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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Nordische eine Laudtelegraphenlinie eröffnet, die bei Werkne Udinsk sich von
der sibirischen abzweigend über Kjachta und Kalgcm dnrch die Mongolei hin¬
durch Peking und Tientsin erreicht, womit der Anschluß an das Kabelnetz
wieder gewonnen ist. Der zweite Weg geht von London aus über Gibraltar-
Suez-Aden-Bombay-Madras-Singapur bis Schanghai, und zwar mit Aus¬
nahme der Strecke Bombay-Madras des indischen Landtclegraphennetzes durch¬
aus über die Kabel der großen Tastern und der Eastern Cxtension Co. Diese
Sachlage erklärt übrigens, um das beiläufig zu bemerken, hinreichend den oft
diametral entgegengesetzten Charakter der Nachrichten vom Kriegsschauplatz,
indem auf der Nordlinie die russische und auf der südlichen nicht weniger
kräftig die den Japanern freundliche englische Zensur gehandhabt wird. Ergibt
sich nun schon hieraus die Notwendigkeit einer unabhängigen Verbindung, so
machte sich bei den Amerikanern schon früher, gleich nachdem ihnen im Frieden
von Paris 1899 die Philippinen in den Schoß gefallen waren, das Bedürfnis
nach einer eignen Linie San Francisco-Manila durch den Stillen Ozean geltend.
Mannigfache Streitigkeiten, insbesondre darüber, ob Staats- oder Privat¬
betrieb anzuwenden sei, sowie technische Schwierigkeiten -- so zum Beispiel
handelte es sich um die Umgehung der größten bisher gemessenen Meerestiefe
(9736 Meter östlich von Guam) -- verzögerten den Bau, sodaß das von
englischer Seite durch den Stillen Ozean geplante altbritische Kabel Vancouver-
Australien noch eher fertig wurde. Dann aber entschied man sich in Washington
für den Privatbetrieb, und nun wurde der Commercial Pacific Cable Co., einer
Gründung der mit Deutschland im Atlantischen Ozean Verbündeten Commercial
Cable Co., Bau und Betrieb des amerikanischen Pacifickabels übertragen. Mit
der Linie San Francisco-Honolulu-Midway Island-Guam-Manila, die am
1. Juli 1904 dem Verkehr übergeben wurde, war die neue unabhängige Ver¬
bindung hergestellt, allerdings zunächst nur bis zu den Philippinen und nicht
mit Ostasien. Denn den weitern Verkehr von Manila nach Hongkong besorgt
noch immer das Kabel der Eastern Cxtension Co., die seinerzeit von Spanien
das alleinige Landungsrecht auf deu Philippinen erworben hat und nun
natürlich von der amerikanischen Negierung als der Nechtsnachfolgerin der
spanischen verlangt, daß sie den von dieser geschlossenen Vertrag respektiert.
Ob sich die Amerikaner dadurch für alle Zeit gebunden erachten, steht freilich
dahin; mittlerweile aber hat sich ein andrer Weg aufgetnn, der dein Ziel einer
von England und von Nußland unabhängigen Verbindung mit Ostasien ent¬
gegenführt. Schon lange hatte es die niederländische Regierung unangenehm
empfunden, daß sich der Verkehr des Gouverneurs in Batavia mit der Heimat
immer nur über die englischen Kabel vollzieh" konnte, an die das nieder¬
ländisch-indische Kabel- und Telegraphennetz in Singapur Anschluß fand; jetzt,
wo die günstige Gelegenheit gegeben war, begann sie sich dem amerikanischen
Pacifickabel zu nähern, und hier trafen ihre Bemühungen mit denen der
Neichspostverwaltung zusammen, die sich das freundschaftliche Verhältnis zu
der Commercial Cable Co. auch an dieser Stelle zunutze zu machen suchte.
Das endliche Ergebnis aller dieser Verhandlungen war das deutsch-nieder¬
ländische Kabelabkommen von 1902, das zunächst eine Verlängerung des


Nordische eine Laudtelegraphenlinie eröffnet, die bei Werkne Udinsk sich von
der sibirischen abzweigend über Kjachta und Kalgcm dnrch die Mongolei hin¬
durch Peking und Tientsin erreicht, womit der Anschluß an das Kabelnetz
wieder gewonnen ist. Der zweite Weg geht von London aus über Gibraltar-
Suez-Aden-Bombay-Madras-Singapur bis Schanghai, und zwar mit Aus¬
nahme der Strecke Bombay-Madras des indischen Landtclegraphennetzes durch¬
aus über die Kabel der großen Tastern und der Eastern Cxtension Co. Diese
Sachlage erklärt übrigens, um das beiläufig zu bemerken, hinreichend den oft
diametral entgegengesetzten Charakter der Nachrichten vom Kriegsschauplatz,
indem auf der Nordlinie die russische und auf der südlichen nicht weniger
kräftig die den Japanern freundliche englische Zensur gehandhabt wird. Ergibt
sich nun schon hieraus die Notwendigkeit einer unabhängigen Verbindung, so
machte sich bei den Amerikanern schon früher, gleich nachdem ihnen im Frieden
von Paris 1899 die Philippinen in den Schoß gefallen waren, das Bedürfnis
nach einer eignen Linie San Francisco-Manila durch den Stillen Ozean geltend.
Mannigfache Streitigkeiten, insbesondre darüber, ob Staats- oder Privat¬
betrieb anzuwenden sei, sowie technische Schwierigkeiten — so zum Beispiel
handelte es sich um die Umgehung der größten bisher gemessenen Meerestiefe
(9736 Meter östlich von Guam) — verzögerten den Bau, sodaß das von
englischer Seite durch den Stillen Ozean geplante altbritische Kabel Vancouver-
Australien noch eher fertig wurde. Dann aber entschied man sich in Washington
für den Privatbetrieb, und nun wurde der Commercial Pacific Cable Co., einer
Gründung der mit Deutschland im Atlantischen Ozean Verbündeten Commercial
Cable Co., Bau und Betrieb des amerikanischen Pacifickabels übertragen. Mit
der Linie San Francisco-Honolulu-Midway Island-Guam-Manila, die am
1. Juli 1904 dem Verkehr übergeben wurde, war die neue unabhängige Ver¬
bindung hergestellt, allerdings zunächst nur bis zu den Philippinen und nicht
mit Ostasien. Denn den weitern Verkehr von Manila nach Hongkong besorgt
noch immer das Kabel der Eastern Cxtension Co., die seinerzeit von Spanien
das alleinige Landungsrecht auf deu Philippinen erworben hat und nun
natürlich von der amerikanischen Negierung als der Nechtsnachfolgerin der
spanischen verlangt, daß sie den von dieser geschlossenen Vertrag respektiert.
Ob sich die Amerikaner dadurch für alle Zeit gebunden erachten, steht freilich
dahin; mittlerweile aber hat sich ein andrer Weg aufgetnn, der dein Ziel einer
von England und von Nußland unabhängigen Verbindung mit Ostasien ent¬
gegenführt. Schon lange hatte es die niederländische Regierung unangenehm
empfunden, daß sich der Verkehr des Gouverneurs in Batavia mit der Heimat
immer nur über die englischen Kabel vollzieh» konnte, an die das nieder¬
ländisch-indische Kabel- und Telegraphennetz in Singapur Anschluß fand; jetzt,
wo die günstige Gelegenheit gegeben war, begann sie sich dem amerikanischen
Pacifickabel zu nähern, und hier trafen ihre Bemühungen mit denen der
Neichspostverwaltung zusammen, die sich das freundschaftliche Verhältnis zu
der Commercial Cable Co. auch an dieser Stelle zunutze zu machen suchte.
Das endliche Ergebnis aller dieser Verhandlungen war das deutsch-nieder¬
ländische Kabelabkommen von 1902, das zunächst eine Verlängerung des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/88>, abgerufen am 05.02.2025.