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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

daß es ihm nicht erlaubt sei, zum Vergnügen von Baron Bordeaux Dummheiten
zu machen.

Es war gerade die Zeit, wo die großen Netze mit Hilfe von Winden aus dem
Wasser gezogen wurden. Zu dieser Zeit pflegten sich die Händler einzustellen und
die Fische, ehe sie noch aus dem Netze genommen waren und taxiert werden konnten,
im Rausch zu kaufen. Die Fischer verfuhren dabei äußerst sorglos, und dies um
so mehr, je mehr sie Branntwein getrunken hatten. Die Händler machten sich das
zunutze, brachten Branntwein mit sich und animierten zum Trinken. Wen" man
die Fischer in der richtigen Stimmung hatte, machte man sein Geschäft, und die
Fischer waren betrogen. Der Doktor, dem Tauenden die Sache erklärte, sah es mit
Unwillen. Jetzt begriff er den Wunsch des Herrn Pastors, es mochte sich einer der
Leute annehmen und denen mit überlegner Kraft entgegentreten, die das arme Volk
mit Branntwein vergifteten und geschäftlich ausbeuteten. Daß hier mit Reden nicht
viel zu machen sei, begriff er, aber konnte man denn die Leute uuter Kuratel stellen?

Man hörte Musik. Tauenden sah sich um und lachte. Man sah von zwei Pferden
im Trabe gezogen die Schlittenlokomotive herannahen. Der Schlot rauchte lustig,
und eine Fahne, auf der eine Kaffeekanne abgebildet war, flatterte im Winde.
Vorn im Schlitten saß ein Knecht, in der Mitte stand der Ofen, dessen Kessel
eine Flut von Kaffee barg, und hinten im Schlitten saßen Schwechting und der
Herr Kandidat. An den Lokomotivschlitten angehängt war Wolfs kleiner Schlitten.
Einen Schlot hatte auch er, doch war dieser nur aus Pappe gefertigt, aber Kaffee
brachte er doch. Dieser Kaffee war in einer Wärmflasche enthalten, die man in
wollne Decken gehüllt hatte. Auf dem kleinen Schlitten saß Wolf. Als sich dieses
wunderliche Fahrzeug dem Fischereiplätze näherte, bearbeitete Schwechting mit mehr
Eifer als Kunst eine Harmonika. Wolf schlug zwei Topfdeckel aufeinander, und
der Herr Kandidat sah um einige Grade weniger ernst aus als sonst. Die Knffee-
post führ von Fischstand zu Fischstand, und der Herr Kandidat wurde nicht müde,
Kaffee zu schöpfen und auszuteilen, während Schwechting aus einem Sacke Brot¬
wecken nahm und sie jedem gab, der danach verlangte. Die Fischer nahmen den
Kaffee dankbar an -- er kostete ja auch nichts; die Männer nickten beifällig über
den warmen Trank, der besser wärmte als der schärfste Branntwein, und die Frauen
tranken ihr sehnlicher mit Wonne, hielten ihren Männern Reden über das ver¬
fluchte Saufen und küßten Tauenden, die sie nicht mit Unrecht für die Geberin
hielten, das Kleid.

Aber auch Widerstand und gehässiges Urteil fand die wohltätige Gabe, näm¬
lich bei den Kupschellern, die mit feinem Gefühl merkten, daß der Kaffee ihnen die
Atmosphäre verdarb, in der sie am liebsten ihre Geschäfte machten. Es gibt Juden
und Judengenossen. Die zweiten unterscheiden sich von den ersten dadurch, daß
sie die geschäftlichen Gepflogenheiten ihrer Freunde noch zu überbieten Pflegen. Da
war nun der Plerrer, ein Mensch wie ein Riese, der es aber für angemessen ge¬
halten hatte, seine Kräfte zu schonen und sich auf den Fischhandel zu werfen.
Dieser höhnte die Fischer, die Kaffee tranken, aus, nannte sie alte Weiber und ver¬
schwur sich, nur von denen zu kaufen, die ihm auch seinen Schnaps abnähmen.
Darüber kam es zum Streit. Und da der Kaffee bald eine ernüchternde Wirkung
ausübte, so fand der eine und der andre heraus, daß er seinen Fang zu gering
hatte taxieren lassen, und daß er betrogen sei, und verlangte, daß die Fische nach
Gewicht bezahlt werden sollten.

Worüber sich der Jtzig höchlich aufregte. Wie haißt? rief er, ßwaimal ver¬
kaufen? verkaufen nach Taxe und verkaufen nach Gewicht? Haißt ein Geschäft!
Die Wage aufs Eis bringen und dem Händler verkaufen Fische und gefrornes
Wasser für teures Geld? Haißt ein Geschäft. Wann hat man gehört, daß der
Fischer nimmt eine Wage aufs Eis. Wollt ihr nicht auch bringen eine Wiege aufs
Eis und Kopfkissen und eine Schlafmütze aufs Eis? Nu? Wozu hat man gelernt
das Geschäft und kann taxieren, was im Netz ist?


Herrenmenschen

daß es ihm nicht erlaubt sei, zum Vergnügen von Baron Bordeaux Dummheiten
zu machen.

Es war gerade die Zeit, wo die großen Netze mit Hilfe von Winden aus dem
Wasser gezogen wurden. Zu dieser Zeit pflegten sich die Händler einzustellen und
die Fische, ehe sie noch aus dem Netze genommen waren und taxiert werden konnten,
im Rausch zu kaufen. Die Fischer verfuhren dabei äußerst sorglos, und dies um
so mehr, je mehr sie Branntwein getrunken hatten. Die Händler machten sich das
zunutze, brachten Branntwein mit sich und animierten zum Trinken. Wen» man
die Fischer in der richtigen Stimmung hatte, machte man sein Geschäft, und die
Fischer waren betrogen. Der Doktor, dem Tauenden die Sache erklärte, sah es mit
Unwillen. Jetzt begriff er den Wunsch des Herrn Pastors, es mochte sich einer der
Leute annehmen und denen mit überlegner Kraft entgegentreten, die das arme Volk
mit Branntwein vergifteten und geschäftlich ausbeuteten. Daß hier mit Reden nicht
viel zu machen sei, begriff er, aber konnte man denn die Leute uuter Kuratel stellen?

Man hörte Musik. Tauenden sah sich um und lachte. Man sah von zwei Pferden
im Trabe gezogen die Schlittenlokomotive herannahen. Der Schlot rauchte lustig,
und eine Fahne, auf der eine Kaffeekanne abgebildet war, flatterte im Winde.
Vorn im Schlitten saß ein Knecht, in der Mitte stand der Ofen, dessen Kessel
eine Flut von Kaffee barg, und hinten im Schlitten saßen Schwechting und der
Herr Kandidat. An den Lokomotivschlitten angehängt war Wolfs kleiner Schlitten.
Einen Schlot hatte auch er, doch war dieser nur aus Pappe gefertigt, aber Kaffee
brachte er doch. Dieser Kaffee war in einer Wärmflasche enthalten, die man in
wollne Decken gehüllt hatte. Auf dem kleinen Schlitten saß Wolf. Als sich dieses
wunderliche Fahrzeug dem Fischereiplätze näherte, bearbeitete Schwechting mit mehr
Eifer als Kunst eine Harmonika. Wolf schlug zwei Topfdeckel aufeinander, und
der Herr Kandidat sah um einige Grade weniger ernst aus als sonst. Die Knffee-
post führ von Fischstand zu Fischstand, und der Herr Kandidat wurde nicht müde,
Kaffee zu schöpfen und auszuteilen, während Schwechting aus einem Sacke Brot¬
wecken nahm und sie jedem gab, der danach verlangte. Die Fischer nahmen den
Kaffee dankbar an — er kostete ja auch nichts; die Männer nickten beifällig über
den warmen Trank, der besser wärmte als der schärfste Branntwein, und die Frauen
tranken ihr sehnlicher mit Wonne, hielten ihren Männern Reden über das ver¬
fluchte Saufen und küßten Tauenden, die sie nicht mit Unrecht für die Geberin
hielten, das Kleid.

Aber auch Widerstand und gehässiges Urteil fand die wohltätige Gabe, näm¬
lich bei den Kupschellern, die mit feinem Gefühl merkten, daß der Kaffee ihnen die
Atmosphäre verdarb, in der sie am liebsten ihre Geschäfte machten. Es gibt Juden
und Judengenossen. Die zweiten unterscheiden sich von den ersten dadurch, daß
sie die geschäftlichen Gepflogenheiten ihrer Freunde noch zu überbieten Pflegen. Da
war nun der Plerrer, ein Mensch wie ein Riese, der es aber für angemessen ge¬
halten hatte, seine Kräfte zu schonen und sich auf den Fischhandel zu werfen.
Dieser höhnte die Fischer, die Kaffee tranken, aus, nannte sie alte Weiber und ver¬
schwur sich, nur von denen zu kaufen, die ihm auch seinen Schnaps abnähmen.
Darüber kam es zum Streit. Und da der Kaffee bald eine ernüchternde Wirkung
ausübte, so fand der eine und der andre heraus, daß er seinen Fang zu gering
hatte taxieren lassen, und daß er betrogen sei, und verlangte, daß die Fische nach
Gewicht bezahlt werden sollten.

Worüber sich der Jtzig höchlich aufregte. Wie haißt? rief er, ßwaimal ver¬
kaufen? verkaufen nach Taxe und verkaufen nach Gewicht? Haißt ein Geschäft!
Die Wage aufs Eis bringen und dem Händler verkaufen Fische und gefrornes
Wasser für teures Geld? Haißt ein Geschäft. Wann hat man gehört, daß der
Fischer nimmt eine Wage aufs Eis. Wollt ihr nicht auch bringen eine Wiege aufs
Eis und Kopfkissen und eine Schlafmütze aufs Eis? Nu? Wozu hat man gelernt
das Geschäft und kann taxieren, was im Netz ist?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/624>, abgerufen am 05.02.2025.