Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Aus König Wilhelms ersten Jahren Beobachtung nach Warschau sandte, der dort bis November 1865 blieb und Sehr interessante Mitteilungen bringt Hohenlohe gegen das Ende des Im Hauptquartier der russischen Armee in Polen 1863 bis 1865. Persönliche Er¬
innerungen von I. von Verdy du Vernois. Berlin, 1903, E. S. Mittler und Sohn. Aus König Wilhelms ersten Jahren Beobachtung nach Warschau sandte, der dort bis November 1865 blieb und Sehr interessante Mitteilungen bringt Hohenlohe gegen das Ende des Im Hauptquartier der russischen Armee in Polen 1863 bis 1865. Persönliche Er¬
innerungen von I. von Verdy du Vernois. Berlin, 1903, E. S. Mittler und Sohn. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0640" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297019"/> <fw type="header" place="top"> Aus König Wilhelms ersten Jahren</fw><lb/> <p xml:id="ID_2972" prev="#ID_2971"> Beobachtung nach Warschau sandte, der dort bis November 1865 blieb und<lb/> seine Erlebnisse jetzt anschaulich und lebendig geschildert hat.*) Diese Politik<lb/> fand freilich bei den Liberalen eine scharfe Kritik und trug nach Hohenlohes<lb/> Version zu der bekannten Danziger Rede des Kronprinzen am 5. Juni 1863<lb/> bei. Denn als der Oberbürgermeister von Winter, der „Bismarck Dcmzigs,"<lb/> wie man ihn dort später nannte, ihn in dem herrlichen alten Rathause der<lb/> stolzen Hansestadt begrüßte, motivierte er nach Hohenlohes Erzählung die<lb/> mangelnde Wärme des Empfangs mit der Verstimmung der Gemüter „durch<lb/> die letzten Maßregeln (nicht gegen die Presse, sondern) gegen die Polen,"<lb/> worauf der Kronprinz „ärgerlich," „ohne viel Gewicht auf seine Worte zu<lb/> legen," herausplatzte: „Was gehn mich denn diese Maßregeln an? Ich habe<lb/> dabei nicht mitzusprechen gehabt." Das weicht von der Darstellung Bismarcks<lb/> in den „Gedanken und Erinnerungen" (1,316 f.) wesentlich ab, denn danach<lb/> hatte sich der Kronprinz schon am 4. Juni schriftlich gegen seinen Vater gegen<lb/> die Preßverordnung vom 1. Juni erklärt, und auf diese wurden nun seine<lb/> Äußerungen in Danzig als eine Kritik der Regierung bezogen. Daß Bismarck<lb/> bei dem erzürnten König vermittelnd gewirkt habe, bestätigt auch Hohenlohe.<lb/> Wie großes Gewicht König Wilhelm persönlich den polnischen Dingen bei¬<lb/> legte, zeigt u. a. ein von Hohenlohe erwähnter Brief an Kaiser Alexander<lb/> den Zweiten, seinen Neffen, worin er diesem erklärte, wenn Rußland, wie<lb/> eine einflußreiche Partei in Petersburg dem Kaiser in der Tat empfahl<lb/> (Gedanken und Erinnerungen I, 308), Polen als ein selbständiges Königreich<lb/> unter einem russischen Großfürsten (etwa dem damaligen Statthalter Konstantin)<lb/> abzutrennen gedenke, so werde er es sofort besetzen und in Preußen einver¬<lb/> leiben im Interesse der Ruhe seines eignen Staats (S. 329).</p><lb/> <p xml:id="ID_2973" next="#ID_2974"> Sehr interessante Mitteilungen bringt Hohenlohe gegen das Ende des<lb/> zweiten Bandes über die Sommerwochen von 1863 in Gastein und Baden,<lb/> die für Deutschland eine so entscheidende Bedeutung gewannen. Wegen eines<lb/> schmerzhaften Nierensteinleidens ging der König am 19. Juni 1863 zunächst<lb/> nach Karlsbad, wohin ihm Bismarck am 23. folgte (vgl. seine Briefe bei<lb/> H. Kohl Ur. 299 bis 301; Bismarckregesten I, 205), von dort zur Nachkur<lb/> Mitte Juli nach Gastein. Bis Pilsen ging die Fahrt am 18. Juli zu Wagen,<lb/> von da am 19., einem Sonntag, mit der Eisenbahn nach Regensburg, wo Bis¬<lb/> marck, der von Karlsbad aus erst auf ein paar Tage nach Berlin zurückgekehrt<lb/> war, über Dresden, Leipzig und Nürnberg reisend, wieder mit ihm zusammen¬<lb/> traf. Am 20. wurde die Reise wieder mit Eisenbahn über Passan und Wels<lb/> bis Salzburg fortgesetzt, dann dort „ein paar Tage" Aufenthalt genommen.<lb/> In der „Residenz" gab es Diner und Soiree bei der Witwe Kaiser Franz<lb/> des Ersten, die mit ihrem ganzen Hofe „einen antediluvianischer Eindruck"<lb/> machte; auch der alte taube König Ludwig von Bayern, ihr Bruder, war an¬<lb/> wesend und machte sich besonders dadurch bemerklich, daß er jedem, der ihm<lb/> vorgestellt wurde, etwas Unangenehmes sagte. Am Vormittage des 20. (21.) Juli</p><lb/> <note xml:id="FID_31" place="foot"> Im Hauptquartier der russischen Armee in Polen 1863 bis 1865. Persönliche Er¬<lb/> innerungen von I. von Verdy du Vernois. Berlin, 1903, E. S. Mittler und Sohn.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0640]
Aus König Wilhelms ersten Jahren
Beobachtung nach Warschau sandte, der dort bis November 1865 blieb und
seine Erlebnisse jetzt anschaulich und lebendig geschildert hat.*) Diese Politik
fand freilich bei den Liberalen eine scharfe Kritik und trug nach Hohenlohes
Version zu der bekannten Danziger Rede des Kronprinzen am 5. Juni 1863
bei. Denn als der Oberbürgermeister von Winter, der „Bismarck Dcmzigs,"
wie man ihn dort später nannte, ihn in dem herrlichen alten Rathause der
stolzen Hansestadt begrüßte, motivierte er nach Hohenlohes Erzählung die
mangelnde Wärme des Empfangs mit der Verstimmung der Gemüter „durch
die letzten Maßregeln (nicht gegen die Presse, sondern) gegen die Polen,"
worauf der Kronprinz „ärgerlich," „ohne viel Gewicht auf seine Worte zu
legen," herausplatzte: „Was gehn mich denn diese Maßregeln an? Ich habe
dabei nicht mitzusprechen gehabt." Das weicht von der Darstellung Bismarcks
in den „Gedanken und Erinnerungen" (1,316 f.) wesentlich ab, denn danach
hatte sich der Kronprinz schon am 4. Juni schriftlich gegen seinen Vater gegen
die Preßverordnung vom 1. Juni erklärt, und auf diese wurden nun seine
Äußerungen in Danzig als eine Kritik der Regierung bezogen. Daß Bismarck
bei dem erzürnten König vermittelnd gewirkt habe, bestätigt auch Hohenlohe.
Wie großes Gewicht König Wilhelm persönlich den polnischen Dingen bei¬
legte, zeigt u. a. ein von Hohenlohe erwähnter Brief an Kaiser Alexander
den Zweiten, seinen Neffen, worin er diesem erklärte, wenn Rußland, wie
eine einflußreiche Partei in Petersburg dem Kaiser in der Tat empfahl
(Gedanken und Erinnerungen I, 308), Polen als ein selbständiges Königreich
unter einem russischen Großfürsten (etwa dem damaligen Statthalter Konstantin)
abzutrennen gedenke, so werde er es sofort besetzen und in Preußen einver¬
leiben im Interesse der Ruhe seines eignen Staats (S. 329).
Sehr interessante Mitteilungen bringt Hohenlohe gegen das Ende des
zweiten Bandes über die Sommerwochen von 1863 in Gastein und Baden,
die für Deutschland eine so entscheidende Bedeutung gewannen. Wegen eines
schmerzhaften Nierensteinleidens ging der König am 19. Juni 1863 zunächst
nach Karlsbad, wohin ihm Bismarck am 23. folgte (vgl. seine Briefe bei
H. Kohl Ur. 299 bis 301; Bismarckregesten I, 205), von dort zur Nachkur
Mitte Juli nach Gastein. Bis Pilsen ging die Fahrt am 18. Juli zu Wagen,
von da am 19., einem Sonntag, mit der Eisenbahn nach Regensburg, wo Bis¬
marck, der von Karlsbad aus erst auf ein paar Tage nach Berlin zurückgekehrt
war, über Dresden, Leipzig und Nürnberg reisend, wieder mit ihm zusammen¬
traf. Am 20. wurde die Reise wieder mit Eisenbahn über Passan und Wels
bis Salzburg fortgesetzt, dann dort „ein paar Tage" Aufenthalt genommen.
In der „Residenz" gab es Diner und Soiree bei der Witwe Kaiser Franz
des Ersten, die mit ihrem ganzen Hofe „einen antediluvianischer Eindruck"
machte; auch der alte taube König Ludwig von Bayern, ihr Bruder, war an¬
wesend und machte sich besonders dadurch bemerklich, daß er jedem, der ihm
vorgestellt wurde, etwas Unangenehmes sagte. Am Vormittage des 20. (21.) Juli
Im Hauptquartier der russischen Armee in Polen 1863 bis 1865. Persönliche Er¬
innerungen von I. von Verdy du Vernois. Berlin, 1903, E. S. Mittler und Sohn.
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