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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Jahre vorherzusagen in Behauptungen, die dnrch ihre naive Kühnheit mindestens
überraschen, ein solcher Schriftsteller muß den Grund, auf dem er seine Schlüsse
aufbaut, besonders fest und sicher gestalten. Er darf vor allem den Boden der
beweisbaren Tatsachen nicht verlassen. In Wahrheit ist das tatsächliche Material,
auf das sich der Verfasser stützt, äußerst dürftig. Daß es zum großen Teil, oft
seitenlang ununterbrochen, zitierten Schriftstellern entstammt, soll dabei nicht bean¬
standet werden. Aber daß es durchaus nicht ausreicht, die weitgehenden phantastischen
Schlüsse des Verfassers zu stützen, kann nicht scharf genug hervorgehoben werden.
Die meisten und wichtigsten Schlußfolgerungen gründen sich überhaupt nicht auf
Tatsachen, sondern beruhen auf Schätzungen, unbewiesenen Behauptungen, Prophe¬
zeiungen, die dann einfach als Tatsachen behandelt werden.

Durch die ganze Schrift läßt sich verfolgen, wie dem Verfasser das, was er
zunächst als Ergebnis seiner subjektiven Auffassung meist ohne ausreichende Anhalte¬
punkte und mit vielfachen Widersprüchen vorgebracht hat, bald als objektive Tat¬
sache erscheint, und wie er im weitern Verlaufe der Arbeit ohne Bedenken die so
gewonnenen Tatsachen als wirklich vorhanden annimmt. In diesem Durcheinander
von Behauptungen und Tatsachen, von Wirklichkeit und Phantasie liegt eine Ver¬
nachlässigung der elementarsten Grundsätze wissenschaftlicher Arbeiten. Nachstehend
einige Zitate aus dem Buche, die genügen werden für die Behauptung, daß es
des wissenschaftlichen Charakters entbehrt. Deutschland hat nach Seite 224 "alle
Ursache, mit der Modernisierung Japans zufrieden zu sein." Diese Behauptung
wird mit der Voraussage begründet: "Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Aus¬
fuhr nach Japan sich in zwanzig Jahren mindestens verdoppelt, wenn nicht ver¬
dreifacht haben." Worauf sich die Erwartung dieses zahlenmäßigen Verhältnisses
stützt, ist nicht dargetan. Gerade von einem Beamten des Statistischen Amtes hätte
mau in einer wissenschaftlichen Arbeit die Angabe der Stützpunkte für diese Auf¬
fassung erwarten dürfen. Auf Seite 128 stellt der Verfasser die durch Sperrdruck
besonders kenntlich gemachte Behauptung auf, "der nächste Krieg mit Deutschland
würde den Franzosen 30 Milliarden Franken kosten und dann die französische
Staatsschuld auf 60 Milliarden erhöhen." Warum ein solcher Krieg den Franzosen
gerade 30 Milliarden kosten würde, ist nicht erläutert. Damit, daß, wie der
Verfasser angibt, der vorige Krieg den Franzosen 10 Milliarden Franken gekostet
hat, ist nicht erwiesen, daß sich die Kosten beim nächsten Kriege verdreifachen müssen.
Die Multiplikation mit drei erfreut sich bei dem Verfasser auch sonst einer gewissen
Beliebtheit. So hätte Rußland die Landung einer japanischen Armee in Korea
verhindern können, wenn es anstatt sieben Linienschiffe die dreifache Zahl gehabt
hätte (Seite 12). "Trotz einer dreifachen Seeüberlegenheit würde eine doppelte
oder dreifache Stärke der russischen Landarmee" nötig gewesen sein (Seite 12).
Auch für den künftigen neuen Krieg zwischen Rußland und Japan muß Rußland
"mehr als die dreifache Anzahl von Kriegern ins Feld stellen" (Seite 6). Für alle
diese zahlenmäßigen Angaben über Vorgänge, die in der Zukunft, wenn nicht nur
in der Phantasie des Verfassers, liegen, läßt die Schrift ausreichende Anhaltepunkte
und auch nur Andeutungen darüber, worauf sie sich stützen, vermissen. Daß der
Verfasser einen neuen russisch-japanischen Krieg erwartet, ist schon erwähnt worden.
Über den Zeitpunkt seines Eintretens werden abweichende Angaben gemacht. Nach
Seite 111 würden die Japaner schwerlich "vor einer Erholungszeit von etwa fünf
Jahren den ernstlichen Versuch machen, den Baikalsee zu umgehen." "Schon in
fünf bis zehn Jahren dürften sie soweit sein, um den Feldzug auf dem russischen
Ufer des Baikalsees fortzusetzen. Nach Seite 7 dagegen scheint der Krieg erst
"zwanzig bis dreißig Jahre nach seinem Friedensschluß eine neue verbesserte Auf¬
lage erleben" zu sollen, und nach Seite 30 "können für die russischen Machthaber
zwingende Gründe vorliegen, schon in zehn bis dreißig Jahren einen Revanchekrieg
einzuleiten." Dieser neue Krieg kann nach Ansicht des Verfassers für Rußland
nur mit einer Niederlage enden. Ebenso sicher wie diese Niederlage ist dem Ver-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Jahre vorherzusagen in Behauptungen, die dnrch ihre naive Kühnheit mindestens
überraschen, ein solcher Schriftsteller muß den Grund, auf dem er seine Schlüsse
aufbaut, besonders fest und sicher gestalten. Er darf vor allem den Boden der
beweisbaren Tatsachen nicht verlassen. In Wahrheit ist das tatsächliche Material,
auf das sich der Verfasser stützt, äußerst dürftig. Daß es zum großen Teil, oft
seitenlang ununterbrochen, zitierten Schriftstellern entstammt, soll dabei nicht bean¬
standet werden. Aber daß es durchaus nicht ausreicht, die weitgehenden phantastischen
Schlüsse des Verfassers zu stützen, kann nicht scharf genug hervorgehoben werden.
Die meisten und wichtigsten Schlußfolgerungen gründen sich überhaupt nicht auf
Tatsachen, sondern beruhen auf Schätzungen, unbewiesenen Behauptungen, Prophe¬
zeiungen, die dann einfach als Tatsachen behandelt werden.

Durch die ganze Schrift läßt sich verfolgen, wie dem Verfasser das, was er
zunächst als Ergebnis seiner subjektiven Auffassung meist ohne ausreichende Anhalte¬
punkte und mit vielfachen Widersprüchen vorgebracht hat, bald als objektive Tat¬
sache erscheint, und wie er im weitern Verlaufe der Arbeit ohne Bedenken die so
gewonnenen Tatsachen als wirklich vorhanden annimmt. In diesem Durcheinander
von Behauptungen und Tatsachen, von Wirklichkeit und Phantasie liegt eine Ver¬
nachlässigung der elementarsten Grundsätze wissenschaftlicher Arbeiten. Nachstehend
einige Zitate aus dem Buche, die genügen werden für die Behauptung, daß es
des wissenschaftlichen Charakters entbehrt. Deutschland hat nach Seite 224 „alle
Ursache, mit der Modernisierung Japans zufrieden zu sein." Diese Behauptung
wird mit der Voraussage begründet: „Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Aus¬
fuhr nach Japan sich in zwanzig Jahren mindestens verdoppelt, wenn nicht ver¬
dreifacht haben." Worauf sich die Erwartung dieses zahlenmäßigen Verhältnisses
stützt, ist nicht dargetan. Gerade von einem Beamten des Statistischen Amtes hätte
mau in einer wissenschaftlichen Arbeit die Angabe der Stützpunkte für diese Auf¬
fassung erwarten dürfen. Auf Seite 128 stellt der Verfasser die durch Sperrdruck
besonders kenntlich gemachte Behauptung auf, „der nächste Krieg mit Deutschland
würde den Franzosen 30 Milliarden Franken kosten und dann die französische
Staatsschuld auf 60 Milliarden erhöhen." Warum ein solcher Krieg den Franzosen
gerade 30 Milliarden kosten würde, ist nicht erläutert. Damit, daß, wie der
Verfasser angibt, der vorige Krieg den Franzosen 10 Milliarden Franken gekostet
hat, ist nicht erwiesen, daß sich die Kosten beim nächsten Kriege verdreifachen müssen.
Die Multiplikation mit drei erfreut sich bei dem Verfasser auch sonst einer gewissen
Beliebtheit. So hätte Rußland die Landung einer japanischen Armee in Korea
verhindern können, wenn es anstatt sieben Linienschiffe die dreifache Zahl gehabt
hätte (Seite 12). „Trotz einer dreifachen Seeüberlegenheit würde eine doppelte
oder dreifache Stärke der russischen Landarmee" nötig gewesen sein (Seite 12).
Auch für den künftigen neuen Krieg zwischen Rußland und Japan muß Rußland
„mehr als die dreifache Anzahl von Kriegern ins Feld stellen" (Seite 6). Für alle
diese zahlenmäßigen Angaben über Vorgänge, die in der Zukunft, wenn nicht nur
in der Phantasie des Verfassers, liegen, läßt die Schrift ausreichende Anhaltepunkte
und auch nur Andeutungen darüber, worauf sie sich stützen, vermissen. Daß der
Verfasser einen neuen russisch-japanischen Krieg erwartet, ist schon erwähnt worden.
Über den Zeitpunkt seines Eintretens werden abweichende Angaben gemacht. Nach
Seite 111 würden die Japaner schwerlich „vor einer Erholungszeit von etwa fünf
Jahren den ernstlichen Versuch machen, den Baikalsee zu umgehen." „Schon in
fünf bis zehn Jahren dürften sie soweit sein, um den Feldzug auf dem russischen
Ufer des Baikalsees fortzusetzen. Nach Seite 7 dagegen scheint der Krieg erst
„zwanzig bis dreißig Jahre nach seinem Friedensschluß eine neue verbesserte Auf¬
lage erleben" zu sollen, und nach Seite 30 „können für die russischen Machthaber
zwingende Gründe vorliegen, schon in zehn bis dreißig Jahren einen Revanchekrieg
einzuleiten." Dieser neue Krieg kann nach Ansicht des Verfassers für Rußland
nur mit einer Niederlage enden. Ebenso sicher wie diese Niederlage ist dem Ver-


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[0570] Maßgebliches und Unmaßgebliches Jahre vorherzusagen in Behauptungen, die dnrch ihre naive Kühnheit mindestens überraschen, ein solcher Schriftsteller muß den Grund, auf dem er seine Schlüsse aufbaut, besonders fest und sicher gestalten. Er darf vor allem den Boden der beweisbaren Tatsachen nicht verlassen. In Wahrheit ist das tatsächliche Material, auf das sich der Verfasser stützt, äußerst dürftig. Daß es zum großen Teil, oft seitenlang ununterbrochen, zitierten Schriftstellern entstammt, soll dabei nicht bean¬ standet werden. Aber daß es durchaus nicht ausreicht, die weitgehenden phantastischen Schlüsse des Verfassers zu stützen, kann nicht scharf genug hervorgehoben werden. Die meisten und wichtigsten Schlußfolgerungen gründen sich überhaupt nicht auf Tatsachen, sondern beruhen auf Schätzungen, unbewiesenen Behauptungen, Prophe¬ zeiungen, die dann einfach als Tatsachen behandelt werden. Durch die ganze Schrift läßt sich verfolgen, wie dem Verfasser das, was er zunächst als Ergebnis seiner subjektiven Auffassung meist ohne ausreichende Anhalte¬ punkte und mit vielfachen Widersprüchen vorgebracht hat, bald als objektive Tat¬ sache erscheint, und wie er im weitern Verlaufe der Arbeit ohne Bedenken die so gewonnenen Tatsachen als wirklich vorhanden annimmt. In diesem Durcheinander von Behauptungen und Tatsachen, von Wirklichkeit und Phantasie liegt eine Ver¬ nachlässigung der elementarsten Grundsätze wissenschaftlicher Arbeiten. Nachstehend einige Zitate aus dem Buche, die genügen werden für die Behauptung, daß es des wissenschaftlichen Charakters entbehrt. Deutschland hat nach Seite 224 „alle Ursache, mit der Modernisierung Japans zufrieden zu sein." Diese Behauptung wird mit der Voraussage begründet: „Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Aus¬ fuhr nach Japan sich in zwanzig Jahren mindestens verdoppelt, wenn nicht ver¬ dreifacht haben." Worauf sich die Erwartung dieses zahlenmäßigen Verhältnisses stützt, ist nicht dargetan. Gerade von einem Beamten des Statistischen Amtes hätte mau in einer wissenschaftlichen Arbeit die Angabe der Stützpunkte für diese Auf¬ fassung erwarten dürfen. Auf Seite 128 stellt der Verfasser die durch Sperrdruck besonders kenntlich gemachte Behauptung auf, „der nächste Krieg mit Deutschland würde den Franzosen 30 Milliarden Franken kosten und dann die französische Staatsschuld auf 60 Milliarden erhöhen." Warum ein solcher Krieg den Franzosen gerade 30 Milliarden kosten würde, ist nicht erläutert. Damit, daß, wie der Verfasser angibt, der vorige Krieg den Franzosen 10 Milliarden Franken gekostet hat, ist nicht erwiesen, daß sich die Kosten beim nächsten Kriege verdreifachen müssen. Die Multiplikation mit drei erfreut sich bei dem Verfasser auch sonst einer gewissen Beliebtheit. So hätte Rußland die Landung einer japanischen Armee in Korea verhindern können, wenn es anstatt sieben Linienschiffe die dreifache Zahl gehabt hätte (Seite 12). „Trotz einer dreifachen Seeüberlegenheit würde eine doppelte oder dreifache Stärke der russischen Landarmee" nötig gewesen sein (Seite 12). Auch für den künftigen neuen Krieg zwischen Rußland und Japan muß Rußland „mehr als die dreifache Anzahl von Kriegern ins Feld stellen" (Seite 6). Für alle diese zahlenmäßigen Angaben über Vorgänge, die in der Zukunft, wenn nicht nur in der Phantasie des Verfassers, liegen, läßt die Schrift ausreichende Anhaltepunkte und auch nur Andeutungen darüber, worauf sie sich stützen, vermissen. Daß der Verfasser einen neuen russisch-japanischen Krieg erwartet, ist schon erwähnt worden. Über den Zeitpunkt seines Eintretens werden abweichende Angaben gemacht. Nach Seite 111 würden die Japaner schwerlich „vor einer Erholungszeit von etwa fünf Jahren den ernstlichen Versuch machen, den Baikalsee zu umgehen." „Schon in fünf bis zehn Jahren dürften sie soweit sein, um den Feldzug auf dem russischen Ufer des Baikalsees fortzusetzen. Nach Seite 7 dagegen scheint der Krieg erst „zwanzig bis dreißig Jahre nach seinem Friedensschluß eine neue verbesserte Auf¬ lage erleben" zu sollen, und nach Seite 30 „können für die russischen Machthaber zwingende Gründe vorliegen, schon in zehn bis dreißig Jahren einen Revanchekrieg einzuleiten." Dieser neue Krieg kann nach Ansicht des Verfassers für Rußland nur mit einer Niederlage enden. Ebenso sicher wie diese Niederlage ist dem Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/570>, abgerufen am 20.10.2024.