versicherungen verteilt wird. Wie hoch sich der Anteil des
Einzelnen hieran bemißt, findet man durch das einfache Verhältnis der Gewinn¬
überweisung zu der Summe der gewinnberechtigten Prämien. Sie deckt sich
nicht immer mit der Prämieneinnahme, die in der Gewinn- und in der Ver¬
lustrechnung steht, weil die letzte auch die Versicherungen ohne Gewinnanteil
umfaßt. Sollte der Betrag der gewinnberechtigten Prämien allein nicht ange¬
geben sein, so kann man ihn ohne nennenswerten Fehler nach dem Verhältnis
des Bestandes an gewinnberechtigten Versicherungssummen schätzen, die fast
immer angegeben sind.

Der so gewonnene Prozentsatz ist der einzig mögliche korrekte Maßstab für
die Dividendenkraft einer Lebensversicherungsanstalt. Nur ist es notwendig, sich
nicht an das Ergebnis eines einzelnen Jahres zu halten, das durch Zufällig-


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[0379] Wie liest man die Bilanz einer Lebensversicherungsanstalt? Wieviel Prozente der Prämie sie für diesen Zweck verfügbar haben. Man setzt also den in der Jahresrechnung angegebnen Verwaltungsaufwand nebst Provisionen, Tantiemen usw. in das Verhältnis zu den Einnahmen des Jahres und erhält sodann ein genaues Bild darüber, wieviel von jeder Mark, die die Gesellschaft eingenommen hat, zur Bestreitung ihrer Betriebskosten ausgegeben worden ist. Um zu ermitteln, welchen Zinsgewinn die Gesellschaft gemacht hat, be¬ rechnet man die Summen, die sie rechnungsmäßig zur Verzinsung des Prämien¬ reservefonds (und der Reserven für das „System der steigenden Dividende," für Pensionsfonds und Depositen) notwendig hat. Welchen Zinssatz man dabei anwendet, ergibt sich aus den Rechnungsgrundlngen der einzelnen Gesellschaften; die meisten rechnen mit 3^ Prozent, einige wenige mit 3 Prozent, eine größere Anzahl mit verschiednen Sätzen zwischen 3 und 4 Prozent. Durch den Vergleich mit dem in der Gewinn- und der Verlustrechnung aufgeführten Gesamterträgnis an Zinsen und Mieter findet man den Überschuß aus dieser Quelle. Auf diese Art ist man imstande, sich die Provenienz des Jahresüberschusses klar zu machen. Zufällige Einnahmen oder Ausgaben (wozu zum Beispiel Kursgewinne oder Kursverluste gehören) vermögen das aus den regulären Gewinnquellen fließende Jahresergebnis, je nach dem Umfange des Effekten¬ besitzes einer Anstalt, mehr oder weniger stark zu beeinflussen. Namentlich die amerikanischen Gesellschaften leiden gegenwärtig unter großen Kurseinbußen; bei den deutscheu sind solche wegen ihres geringfügigen Besitzes an Wertpapieren so gut wie ausgeschlossen. Nachdem so durch die Zerlegung des Jahresgewiuns in seiue einzelnen Posten die Finanzlage geklärt und über die Solidität des Betriebs Sicherheit gewonnen worden ist, bleibt noch übrig, ans der Höhe des Jahresüberschusses Schlüsse auf die zu erwartenden Vorteile in Gestalt von Dividenden für die Versicherten zu ziehn. Mau geht dabei von der Überlegung aus, daß die Ge¬ sellschaft hier die größern Vorteile bietet, die die höhern Überschüsse erreicht. Zu diesem Zweck muß man aus dem Überschuß alles ausscheiden, was an Aktionärdividenden, Tantiemen und Zuweisungen an Extrafonds gezahlt wird. Die Überweisung an die Versicherten stellt den Betrag dar, der an die ge¬ winnberechtigten Versicherungen verteilt wird. Wie hoch sich der Anteil des Einzelnen hieran bemißt, findet man durch das einfache Verhältnis der Gewinn¬ überweisung zu der Summe der gewinnberechtigten Prämien. Sie deckt sich nicht immer mit der Prämieneinnahme, die in der Gewinn- und in der Ver¬ lustrechnung steht, weil die letzte auch die Versicherungen ohne Gewinnanteil umfaßt. Sollte der Betrag der gewinnberechtigten Prämien allein nicht ange¬ geben sein, so kann man ihn ohne nennenswerten Fehler nach dem Verhältnis des Bestandes an gewinnberechtigten Versicherungssummen schätzen, die fast immer angegeben sind. Der so gewonnene Prozentsatz ist der einzig mögliche korrekte Maßstab für die Dividendenkraft einer Lebensversicherungsanstalt. Nur ist es notwendig, sich nicht an das Ergebnis eines einzelnen Jahres zu halten, das durch Zufällig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/379>, abgerufen am 23.07.2024.