Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Afghanistan nochmals geprüft, und sodann fuhren wir in derselben Richtung auf das vor Wir fuhren in das ungefähr acht bis zehn Minuten vom Festungswerk Am nächsten Morgen, es war der 29. Juni, verließen wir um sechs Uhr Afghanistan nochmals geprüft, und sodann fuhren wir in derselben Richtung auf das vor Wir fuhren in das ungefähr acht bis zehn Minuten vom Festungswerk Am nächsten Morgen, es war der 29. Juni, verließen wir um sechs Uhr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0586" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296965"/> <fw type="header" place="top"> Afghanistan</fw><lb/> <p xml:id="ID_2717" prev="#ID_2716"> nochmals geprüft, und sodann fuhren wir in derselben Richtung auf das vor<lb/> uns ansteigende Gebirge zu, an dessen Fuß wir nach Verlauf einer Stunde<lb/> anlangten. Meine Annahme, wir würden sogleich in eine enge Gebirgsschlucht<lb/> eintreten, da dort zwei hohe Gebirgsketten, von Norden nach Süden auslaufend,<lb/> zusammenzutreffen scheinen, erwies sich als irrig. Der vermutete Durchlaß ist<lb/> nicht vorhanden, die beiden Gebirgsketten sind durch einen Querriegel mit¬<lb/> einander verbunden. Dieser Querriegel ist jüngern Ursprungs, was man am<lb/> Gestein leicht erkennen kann; er bildet einen Sattel, über den eine in Serpen¬<lb/> tinen gebaute Fahrstraße führt. Wir fuhren ziemlich rasch bergan, hielten aber<lb/> im Schatten der Felsen öfter Rast, um uns an Sodawasser und Limonade zu<lb/> erlaben, denn Hitze und Durst waren groß. Nach dreistündiger Fahrt hatten<lb/> wir den Gipfel des Sattels erreicht. In scharfem Trabe ging es dann auf<lb/> der auch jenseits in Schlangenwindungen abwärts führenden Straße bergunter<lb/> in eine ganz kahle Felsenschlucht hinein, an deren Sohle wir eine aus mehreren<lb/> hundert Pferden, Kamelen und Eseln bestehende Karawane fanden, die an dem¬<lb/> selben Tage um drei Uhr Morgeus in Peschawar aufgebrochen war. In dieser<lb/> Schlucht löschten Menschen und Tiere mit ziemlich gutem Wasser ihren bren¬<lb/> nenden Durst. Auch unsre Karrenlenker und Pferde stürzten zum Labsal der<lb/> Dürstenden und tranken in Eintracht an der Wasserrinne. Nach kurzer Rast<lb/> fuhren wir durch eine enge Felsenschlucht auf sanft ansteigender, guter Straße<lb/> weiter. Wo sich die Schlucht etwas verbreiterte, sahen wir Stein- oder Schotter-<lb/> anhüufungen, als Schützendeckung hergestellt. streckenweise gestaltete sich die<lb/> Schlucht zu einem breiten Tale; überall waren Maßnahmen zur Verteidigung<lb/> sichtbar. Um 3^ Uhr Nachmittags etwa erreichten wir Lundikhana (Ländi-<lb/> kottel), wo die Engländer eine Befestigung angelegt hatten- Indische Truppen<lb/> standen zu dieser Zeit in namhafter Stärke an dem Platze, da die Feindselig¬<lb/> keiten mit den umwohnenden Stämmen noch nicht eingestellt waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2718"> Wir fuhren in das ungefähr acht bis zehn Minuten vom Festungswerk<lb/> entfernte und unterhalb liegende befestigte Karawanenlager, wo wir in einem<lb/> elenden Raum Unterkunft fanden und uns auf Betten, vie aus Schilf geflochten<lb/> waren, zur Ruhe niederstreckten. Ein von unsern afghanischen Begleitern aus<lb/> Peschawar beauftragter Diener fächelte uns mit einem großen Fächer frische Luft<lb/> zu, da die Hitze für uus Europäer fast unerträglich war. Nach Sonnenuntergang<lb/> ließen wir unsre Betten in den Hofraum des Gebäudes tragen, wo wir die<lb/> Nacht verbrachten. Die kühlere Abendluft erquickte uns ungemein. Als sich<lb/> die Schatten der Nacht herniederzusenken begannen, besichtigte ein englischer<lb/> Offizier das Karawcmenlagcr, das von indischen Soldaten bewacht war. In<lb/> gebrochnem Deutsch fragte er mich nach den: Ziel und dem Zweck unsrer Reise.<lb/> Mit wenig Worten gab ich ihm die gewünschte Auskunft. Später bemerkten<lb/> wir, daß auf dem flachen Dache des uns angewiesnen Häuschens ein englischer<lb/> Wachtposten stand, der uns, da wir im Freien schliefen, genan beobachten<lb/> konnte. Die englische Grenzwache war äußerst vorsichtig; sie mochte uns wohl<lb/> für Späher oder Kundschafter halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2719" next="#ID_2720"> Am nächsten Morgen, es war der 29. Juni, verließen wir um sechs Uhr<lb/> früh das Lager von Lundikhana und fuhren auf unsern Karren in westlicher</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0586]
Afghanistan
nochmals geprüft, und sodann fuhren wir in derselben Richtung auf das vor
uns ansteigende Gebirge zu, an dessen Fuß wir nach Verlauf einer Stunde
anlangten. Meine Annahme, wir würden sogleich in eine enge Gebirgsschlucht
eintreten, da dort zwei hohe Gebirgsketten, von Norden nach Süden auslaufend,
zusammenzutreffen scheinen, erwies sich als irrig. Der vermutete Durchlaß ist
nicht vorhanden, die beiden Gebirgsketten sind durch einen Querriegel mit¬
einander verbunden. Dieser Querriegel ist jüngern Ursprungs, was man am
Gestein leicht erkennen kann; er bildet einen Sattel, über den eine in Serpen¬
tinen gebaute Fahrstraße führt. Wir fuhren ziemlich rasch bergan, hielten aber
im Schatten der Felsen öfter Rast, um uns an Sodawasser und Limonade zu
erlaben, denn Hitze und Durst waren groß. Nach dreistündiger Fahrt hatten
wir den Gipfel des Sattels erreicht. In scharfem Trabe ging es dann auf
der auch jenseits in Schlangenwindungen abwärts führenden Straße bergunter
in eine ganz kahle Felsenschlucht hinein, an deren Sohle wir eine aus mehreren
hundert Pferden, Kamelen und Eseln bestehende Karawane fanden, die an dem¬
selben Tage um drei Uhr Morgeus in Peschawar aufgebrochen war. In dieser
Schlucht löschten Menschen und Tiere mit ziemlich gutem Wasser ihren bren¬
nenden Durst. Auch unsre Karrenlenker und Pferde stürzten zum Labsal der
Dürstenden und tranken in Eintracht an der Wasserrinne. Nach kurzer Rast
fuhren wir durch eine enge Felsenschlucht auf sanft ansteigender, guter Straße
weiter. Wo sich die Schlucht etwas verbreiterte, sahen wir Stein- oder Schotter-
anhüufungen, als Schützendeckung hergestellt. streckenweise gestaltete sich die
Schlucht zu einem breiten Tale; überall waren Maßnahmen zur Verteidigung
sichtbar. Um 3^ Uhr Nachmittags etwa erreichten wir Lundikhana (Ländi-
kottel), wo die Engländer eine Befestigung angelegt hatten- Indische Truppen
standen zu dieser Zeit in namhafter Stärke an dem Platze, da die Feindselig¬
keiten mit den umwohnenden Stämmen noch nicht eingestellt waren.
Wir fuhren in das ungefähr acht bis zehn Minuten vom Festungswerk
entfernte und unterhalb liegende befestigte Karawanenlager, wo wir in einem
elenden Raum Unterkunft fanden und uns auf Betten, vie aus Schilf geflochten
waren, zur Ruhe niederstreckten. Ein von unsern afghanischen Begleitern aus
Peschawar beauftragter Diener fächelte uns mit einem großen Fächer frische Luft
zu, da die Hitze für uus Europäer fast unerträglich war. Nach Sonnenuntergang
ließen wir unsre Betten in den Hofraum des Gebäudes tragen, wo wir die
Nacht verbrachten. Die kühlere Abendluft erquickte uns ungemein. Als sich
die Schatten der Nacht herniederzusenken begannen, besichtigte ein englischer
Offizier das Karawcmenlagcr, das von indischen Soldaten bewacht war. In
gebrochnem Deutsch fragte er mich nach den: Ziel und dem Zweck unsrer Reise.
Mit wenig Worten gab ich ihm die gewünschte Auskunft. Später bemerkten
wir, daß auf dem flachen Dache des uns angewiesnen Häuschens ein englischer
Wachtposten stand, der uns, da wir im Freien schliefen, genan beobachten
konnte. Die englische Grenzwache war äußerst vorsichtig; sie mochte uns wohl
für Späher oder Kundschafter halten.
Am nächsten Morgen, es war der 29. Juni, verließen wir um sechs Uhr
früh das Lager von Lundikhana und fuhren auf unsern Karren in westlicher
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