Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Herrenmenschen Jawohl, antworteten die Fischer, dir zu Nutzen und uns zum Schaden. Dann sucht euch einen, der ist so meschugge und kauft nach Gewicht, ant¬ Der Doktor war Zeuge dieser Verhandlung gewesen und hatte den stillen, Dieses Wort machte großes Aufsehen auf dem Eise und lief mit Windeseile Haißt ein Geschäft, sagte der Jtzig und fuhr entrüstet mit seinem Schlitten Doktor, sagte Tauenden, Sie sind ein guter Mensch. Aber was wollen Sie Übers Eis nach Straußbeck bringen und nach N. verfrachten. Inzwischen war in der Ferne ein Segel erschienen, das Segel eines Segel¬ Jetzt kam er zu Kondrot. Was machen Sie hier? herrschte er ihn an. Ich habe meine Gerechtigkeit nicht verpachtet, sondern nur mein Boot, ant¬ Der Fischmeister würdigte ihn keiner Antwort, sondern befahl in dem lässigen Ach, Johannes/ sagte die Arte mit Tränen, indem sie immer noch ihr Netzstück Ist denn das Rechtens? fragte der Doktor, der den Vorgang angesehen hatte, Dieser zuckte die Achseln und sagte: Wer weiß, was Rechtens ist, und was Grenzboten II IW6 79
Herrenmenschen Jawohl, antworteten die Fischer, dir zu Nutzen und uns zum Schaden. Dann sucht euch einen, der ist so meschugge und kauft nach Gewicht, ant¬ Der Doktor war Zeuge dieser Verhandlung gewesen und hatte den stillen, Dieses Wort machte großes Aufsehen auf dem Eise und lief mit Windeseile Haißt ein Geschäft, sagte der Jtzig und fuhr entrüstet mit seinem Schlitten Doktor, sagte Tauenden, Sie sind ein guter Mensch. Aber was wollen Sie Übers Eis nach Straußbeck bringen und nach N. verfrachten. Inzwischen war in der Ferne ein Segel erschienen, das Segel eines Segel¬ Jetzt kam er zu Kondrot. Was machen Sie hier? herrschte er ihn an. Ich habe meine Gerechtigkeit nicht verpachtet, sondern nur mein Boot, ant¬ Der Fischmeister würdigte ihn keiner Antwort, sondern befahl in dem lässigen Ach, Johannes/ sagte die Arte mit Tränen, indem sie immer noch ihr Netzstück Ist denn das Rechtens? fragte der Doktor, der den Vorgang angesehen hatte, Dieser zuckte die Achseln und sagte: Wer weiß, was Rechtens ist, und was Grenzboten II IW6 79
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Herrenmenschen
Jawohl, antworteten die Fischer, dir zu Nutzen und uns zum Schaden.
Aber wir wollen uns nicht weiter betrügen lassen. Wir wollen nach Gewicht
verkaufen.
Dann sucht euch einen, der ist so meschugge und kauft nach Gewicht, ant¬
wortete Jtzig.
Der Doktor war Zeuge dieser Verhandlung gewesen und hatte den stillen,
von ihm selbst nicht gebilligten Wunsch, mittelalterlicher Herr zu sein und die Macht
zu haben, nach altem Rechte dem Kaufmann vorzuschreiben, was er für die Ware
zahlen müsse. Aber muß es denn Schwert und Gewalt sein, wodurch der Starke
feine Macht ausübt? gibt es nicht auch moderne Mittel? Hört zu, rief er mit
einer Stimme, die laut über das Eis hallte: Die Fische, die heute Abend unver¬
kauft bleiben, die kaufe ich nach Gewicht und für bares Geld.
Dieses Wort machte großes Aufsehen auf dem Eise und lief mit Windeseile
von Stand zu Stand.
Haißt ein Geschäft, sagte der Jtzig und fuhr entrüstet mit seinem Schlitten
davon, und der Baruch und der Plerrer fuhren hinterdrein.
Doktor, sagte Tauenden, Sie sind ein guter Mensch. Aber was wollen Sie
mit den vielen Fischen anfangen?
Übers Eis nach Straußbeck bringen und nach N. verfrachten.
Inzwischen war in der Ferne ein Segel erschienen, das Segel eines Segel¬
schlittens, der eine polizeirote Fahne führte. Das war das Fahrzeug des Herrn
Fischmeisters. Er Pflegte, wenn er im Kutter die Fischerflotte aufsuchte und ein
Fischerboot aufforderte, sich der Untersuchung zu stellen, die rote Fahne zu ziehn.
Hier wäre es nun nicht nötig gewesen, da jn bei der Eisfischerei nicht möglich war,
zu entflieh», aber es machte doch mehr Eindruck, wenn die rote Fahne wehte.
Bald erschien denn auch der Herr Fischmeister, steif und würdevoll schreitend und
sprechend, wie er es dem Herrn Amtshauptmmm abgesehen hatte. Die Fischer
hatten alle kein reines Gewissen, rin Ausnahme von Kondrot, der sich streng nu
die Vorschriften gehalten hatte. Der Fischmeister untersuchte die Netze und forschte
nach Klapperhölzern, schalt hier und schrieb dort auf, aber man konnte merken, daß
es ihm uicht recht ernst mit der Sache war.
Jetzt kam er zu Kondrot. Was machen Sie hier? herrschte er ihn an.
Wie kommen Sie dazu, selber zu fischen, wenn Sie Ihre Gerechtigkeit verpachtet
haben?
Ich habe meine Gerechtigkeit nicht verpachtet, sondern nur mein Boot, ant¬
wortete Kondrot.
Der Fischmeister würdigte ihn keiner Antwort, sondern befahl in dem lässigen
Tone, in dem Gropposf seine Befehle zu erteilen pflegte, dem Kondrot das Netz
zu konfiszieren. Die beiden Männer, die mit ihm gekommen waren, griffen zu,
aber die Arte, die wußte, wie viel ein Netz kostet, und wie viel Mühe es macht,
und wie viel Zeit es fordert, ein Netz zu stricken, und daß ihr Herr ohne das Netz
nichts zu leben habe, hielt das eine Ende krampfhaft fest und schrie und schalt.
Die Sbirren des Fischmeisters schlugen der Arte mit einem Brettstück auf die
Finger, und da das nichts half, schnitten sie das Stück, das sie festhielt, von dem
übrigen Netze ab und packten das Netz auf den Segelschlitten. Es war eine hä߬
liche Szene. Kondrot stand dabei, gedrückt und beschämt, und sagte kein Wort.
Er wußte, daß er im Rechte sei, und daß er seine Gerechtigkeit nicht weggegeben
habe, er wußte aber auch, daß ihm niemand zu seinem Rechte verhelfen werde.
Ach, Johannes/ sagte die Arte mit Tränen, indem sie immer noch ihr Netzstück
in den zerschlngnen Händen hielt, sie schnauben, sie schnauben fürchterlich wider den
Herrn und seinen Gerechten.
Ist denn das Rechtens? fragte der Doktor, der den Vorgang angesehen hatte,
einen der dabei stehenden Fischer.
Dieser zuckte die Achseln und sagte: Wer weiß, was Rechtens ist, und was
Grenzboten II IW6 79
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