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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Afghanistan

aber er wurde von jetzt ab, ohne daß er es merkte, von Geheimpolizisten auf
Schritt und Tritt bewacht, und die geheime Polizei spann ihre Fäden überall
hin, beobachtete namentlich Brüssel und London als die Sitze revolutionärer
Komitees, die von dort immer wieder ihre Mordgesellcn gegen den König aus¬
sandten (S. 334f.).

Gewiß, er war die stärkste Säule der monarchischen Ordnung in Europa.
Das betonte er mit vollem Bewußtsein auch durch seine feierliche Krönung
in Königsberg am 18. Oktober 1861, die er an die Stelle der alten Huldigung
der Stände setzte, weil dieser eine Bestätigung ihrer Rechte hätte vorausgehn
müssen, die sich mit der modernen Verfassung nicht vertrug. Er wollte damit
ebensowohl sein Königtum von Gottes Gnaden gegenüber der liberalen Auf¬
fassung wie seine Selbständigkeit gegenüber Osterreich betonen. Die Krönung
selbst machte auf alle Zuschauer durch die Würde der Zeremonie wie durch die
imponierende Ruhe und Majestät des Königs den tiefsten Eindruck; Hohen-
lohe selbst, der an diesem Tage den Dienst hatte und beim Verlassen der
Schloßkirche unmittelbar vor ihm ging, staunte, "wie wunderbar schön" der
König im Krönungsmantel, mit der Krone auf dem Haupte, den Reichsapfel
und das Zepter in den Händen, aussah. Der König selbst aber erinnerte
sich dabei auch der leidvollen Jahre 1806/07, die er teilweise im Königs-
berger Schlosse verlebt hatte, und das steigerte noch seine ernste, weihevolle
Stimmung. Schluß folgt)




Afghanistan
Franz Korton Schilderungen n"d Skizzen von

i fghanistan gehört zu den im Innern Asiens liegenden Ländern,
über die die öffentliche Meinung in Europa nur sehr oberflächlich
und mangelhaft unterrichtet ist, obwohl sein Name in der großen
Presse ziemlich häusig genannt wird, weil alle Welt weiß, daß
I England und Rußland, diese auf ihre Macht und ihren Einfluß
eifersüchtigen Nebenbuhler, das eine im Süden, das andre im Norden von
Afghanistan, in Wehr und Waffen stehn und bereit sind, das für jeden gleich
wertvolle Gebiet entweder mit einem Angriffe zu bedrohen, oder als Verteidiger
zu beschützen, je nachdem die Umstände es erheischten. England ist seinein
Rivalen gegenüber offenbar im Vorteil, da seine Diplomatie es verstanden hat, in
den Jahren 1879 und 1880, nachdem eine britische Gesandtschaft in Kabul
ermordet worden war, einen überwiegenden Einfluß ans die Geschicke des Reichs
dadurch zu erlangen, daß sie dem am 22. Juli 1880 von den afghanischen
Fürsten zum Emir gewählten Abdurrcchmän eine namhafte dauernde Unter¬
stützung in barem Gelde lind Kriegsmaterial gewährte, wogegen sich dieser ver¬
pflichten mußte, mit keiner fremden Negierung politische Verbindungen anzu¬
knüpfen. Der im Herbst des Jahres 1901 gestorbne Emir Nbdnrrahman scheint


Afghanistan

aber er wurde von jetzt ab, ohne daß er es merkte, von Geheimpolizisten auf
Schritt und Tritt bewacht, und die geheime Polizei spann ihre Fäden überall
hin, beobachtete namentlich Brüssel und London als die Sitze revolutionärer
Komitees, die von dort immer wieder ihre Mordgesellcn gegen den König aus¬
sandten (S. 334f.).

Gewiß, er war die stärkste Säule der monarchischen Ordnung in Europa.
Das betonte er mit vollem Bewußtsein auch durch seine feierliche Krönung
in Königsberg am 18. Oktober 1861, die er an die Stelle der alten Huldigung
der Stände setzte, weil dieser eine Bestätigung ihrer Rechte hätte vorausgehn
müssen, die sich mit der modernen Verfassung nicht vertrug. Er wollte damit
ebensowohl sein Königtum von Gottes Gnaden gegenüber der liberalen Auf¬
fassung wie seine Selbständigkeit gegenüber Osterreich betonen. Die Krönung
selbst machte auf alle Zuschauer durch die Würde der Zeremonie wie durch die
imponierende Ruhe und Majestät des Königs den tiefsten Eindruck; Hohen-
lohe selbst, der an diesem Tage den Dienst hatte und beim Verlassen der
Schloßkirche unmittelbar vor ihm ging, staunte, „wie wunderbar schön" der
König im Krönungsmantel, mit der Krone auf dem Haupte, den Reichsapfel
und das Zepter in den Händen, aussah. Der König selbst aber erinnerte
sich dabei auch der leidvollen Jahre 1806/07, die er teilweise im Königs-
berger Schlosse verlebt hatte, und das steigerte noch seine ernste, weihevolle
Stimmung. Schluß folgt)




Afghanistan
Franz Korton Schilderungen n»d Skizzen von

i fghanistan gehört zu den im Innern Asiens liegenden Ländern,
über die die öffentliche Meinung in Europa nur sehr oberflächlich
und mangelhaft unterrichtet ist, obwohl sein Name in der großen
Presse ziemlich häusig genannt wird, weil alle Welt weiß, daß
I England und Rußland, diese auf ihre Macht und ihren Einfluß
eifersüchtigen Nebenbuhler, das eine im Süden, das andre im Norden von
Afghanistan, in Wehr und Waffen stehn und bereit sind, das für jeden gleich
wertvolle Gebiet entweder mit einem Angriffe zu bedrohen, oder als Verteidiger
zu beschützen, je nachdem die Umstände es erheischten. England ist seinein
Rivalen gegenüber offenbar im Vorteil, da seine Diplomatie es verstanden hat, in
den Jahren 1879 und 1880, nachdem eine britische Gesandtschaft in Kabul
ermordet worden war, einen überwiegenden Einfluß ans die Geschicke des Reichs
dadurch zu erlangen, daß sie dem am 22. Juli 1880 von den afghanischen
Fürsten zum Emir gewählten Abdurrcchmän eine namhafte dauernde Unter¬
stützung in barem Gelde lind Kriegsmaterial gewährte, wogegen sich dieser ver¬
pflichten mußte, mit keiner fremden Negierung politische Verbindungen anzu¬
knüpfen. Der im Herbst des Jahres 1901 gestorbne Emir Nbdnrrahman scheint


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/583>, abgerufen am 05.02.2025.