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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Minnesangs Frühling in Frankreich

ihr knieend die schön passenden Stiefelchen ausziehe, wenn es ihr gefällt, mir
den Fuß zu reichen."

Wie Wilhelm der Neunte so schied auch Bernhard aus der Welt und
suchte im Kloster den Frieden. Die herbe Resignation des Skeptikers be¬
gegnet schon in dem Liede (übertragen von Diez):

Wie oft mag der Mönch Bernhard der vergangnen sonnigen Zeiten ge¬
dacht haben, da er mit der schönen Eleonore von Poitou vertrauter Zwie-
sprach pflegen durfte.

Es steht eine Burg am Berge,
Wo ich die Tranke sah,
Mein Herz klingt in die Glocken,
Va,Jo viU'iWiiniU
Fern soll mir stehen Minne
Und stand mir doch so nah,
Es steht ein Kloster im Tale,
VÄs val'iWimiU

Aus dieser Waltramusstimmung ist wohl das duftige Lied entstanden,
vielleicht des Troubadours Schwanengesang, sein letzer Gruß an Eleonore:

Deutsch etwa:

Wir würden ein gar zu unvollständiges Bild von der Frühzeit proven-
zalischer Dichtung geben, wenn wir nicht eines Troubadours gedächten, der
ein ganz neues Motiv in die Lyrik des Südens, die, von einigen religiösen
Liedern abgesehen, ausschließlich der Frauenverehrung galt, hineinträgt.

Noch ist der alte Geist des Rittertums nicht erloschen, noch freut man
sich an Schwertstreichen und Lanzensplittern, Treue im Lieben und Treue im
Hassen gilt als Rittertugend.

Wer denkt da nicht an den ruhelosen Burgherrn von Autafort, den
ersten Dichter zündender politischer Lieder, der in den Kämpfen Heinrichs des
Zweiten um sein französisches Erbe die eignen Söhne des Königs zum


Minnesangs Frühling in Frankreich

ihr knieend die schön passenden Stiefelchen ausziehe, wenn es ihr gefällt, mir
den Fuß zu reichen."

Wie Wilhelm der Neunte so schied auch Bernhard aus der Welt und
suchte im Kloster den Frieden. Die herbe Resignation des Skeptikers be¬
gegnet schon in dem Liede (übertragen von Diez):

Wie oft mag der Mönch Bernhard der vergangnen sonnigen Zeiten ge¬
dacht haben, da er mit der schönen Eleonore von Poitou vertrauter Zwie-
sprach pflegen durfte.

Es steht eine Burg am Berge,
Wo ich die Tranke sah,
Mein Herz klingt in die Glocken,
Va,Jo viU'iWiiniU
Fern soll mir stehen Minne
Und stand mir doch so nah,
Es steht ein Kloster im Tale,
VÄs val'iWimiU

Aus dieser Waltramusstimmung ist wohl das duftige Lied entstanden,
vielleicht des Troubadours Schwanengesang, sein letzer Gruß an Eleonore:

Deutsch etwa:

Wir würden ein gar zu unvollständiges Bild von der Frühzeit proven-
zalischer Dichtung geben, wenn wir nicht eines Troubadours gedächten, der
ein ganz neues Motiv in die Lyrik des Südens, die, von einigen religiösen
Liedern abgesehen, ausschließlich der Frauenverehrung galt, hineinträgt.

Noch ist der alte Geist des Rittertums nicht erloschen, noch freut man
sich an Schwertstreichen und Lanzensplittern, Treue im Lieben und Treue im
Hassen gilt als Rittertugend.

Wer denkt da nicht an den ruhelosen Burgherrn von Autafort, den
ersten Dichter zündender politischer Lieder, der in den Kämpfen Heinrichs des
Zweiten um sein französisches Erbe die eignen Söhne des Königs zum


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[0216] Minnesangs Frühling in Frankreich ihr knieend die schön passenden Stiefelchen ausziehe, wenn es ihr gefällt, mir den Fuß zu reichen." Wie Wilhelm der Neunte so schied auch Bernhard aus der Welt und suchte im Kloster den Frieden. Die herbe Resignation des Skeptikers be¬ gegnet schon in dem Liede (übertragen von Diez): Wie oft mag der Mönch Bernhard der vergangnen sonnigen Zeiten ge¬ dacht haben, da er mit der schönen Eleonore von Poitou vertrauter Zwie- sprach pflegen durfte. Es steht eine Burg am Berge, Wo ich die Tranke sah, Mein Herz klingt in die Glocken, Va,Jo viU'iWiiniU Fern soll mir stehen Minne Und stand mir doch so nah, Es steht ein Kloster im Tale, VÄs val'iWimiU Aus dieser Waltramusstimmung ist wohl das duftige Lied entstanden, vielleicht des Troubadours Schwanengesang, sein letzer Gruß an Eleonore: Deutsch etwa: Wir würden ein gar zu unvollständiges Bild von der Frühzeit proven- zalischer Dichtung geben, wenn wir nicht eines Troubadours gedächten, der ein ganz neues Motiv in die Lyrik des Südens, die, von einigen religiösen Liedern abgesehen, ausschließlich der Frauenverehrung galt, hineinträgt. Noch ist der alte Geist des Rittertums nicht erloschen, noch freut man sich an Schwertstreichen und Lanzensplittern, Treue im Lieben und Treue im Hassen gilt als Rittertugend. Wer denkt da nicht an den ruhelosen Burgherrn von Autafort, den ersten Dichter zündender politischer Lieder, der in den Kämpfen Heinrichs des Zweiten um sein französisches Erbe die eignen Söhne des Königs zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/216>, abgerufen am 23.07.2024.