Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Meißen der Stadt Meißen von allen gerichtlichen Bußgeldern den "dritten Pfennig/' d. h. Die erste Blütezeit Meißens fällt unter die Regierung Heinrichs des Er¬ Damals vollzieht sich ein auffälliger Wandel in der Stellung der Meißner Grcnzboten II 1905 78
Meißen der Stadt Meißen von allen gerichtlichen Bußgeldern den „dritten Pfennig/' d. h. Die erste Blütezeit Meißens fällt unter die Regierung Heinrichs des Er¬ Damals vollzieht sich ein auffälliger Wandel in der Stellung der Meißner Grcnzboten II 1905 78
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296996"/> <fw type="header" place="top"> Meißen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2819" prev="#ID_2818"> der Stadt Meißen von allen gerichtlichen Bußgeldern den „dritten Pfennig/' d. h.<lb/> den dritten Teil bezieht, während die beiden andern Drittel dem Markgrafen ge¬<lb/> hören, daß der Burggraf auch von den Fleischhauern und den Bierbrauern eine<lb/> Abgabe, ja sogar einen allgemeinen Herdzins aus der Stadt erhält. Endlich zeigt<lb/> uns auch das älteste Meißner Stadtsiegel die annähernd gleiche Stellung des Mark¬<lb/> grafen und des Burggrafen über der Gemeinde: unter einer durch vier Türme<lb/> angedeuteten Burg steht ein barhäuptiger, mit dem Schwert gegürteter Mann, der<lb/> in der Linken einen Baum mit dem meißnischen Löwen des Markgrafen, in der<lb/> Rechten einen Baum mit den gekreuzten Balken, dem Wappen des Burggrafen, trägt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2820"> Die erste Blütezeit Meißens fällt unter die Regierung Heinrichs des Er¬<lb/> lauchten (gestorben 1288). Er hielt im Markgrafenhause der Burg, das spätestens<lb/> seit 1206 auch eine mit Bildern geschmückte Kemenate hatte, öfters Hof; wie er<lb/> selbst zu den berühmten Minnesängern seiner Zeit zählte, so war auch sein Hof<lb/> eine gastliche Heimstätte für Helden der Leier und der Turnierlanze. Heinrich<lb/> Frauenlob wurde damals (1250) in Meißen geboren. Unten in der Stadt aber<lb/> siedelten sich neben den Handwerkern, den kleinen Kaufleuten und den Juden auch<lb/> vornehme aus dem Westen zuwandernde Geschlechter und ritterliche Herren aus den<lb/> benachbarten Dörfern an, wie die Ratslisten des folgenden (vierzehnten) Jahrhunderts<lb/> beweisen: Herren von Pegau und von Eilenburg, von Elgersdorf, von Brockwitz,<lb/> von Zehren usw. Bedeutendes Leben entfaltete sich damals auch auf dem der Kirche<lb/> zugewiesnen südliche« Drittel des Burgberges. Mit dem Machtbereich der wet-<lb/> tinischen Markgrafen war auch der Sprengel des Bistums Meißen gewaltig ge¬<lb/> wachsen: er reichte von der Zwickauer Mulde ostwärts bis zum Bober und zum<lb/> Queis und vom Erzgebirge nordwärts bis zur untern Spree und mittlern Oder,<lb/> ja bei dem Kastell Schiedlo sogar ans das rechte Oderufer hinüber. Noch heute<lb/> können wir aus der Bistumsmatrikel ersehen, wie viel Mark Silbers jede Stadt-<lb/> und Dorfkirche, ja sogar jeder Altar dieses großen Gebiets in den Schatz des<lb/> Meißner Doms zinste. Mit diesen reichlich fließenden Mitteln begann Bischof<lb/> Withegv der Erste (1266 bis 1293) um 1280, den veränderten hierarchischen<lb/> und künstlerischen Verhältnissen Rechnung tragend, den ältern romanischen Dombau<lb/> niederzulegen und allmählich durch einen gotischen zu ersehen. Die Fundamente<lb/> des romanischen Baues sind bei den jetzigen Arbeiten zur Verstärkung der Grund¬<lb/> mauern entdeckt worden. Withego hat den hohen Chor, das Kreuzschiff, einige<lb/> Joche des Langhauses und die schöne nach Süden liegende achteckige Johannis-<lb/> kapelle mit ihrem ursprünglich offnen Unterbau errichtet, aber nach seinem Tode<lb/> wurden anch die Unternehmungen des Bischofs empfindlich gestört durch eine schlimme<lb/> Katastrophe, die länger als ein Jahrzehnt den Bestand der wettinischen Herrschaft<lb/> bedrohte. Heinrichs des Erlauchten Regierung, die so im heitern Lichte weit¬<lb/> schauender Pläne und Entwürfe begann, hatte im Dunkel unheilvoller Familien-<lb/> zwistigkeiten geendet. Ländergierige Kaiser wie Adolf von Nassau und Albrecht<lb/> der Erste von Österreich benutzten diese Verhältnisse, teils dnrch Käufe, teils durch<lb/> Einziehungen der Lehen die reichen Besitzungen der Wettiner an sich zu bringen.<lb/> Bald nach Beginn des Jahres 1296 eroberte König Adolf das tapfer verteidigte<lb/> Freiberg und ließ sechzig Häupter der Bürgerschaft durch das Beil des Henkers<lb/> sterbe«, die andern rettete Friedrich der Freidige nur durch Abtretung seiner andern<lb/> festen Plätze, insonderheit von Meißen, vor dem Tode.</p><lb/> <p xml:id="ID_2821" next="#ID_2822"> Damals vollzieht sich ein auffälliger Wandel in der Stellung der Meißner<lb/> Burggrafen. Meinher der Dritte (1254 bis 1308) war, wie es scheint, mehr ge¬<lb/> zwungen als freiwillig, immer als der erste der Vasallen der wettinischen Mark¬<lb/> grafen erschienen und von ihnen zu mancher Einengung seiner Gewalt genötigt<lb/> worden; damals aber, und zwar schon 1293, trat er zur Partei König Adolfs<lb/> über, um auf diese« gestützt seine Reichsunmittelbarkeit wiederherzustellen. Zwar<lb/> kam am 13. Januar 1294 noch einmal eine Aussöhnung zwischen Meinher dem<lb/> Dritten und Friedrich dem Freidigen zustande, aber als 1296 Adolf Freiberg er-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzboten II 1905 78</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0617]
Meißen
der Stadt Meißen von allen gerichtlichen Bußgeldern den „dritten Pfennig/' d. h.
den dritten Teil bezieht, während die beiden andern Drittel dem Markgrafen ge¬
hören, daß der Burggraf auch von den Fleischhauern und den Bierbrauern eine
Abgabe, ja sogar einen allgemeinen Herdzins aus der Stadt erhält. Endlich zeigt
uns auch das älteste Meißner Stadtsiegel die annähernd gleiche Stellung des Mark¬
grafen und des Burggrafen über der Gemeinde: unter einer durch vier Türme
angedeuteten Burg steht ein barhäuptiger, mit dem Schwert gegürteter Mann, der
in der Linken einen Baum mit dem meißnischen Löwen des Markgrafen, in der
Rechten einen Baum mit den gekreuzten Balken, dem Wappen des Burggrafen, trägt.
Die erste Blütezeit Meißens fällt unter die Regierung Heinrichs des Er¬
lauchten (gestorben 1288). Er hielt im Markgrafenhause der Burg, das spätestens
seit 1206 auch eine mit Bildern geschmückte Kemenate hatte, öfters Hof; wie er
selbst zu den berühmten Minnesängern seiner Zeit zählte, so war auch sein Hof
eine gastliche Heimstätte für Helden der Leier und der Turnierlanze. Heinrich
Frauenlob wurde damals (1250) in Meißen geboren. Unten in der Stadt aber
siedelten sich neben den Handwerkern, den kleinen Kaufleuten und den Juden auch
vornehme aus dem Westen zuwandernde Geschlechter und ritterliche Herren aus den
benachbarten Dörfern an, wie die Ratslisten des folgenden (vierzehnten) Jahrhunderts
beweisen: Herren von Pegau und von Eilenburg, von Elgersdorf, von Brockwitz,
von Zehren usw. Bedeutendes Leben entfaltete sich damals auch auf dem der Kirche
zugewiesnen südliche« Drittel des Burgberges. Mit dem Machtbereich der wet-
tinischen Markgrafen war auch der Sprengel des Bistums Meißen gewaltig ge¬
wachsen: er reichte von der Zwickauer Mulde ostwärts bis zum Bober und zum
Queis und vom Erzgebirge nordwärts bis zur untern Spree und mittlern Oder,
ja bei dem Kastell Schiedlo sogar ans das rechte Oderufer hinüber. Noch heute
können wir aus der Bistumsmatrikel ersehen, wie viel Mark Silbers jede Stadt-
und Dorfkirche, ja sogar jeder Altar dieses großen Gebiets in den Schatz des
Meißner Doms zinste. Mit diesen reichlich fließenden Mitteln begann Bischof
Withegv der Erste (1266 bis 1293) um 1280, den veränderten hierarchischen
und künstlerischen Verhältnissen Rechnung tragend, den ältern romanischen Dombau
niederzulegen und allmählich durch einen gotischen zu ersehen. Die Fundamente
des romanischen Baues sind bei den jetzigen Arbeiten zur Verstärkung der Grund¬
mauern entdeckt worden. Withego hat den hohen Chor, das Kreuzschiff, einige
Joche des Langhauses und die schöne nach Süden liegende achteckige Johannis-
kapelle mit ihrem ursprünglich offnen Unterbau errichtet, aber nach seinem Tode
wurden anch die Unternehmungen des Bischofs empfindlich gestört durch eine schlimme
Katastrophe, die länger als ein Jahrzehnt den Bestand der wettinischen Herrschaft
bedrohte. Heinrichs des Erlauchten Regierung, die so im heitern Lichte weit¬
schauender Pläne und Entwürfe begann, hatte im Dunkel unheilvoller Familien-
zwistigkeiten geendet. Ländergierige Kaiser wie Adolf von Nassau und Albrecht
der Erste von Österreich benutzten diese Verhältnisse, teils dnrch Käufe, teils durch
Einziehungen der Lehen die reichen Besitzungen der Wettiner an sich zu bringen.
Bald nach Beginn des Jahres 1296 eroberte König Adolf das tapfer verteidigte
Freiberg und ließ sechzig Häupter der Bürgerschaft durch das Beil des Henkers
sterbe«, die andern rettete Friedrich der Freidige nur durch Abtretung seiner andern
festen Plätze, insonderheit von Meißen, vor dem Tode.
Damals vollzieht sich ein auffälliger Wandel in der Stellung der Meißner
Burggrafen. Meinher der Dritte (1254 bis 1308) war, wie es scheint, mehr ge¬
zwungen als freiwillig, immer als der erste der Vasallen der wettinischen Mark¬
grafen erschienen und von ihnen zu mancher Einengung seiner Gewalt genötigt
worden; damals aber, und zwar schon 1293, trat er zur Partei König Adolfs
über, um auf diese« gestützt seine Reichsunmittelbarkeit wiederherzustellen. Zwar
kam am 13. Januar 1294 noch einmal eine Aussöhnung zwischen Meinher dem
Dritten und Friedrich dem Freidigen zustande, aber als 1296 Adolf Freiberg er-
Grcnzboten II 1905 78
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