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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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lvie liest man die Bilanz einer Lebensversicherungsanstalt?

ertragen, während er bei Gesellschaften mit schwächerer Finanzlage Bedenken er¬
regen muß. Von sonst üblichen Geldposten sind noch zu erwähnen die Bank¬
guthaben, die Inventar- und die Kassenbestände. Bei großen finanzkräftigen
Anstalten ist das gesamte Inventar gewöhnlich abgeschrieben.

Nachdem wir uns so durch die Bilanz durchgearbeitet bilden, ist das Ver¬
ständnis der Gewinn- und der Verlustrechnung des Jahres sehr erleichtert.
Gibt die Bilanz an, wie hoch der Vermögensstand einer Anstalt ist, und worin
ihre Werte bestehn, so soll die Jahresrechnung zeigen, wie der Überschuß hoter
der Verlust) des Jahres entstanden ist, der als Differenz der Einnahmen und
der Ausgaben erscheint.

Unter den regelmäßigen Jahreseinnahmen spielen die Jahresbeiträge oder
Prämien der Versicherten die Hauptrolle, nächst ihnen die Zinsen. Ständige
Einnähmeposten kleinerer Art sind Aufnahmegebühren, Hypothekenprovisionen u. a.
Die regelmüßigen Ausgaben zerfallen in Ausgaben für füllige Versicherungen
und Abgangsentschüdigungeu, für die Erhöhung des Prümienreservefonds und
die Bestreitung der Verwaltungskosten. Die im Jahresbericht aufgeführten
Ausgaben für Dividendenzahlungen an Versicherte sind wie verschiedne andre
kleinere Posten sogenannte Durchgangsposten; sie heben sich gegen die ent¬
sprechenden Betrüge auf dem Einnahmekvnto auf, indem sie mit den Dividenden¬
fonds am Schlüsse des Rechnungsjahres den Betrag der letzten am Anfang
des Jahres ergeben müssen. Das wird kontrolliert durch den Vergleich der
übertragnen Fonds aus dem Vorjahre mit der Höhe am Schlüsse des Rechnungs¬
jahres. Diese Kontrolle ist sehr wichtig; deun sie weist nach, ob der Über¬
schuß, den die Gewinn- und die Verlustrechnung aufweist, nicht etwa durch
Entnahmen aus irgendwelchen Reserven "gemacht" worden ist. Damm müssen
die Beträge der übernommnen, in Einnahme gestellten Reserven (Allgemeine,
Extrareserven usw.) genau mit den am Schlüsse des Jahres vorhandnen, in
Ausgabe gestellten verglichen werden. Für das Jahr ist es ja vollkommen
gleichgiltig, wo die Gesellschaft den Überschuß her hat, aus dem sie den Ver¬
sicherten ihre Dividenden zahlt; aber für die ganze lange Zeit eines Ver¬
sicherungskontrakts wird man sich keiner Anstalt anvertrauen wollen, die ihre
Überschüsse nicht aus den regelmüßigen Gewinnquellen der Lebensversicherung
macht, sondern auf Kosten ihrer Sicherheitsrücklagen.

Welches sind nun die regulären Gewinnquellen einer Lebcnsversicherungs-
anstalt? In der Hauptsache drei: Ersparnis an der Sterblichkeit, niedrige
Verwaltungskosten und eine über das rechnungsmäßige Erfordernis hinaus¬
gehende Zinseinnahme. Über den Verlauf der Sterblichkeit gibt jeder Jahres¬
bericht in einer besonder" Nachweisung Aufschluß. Man berechnet die Differenz
zwischen den dort angegebnen Zahlen, die sich auf die rechnungsmäßig vor¬
handnen Mittel und auf die tatsächlich nötig gewordnen Ausgaben für Sterbe¬
fälle beziehn. Je mehr die ersten über die effektiven Ausgaben Hinaus¬
gehn, um so größer ist der Gewinn aus der Sterblichkeit; übertreffen da¬
gegen die Ausgaben die bereit gestellten Mittel, so ist ein Verlust aus der
Sterblichkeit eingetreten. Die Ersparnis an den Verwaltungskosten kann man
nicht im absoluten Betrage ausrechnen, weil die Gesellschaften nicht angeben,


lvie liest man die Bilanz einer Lebensversicherungsanstalt?

ertragen, während er bei Gesellschaften mit schwächerer Finanzlage Bedenken er¬
regen muß. Von sonst üblichen Geldposten sind noch zu erwähnen die Bank¬
guthaben, die Inventar- und die Kassenbestände. Bei großen finanzkräftigen
Anstalten ist das gesamte Inventar gewöhnlich abgeschrieben.

Nachdem wir uns so durch die Bilanz durchgearbeitet bilden, ist das Ver¬
ständnis der Gewinn- und der Verlustrechnung des Jahres sehr erleichtert.
Gibt die Bilanz an, wie hoch der Vermögensstand einer Anstalt ist, und worin
ihre Werte bestehn, so soll die Jahresrechnung zeigen, wie der Überschuß hoter
der Verlust) des Jahres entstanden ist, der als Differenz der Einnahmen und
der Ausgaben erscheint.

Unter den regelmäßigen Jahreseinnahmen spielen die Jahresbeiträge oder
Prämien der Versicherten die Hauptrolle, nächst ihnen die Zinsen. Ständige
Einnähmeposten kleinerer Art sind Aufnahmegebühren, Hypothekenprovisionen u. a.
Die regelmüßigen Ausgaben zerfallen in Ausgaben für füllige Versicherungen
und Abgangsentschüdigungeu, für die Erhöhung des Prümienreservefonds und
die Bestreitung der Verwaltungskosten. Die im Jahresbericht aufgeführten
Ausgaben für Dividendenzahlungen an Versicherte sind wie verschiedne andre
kleinere Posten sogenannte Durchgangsposten; sie heben sich gegen die ent¬
sprechenden Betrüge auf dem Einnahmekvnto auf, indem sie mit den Dividenden¬
fonds am Schlüsse des Rechnungsjahres den Betrag der letzten am Anfang
des Jahres ergeben müssen. Das wird kontrolliert durch den Vergleich der
übertragnen Fonds aus dem Vorjahre mit der Höhe am Schlüsse des Rechnungs¬
jahres. Diese Kontrolle ist sehr wichtig; deun sie weist nach, ob der Über¬
schuß, den die Gewinn- und die Verlustrechnung aufweist, nicht etwa durch
Entnahmen aus irgendwelchen Reserven „gemacht" worden ist. Damm müssen
die Beträge der übernommnen, in Einnahme gestellten Reserven (Allgemeine,
Extrareserven usw.) genau mit den am Schlüsse des Jahres vorhandnen, in
Ausgabe gestellten verglichen werden. Für das Jahr ist es ja vollkommen
gleichgiltig, wo die Gesellschaft den Überschuß her hat, aus dem sie den Ver¬
sicherten ihre Dividenden zahlt; aber für die ganze lange Zeit eines Ver¬
sicherungskontrakts wird man sich keiner Anstalt anvertrauen wollen, die ihre
Überschüsse nicht aus den regelmüßigen Gewinnquellen der Lebensversicherung
macht, sondern auf Kosten ihrer Sicherheitsrücklagen.

Welches sind nun die regulären Gewinnquellen einer Lebcnsversicherungs-
anstalt? In der Hauptsache drei: Ersparnis an der Sterblichkeit, niedrige
Verwaltungskosten und eine über das rechnungsmäßige Erfordernis hinaus¬
gehende Zinseinnahme. Über den Verlauf der Sterblichkeit gibt jeder Jahres¬
bericht in einer besonder» Nachweisung Aufschluß. Man berechnet die Differenz
zwischen den dort angegebnen Zahlen, die sich auf die rechnungsmäßig vor¬
handnen Mittel und auf die tatsächlich nötig gewordnen Ausgaben für Sterbe¬
fälle beziehn. Je mehr die ersten über die effektiven Ausgaben Hinaus¬
gehn, um so größer ist der Gewinn aus der Sterblichkeit; übertreffen da¬
gegen die Ausgaben die bereit gestellten Mittel, so ist ein Verlust aus der
Sterblichkeit eingetreten. Die Ersparnis an den Verwaltungskosten kann man
nicht im absoluten Betrage ausrechnen, weil die Gesellschaften nicht angeben,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/378>, abgerufen am 22.12.2024.