Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr."Line englisch-deutsche Verständigung" Das einzige Mittel, die Lücke in der englischen Rüstung zu schließen, könne Dicey begreift sehr wohl, daß die Idee eines deutsch-englischen Bündnisses Der Schluß der Betrachtungen geht darauf hinaus, daß sich Deutschland und Einstweilen erscheinen die Aussichten auf eine solche Friedenskonferenz noch „Line englisch-deutsche Verständigung" Das einzige Mittel, die Lücke in der englischen Rüstung zu schließen, könne Dicey begreift sehr wohl, daß die Idee eines deutsch-englischen Bündnisses Der Schluß der Betrachtungen geht darauf hinaus, daß sich Deutschland und Einstweilen erscheinen die Aussichten auf eine solche Friedenskonferenz noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297208"/> <fw type="header" place="top"> „Line englisch-deutsche Verständigung"</fw><lb/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> Das einzige Mittel, die Lücke in der englischen Rüstung zu schließen, könne<lb/> also nur in der Allianz mit einer Macht gefunden werden, deren militärische<lb/> Stärke die verhältnismüßige Schwäche Englands ergänze. Dicey bedauert,<lb/> daß England seinerzeit nicht dem Dreibunde beigetreten sei. Der Gedanke<lb/> würde sicherlich einer freundlichen Aufnahme begegnen, wenn er jetzt von der<lb/> britischen Seite des Deutschen Meeres (««rviM Oczgan,) ausginge. Deutschland<lb/> sei die einzige Macht, die England einen wirksamen Verbündeten zu Lande stellen<lb/> könne, während England die einzige Macht sei, die Deutschland ein wirksames<lb/> Bündnis auf den Meeren zu bieten imstande sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_257"> Dicey begreift sehr wohl, daß die Idee eines deutsch-englischen Bündnisses<lb/> solchen Leuten als Schimäre erscheinen müsse, die ihre Ansichten aus der anti¬<lb/> deutschen Presse in England und der antibritischeu Presse in Deutschland be¬<lb/> ziehn, und die glauben, daß die beiden großen anglosächsischen Nationen in<lb/> Verschwörungen verflochten seien, einander zu zerstören. Leute dagegen, die ihre<lb/> Meinungen auf Tatsachen und nicht auf Theorien begründen, könnten nicht<lb/> umhin, zu scheu, daß die gemeinsamen Interessen Englands und Deutschlands<lb/> viel stärker seien als ihre getrennten Interessen. Irgendeine Annäherung zu<lb/> einem Offensiv- oder Defensivbündnis zwischen Frankreich und England stehe<lb/> außer Frage, aber ebenso müsse zugegeben werden, daß solange der Zweibund<lb/> in Kraft bleibe, Deutschland nicht umhin könne, sich Nußland zuzuwenden.<lb/> Kein vernünftiger Mann könne Deutschland einen Vorwurf daraus macheu,<lb/> wenn es seinem großen nordischen Nachbar gefällig sei. Aber Deutschlands<lb/> Gefälligkeit gegen Nußland unterscheide sich doch sehr von der Gefälligkeit, die<lb/> Frankreich gegen Rußland beendige. Die Motive Deutschlands beruhten darin,<lb/> die Gefahr eines vereinigten Angriffs Frankreichs und Rußlands abzuwenden,<lb/> der Zweck Frankreichs sei, Nußland zum Beistande für die Wiedereroberung des<lb/> Elsasses und Lothringens zu bestimmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_258"> Der Schluß der Betrachtungen geht darauf hinaus, daß sich Deutschland und<lb/> England beizeiten über ein Zusammenwirken zur Verteidigung der gerechten An¬<lb/> sprüche Japans verständigen möchten, zunächst für die nach Diceys Ansicht bevor¬<lb/> stehende Friedenskonferenz. Eine solche Verständigung werde dann den Weg zu<lb/> einem neuen Bündnis pflastern, dessen Autorität im Rate Europas bei weitem<lb/> das Bündnis überbieten werde, das zwischen Frankreich und Rußland bestehe.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Einstweilen erscheinen die Aussichten auf eine solche Friedenskonferenz noch<lb/> ziemlich fern. Nußland würde vielleicht eine solche anrufen, wenn Japan zu<lb/> weit gehende Forderungen stellte, was Japan aus eben diesen Gründen unter¬<lb/> lassen wird, wenn es sonst gut beraten ist. Es muß sich darüber klar sein,<lb/> daß die Mehrzahl der Mächte, auch Amerika, durch ihre Interessen bestimmt<lb/> sein würden, die Friedensbedingungen für Rußland so erträglich wie möglich<lb/> zu gestalten. Japan würde also viel richtiger handeln, wenn es eine Ver¬<lb/> ständigung mit Nußland direkt suchte, als wenn es sich durch einen Kongreß,<lb/> der sich über drei Weltteile erstrecken würde, die Rechnung zusanunenstreichen ließe.<lb/> In der russischen Diplomatie ist allerdings eine gewisse Vorliebe für Kongresse<lb/> traditionell. Auch Napoleon der Dritte hatte sie, und der Pariser Kongreß von<lb/> 1856 ist wesentlich aus dem Gedanken der russischen Politik hervorgegangen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
„Line englisch-deutsche Verständigung"
Das einzige Mittel, die Lücke in der englischen Rüstung zu schließen, könne
also nur in der Allianz mit einer Macht gefunden werden, deren militärische
Stärke die verhältnismüßige Schwäche Englands ergänze. Dicey bedauert,
daß England seinerzeit nicht dem Dreibunde beigetreten sei. Der Gedanke
würde sicherlich einer freundlichen Aufnahme begegnen, wenn er jetzt von der
britischen Seite des Deutschen Meeres (««rviM Oczgan,) ausginge. Deutschland
sei die einzige Macht, die England einen wirksamen Verbündeten zu Lande stellen
könne, während England die einzige Macht sei, die Deutschland ein wirksames
Bündnis auf den Meeren zu bieten imstande sei.
Dicey begreift sehr wohl, daß die Idee eines deutsch-englischen Bündnisses
solchen Leuten als Schimäre erscheinen müsse, die ihre Ansichten aus der anti¬
deutschen Presse in England und der antibritischeu Presse in Deutschland be¬
ziehn, und die glauben, daß die beiden großen anglosächsischen Nationen in
Verschwörungen verflochten seien, einander zu zerstören. Leute dagegen, die ihre
Meinungen auf Tatsachen und nicht auf Theorien begründen, könnten nicht
umhin, zu scheu, daß die gemeinsamen Interessen Englands und Deutschlands
viel stärker seien als ihre getrennten Interessen. Irgendeine Annäherung zu
einem Offensiv- oder Defensivbündnis zwischen Frankreich und England stehe
außer Frage, aber ebenso müsse zugegeben werden, daß solange der Zweibund
in Kraft bleibe, Deutschland nicht umhin könne, sich Nußland zuzuwenden.
Kein vernünftiger Mann könne Deutschland einen Vorwurf daraus macheu,
wenn es seinem großen nordischen Nachbar gefällig sei. Aber Deutschlands
Gefälligkeit gegen Nußland unterscheide sich doch sehr von der Gefälligkeit, die
Frankreich gegen Rußland beendige. Die Motive Deutschlands beruhten darin,
die Gefahr eines vereinigten Angriffs Frankreichs und Rußlands abzuwenden,
der Zweck Frankreichs sei, Nußland zum Beistande für die Wiedereroberung des
Elsasses und Lothringens zu bestimmen.
Der Schluß der Betrachtungen geht darauf hinaus, daß sich Deutschland und
England beizeiten über ein Zusammenwirken zur Verteidigung der gerechten An¬
sprüche Japans verständigen möchten, zunächst für die nach Diceys Ansicht bevor¬
stehende Friedenskonferenz. Eine solche Verständigung werde dann den Weg zu
einem neuen Bündnis pflastern, dessen Autorität im Rate Europas bei weitem
das Bündnis überbieten werde, das zwischen Frankreich und Rußland bestehe.
Einstweilen erscheinen die Aussichten auf eine solche Friedenskonferenz noch
ziemlich fern. Nußland würde vielleicht eine solche anrufen, wenn Japan zu
weit gehende Forderungen stellte, was Japan aus eben diesen Gründen unter¬
lassen wird, wenn es sonst gut beraten ist. Es muß sich darüber klar sein,
daß die Mehrzahl der Mächte, auch Amerika, durch ihre Interessen bestimmt
sein würden, die Friedensbedingungen für Rußland so erträglich wie möglich
zu gestalten. Japan würde also viel richtiger handeln, wenn es eine Ver¬
ständigung mit Nußland direkt suchte, als wenn es sich durch einen Kongreß,
der sich über drei Weltteile erstrecken würde, die Rechnung zusanunenstreichen ließe.
In der russischen Diplomatie ist allerdings eine gewisse Vorliebe für Kongresse
traditionell. Auch Napoleon der Dritte hatte sie, und der Pariser Kongreß von
1856 ist wesentlich aus dem Gedanken der russischen Politik hervorgegangen,
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