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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uiiuiaßgeliliches

würdigen Vertreter in dem berüchtigten Literaten Pietro Aretino, der die bösesten
Zungen Roms um sich versammelte und seine Akademie taufte. Um seine berühmten
Pasquinaten, die noch erhalten sind, riß sich ganz Italien. Als Hadrian von
Utrecht als Papst hervorging und ökonomische und reformatorische Neuerungen ver¬
suchte, war die Wut und der Spott aller Klassen über den barbarischen Deutschen
so arg, daß der Papst befahl, die Pasquingruppe zu zerschlagen und in den Tiber
zu werfen. Das wurde verhütet, aber sein Fest wurde streng untersagt. Nach
dem Tode des Papstes wirkte Pasquin-Aretino für seinen Gönner, der als Clemens
der Siebente den Thron bestieg. Im Jahre 1525 stellte Pasquin die Fortuna
vor, im nächsten Jahre den Argus. Der Bibliograph der Fruudsberge erwähnt,
daß er ein Gedicht trug, das der Stadt das Unheil einer Plünderung prophezeite,
die infolge der wankelmütigen Politik des Papstes im Mai 1527 durch die kaiser¬
lichen Truppen in Erfüllung ging. Die Folgen davon lasteten schwer auf der
Stadt, erst uuter Papst Paul dem Dritten im Jahre 1533 erscheint Pasqnin als
Religion, 1534 als Perseus mit der Gorgo. Diese Versammlung verlegte Carlo
Gnalteruzzo. Die Gegenreformation der Kirche legte der Redefreiheit einen starken
Zügel auf. Im Jahre 1543 verbot der Protektor Kardinal von Burgos das Fest;
1549 verbot das Konzil von Trient, Vibelstellen in Pasquinaten anzuwenden, eine
Mode, die in Deutschland mit Vorliebe gepflegt wurde, wohin Ulrich von Hütten
den Pasquinbegriff verpflanzt hatte; 1558 erschien der erste Inäex I^ibiorum pro-
dibitorum gegen eine Reihe dieser Verssaminlungen. Ein Diener des Kardinals
Farnese, bet dem man ein solches Heft gefunden hatte, wurde öffentlich ausgestellt,
und 1570 wurde der Dichter Nicolo Franco wegen eines besonders boshaften
Wortspiels vor dem Pasquin aufgehängt, dann verbrannt. Pasquin antwortete,
da er von Stein sei, so fürchte er weder Papst noch Teufel. Eine Wendung ist
jedoch von jetzt an in seinen Urteilen bemerkbar, und der kann man es Wohl zu¬
schreiben, daß sich soviel davon erhalten hat. Die Kritik besteht nun in kurzen,
äußerst treffenden und witzigen Bonmots über das Kirchenhaupt, seine Abstammung
und über die immer zunehmende Versorgung seiner Familie und hat dadurch die
Lacher auf ihrer Seite. Ich muß mir leider versagen, von den weniger bekannten dieser
geflügelten Worte und anch von den frühern Pasquinaten hier etwas mitzuteilen,
hoffe es aber in einem zweiten Artikel nachholen zu können. Die Beschränkungen, die
Pasquin und Marforio auferlegt worden waren, hielten nicht Stand vor den all¬
seitigen Interessen, die bei einer Papstneuwcchl im Spiele waren. Dafür genügten
die beiden nicht; im siebzehnten Jahrhundert treten ihnen neue Marmormunde zur
Seite. Das waren eine kopflose römische Togafigur in einer Nische am Palazzo
Vidoni, der Abbate Luigi geheißen, später lange eingemauert und in unsern
Tagen im Treppenhause wieder aufgestellt; ferner ein mnschelblasender Satyr als
Brunnenfigur, der Babnino (Pavian) genannt, die Kolossalbüste einer Isis am
Palazzo Venezia, Madonna Lucrezia benannt, und der Facchino (Dienstmann),
die Halbfigur eines finsterblickenden Mannes, der ein Faß hält, ans dem Wasser
strömt. Diese ersten drei mögen gelegentlich als Straßenschmuck aufgestellt worden
sein, wie es auch sonst in Italien geschah, und haben kaum eine Vorgeschichte. Eine
kurze Berühmtheit erlangte der Babnino im Jahre 1590, als ihn der Kardinal
von Sunda Prisca. Pietro Dezza, für eine Abbildung des heiligen Hieronymus
hielt und täglich seine Andacht vor ihm abhielt. Der Facchino soll ein Abbild des
Erzbischofs von Spalatro, Marc Antonio de Dominis, sein, dessen ungeschickte Mission
Jahre 1605 zu strengen Maßregel" gegen die Katholiken in England führte.
Was die Lucrezia anbetrifft, so erscheint sie am Mnrknstage mit Frauenhände und
Schärpe, die Wangen schön rot geschminkt. Der Festtag des Pasqnin würde nicht
mehr eingehalten, doch erscheint er noch gelegentlich bei Staatsfesten in Verkleidung,
w 1571 als Türkenbesieger nach der Schlacht von Lepanto, 1590 nach einer
schrecklichen Hungersnot als Abundantia, 1605 nach dem Übertritt Heinrichs des
Vierten von Navarra als Vertreter des goldnen Zeitalters, 1644 als Neptun.


Maßgebliches und Uiiuiaßgeliliches

würdigen Vertreter in dem berüchtigten Literaten Pietro Aretino, der die bösesten
Zungen Roms um sich versammelte und seine Akademie taufte. Um seine berühmten
Pasquinaten, die noch erhalten sind, riß sich ganz Italien. Als Hadrian von
Utrecht als Papst hervorging und ökonomische und reformatorische Neuerungen ver¬
suchte, war die Wut und der Spott aller Klassen über den barbarischen Deutschen
so arg, daß der Papst befahl, die Pasquingruppe zu zerschlagen und in den Tiber
zu werfen. Das wurde verhütet, aber sein Fest wurde streng untersagt. Nach
dem Tode des Papstes wirkte Pasquin-Aretino für seinen Gönner, der als Clemens
der Siebente den Thron bestieg. Im Jahre 1525 stellte Pasquin die Fortuna
vor, im nächsten Jahre den Argus. Der Bibliograph der Fruudsberge erwähnt,
daß er ein Gedicht trug, das der Stadt das Unheil einer Plünderung prophezeite,
die infolge der wankelmütigen Politik des Papstes im Mai 1527 durch die kaiser¬
lichen Truppen in Erfüllung ging. Die Folgen davon lasteten schwer auf der
Stadt, erst uuter Papst Paul dem Dritten im Jahre 1533 erscheint Pasqnin als
Religion, 1534 als Perseus mit der Gorgo. Diese Versammlung verlegte Carlo
Gnalteruzzo. Die Gegenreformation der Kirche legte der Redefreiheit einen starken
Zügel auf. Im Jahre 1543 verbot der Protektor Kardinal von Burgos das Fest;
1549 verbot das Konzil von Trient, Vibelstellen in Pasquinaten anzuwenden, eine
Mode, die in Deutschland mit Vorliebe gepflegt wurde, wohin Ulrich von Hütten
den Pasquinbegriff verpflanzt hatte; 1558 erschien der erste Inäex I^ibiorum pro-
dibitorum gegen eine Reihe dieser Verssaminlungen. Ein Diener des Kardinals
Farnese, bet dem man ein solches Heft gefunden hatte, wurde öffentlich ausgestellt,
und 1570 wurde der Dichter Nicolo Franco wegen eines besonders boshaften
Wortspiels vor dem Pasquin aufgehängt, dann verbrannt. Pasquin antwortete,
da er von Stein sei, so fürchte er weder Papst noch Teufel. Eine Wendung ist
jedoch von jetzt an in seinen Urteilen bemerkbar, und der kann man es Wohl zu¬
schreiben, daß sich soviel davon erhalten hat. Die Kritik besteht nun in kurzen,
äußerst treffenden und witzigen Bonmots über das Kirchenhaupt, seine Abstammung
und über die immer zunehmende Versorgung seiner Familie und hat dadurch die
Lacher auf ihrer Seite. Ich muß mir leider versagen, von den weniger bekannten dieser
geflügelten Worte und anch von den frühern Pasquinaten hier etwas mitzuteilen,
hoffe es aber in einem zweiten Artikel nachholen zu können. Die Beschränkungen, die
Pasquin und Marforio auferlegt worden waren, hielten nicht Stand vor den all¬
seitigen Interessen, die bei einer Papstneuwcchl im Spiele waren. Dafür genügten
die beiden nicht; im siebzehnten Jahrhundert treten ihnen neue Marmormunde zur
Seite. Das waren eine kopflose römische Togafigur in einer Nische am Palazzo
Vidoni, der Abbate Luigi geheißen, später lange eingemauert und in unsern
Tagen im Treppenhause wieder aufgestellt; ferner ein mnschelblasender Satyr als
Brunnenfigur, der Babnino (Pavian) genannt, die Kolossalbüste einer Isis am
Palazzo Venezia, Madonna Lucrezia benannt, und der Facchino (Dienstmann),
die Halbfigur eines finsterblickenden Mannes, der ein Faß hält, ans dem Wasser
strömt. Diese ersten drei mögen gelegentlich als Straßenschmuck aufgestellt worden
sein, wie es auch sonst in Italien geschah, und haben kaum eine Vorgeschichte. Eine
kurze Berühmtheit erlangte der Babnino im Jahre 1590, als ihn der Kardinal
von Sunda Prisca. Pietro Dezza, für eine Abbildung des heiligen Hieronymus
hielt und täglich seine Andacht vor ihm abhielt. Der Facchino soll ein Abbild des
Erzbischofs von Spalatro, Marc Antonio de Dominis, sein, dessen ungeschickte Mission
Jahre 1605 zu strengen Maßregel» gegen die Katholiken in England führte.
Was die Lucrezia anbetrifft, so erscheint sie am Mnrknstage mit Frauenhände und
Schärpe, die Wangen schön rot geschminkt. Der Festtag des Pasqnin würde nicht
mehr eingehalten, doch erscheint er noch gelegentlich bei Staatsfesten in Verkleidung,
w 1571 als Türkenbesieger nach der Schlacht von Lepanto, 1590 nach einer
schrecklichen Hungersnot als Abundantia, 1605 nach dem Übertritt Heinrichs des
Vierten von Navarra als Vertreter des goldnen Zeitalters, 1644 als Neptun.


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[0513] Maßgebliches und Uiiuiaßgeliliches würdigen Vertreter in dem berüchtigten Literaten Pietro Aretino, der die bösesten Zungen Roms um sich versammelte und seine Akademie taufte. Um seine berühmten Pasquinaten, die noch erhalten sind, riß sich ganz Italien. Als Hadrian von Utrecht als Papst hervorging und ökonomische und reformatorische Neuerungen ver¬ suchte, war die Wut und der Spott aller Klassen über den barbarischen Deutschen so arg, daß der Papst befahl, die Pasquingruppe zu zerschlagen und in den Tiber zu werfen. Das wurde verhütet, aber sein Fest wurde streng untersagt. Nach dem Tode des Papstes wirkte Pasquin-Aretino für seinen Gönner, der als Clemens der Siebente den Thron bestieg. Im Jahre 1525 stellte Pasquin die Fortuna vor, im nächsten Jahre den Argus. Der Bibliograph der Fruudsberge erwähnt, daß er ein Gedicht trug, das der Stadt das Unheil einer Plünderung prophezeite, die infolge der wankelmütigen Politik des Papstes im Mai 1527 durch die kaiser¬ lichen Truppen in Erfüllung ging. Die Folgen davon lasteten schwer auf der Stadt, erst uuter Papst Paul dem Dritten im Jahre 1533 erscheint Pasqnin als Religion, 1534 als Perseus mit der Gorgo. Diese Versammlung verlegte Carlo Gnalteruzzo. Die Gegenreformation der Kirche legte der Redefreiheit einen starken Zügel auf. Im Jahre 1543 verbot der Protektor Kardinal von Burgos das Fest; 1549 verbot das Konzil von Trient, Vibelstellen in Pasquinaten anzuwenden, eine Mode, die in Deutschland mit Vorliebe gepflegt wurde, wohin Ulrich von Hütten den Pasquinbegriff verpflanzt hatte; 1558 erschien der erste Inäex I^ibiorum pro- dibitorum gegen eine Reihe dieser Verssaminlungen. Ein Diener des Kardinals Farnese, bet dem man ein solches Heft gefunden hatte, wurde öffentlich ausgestellt, und 1570 wurde der Dichter Nicolo Franco wegen eines besonders boshaften Wortspiels vor dem Pasquin aufgehängt, dann verbrannt. Pasquin antwortete, da er von Stein sei, so fürchte er weder Papst noch Teufel. Eine Wendung ist jedoch von jetzt an in seinen Urteilen bemerkbar, und der kann man es Wohl zu¬ schreiben, daß sich soviel davon erhalten hat. Die Kritik besteht nun in kurzen, äußerst treffenden und witzigen Bonmots über das Kirchenhaupt, seine Abstammung und über die immer zunehmende Versorgung seiner Familie und hat dadurch die Lacher auf ihrer Seite. Ich muß mir leider versagen, von den weniger bekannten dieser geflügelten Worte und anch von den frühern Pasquinaten hier etwas mitzuteilen, hoffe es aber in einem zweiten Artikel nachholen zu können. Die Beschränkungen, die Pasquin und Marforio auferlegt worden waren, hielten nicht Stand vor den all¬ seitigen Interessen, die bei einer Papstneuwcchl im Spiele waren. Dafür genügten die beiden nicht; im siebzehnten Jahrhundert treten ihnen neue Marmormunde zur Seite. Das waren eine kopflose römische Togafigur in einer Nische am Palazzo Vidoni, der Abbate Luigi geheißen, später lange eingemauert und in unsern Tagen im Treppenhause wieder aufgestellt; ferner ein mnschelblasender Satyr als Brunnenfigur, der Babnino (Pavian) genannt, die Kolossalbüste einer Isis am Palazzo Venezia, Madonna Lucrezia benannt, und der Facchino (Dienstmann), die Halbfigur eines finsterblickenden Mannes, der ein Faß hält, ans dem Wasser strömt. Diese ersten drei mögen gelegentlich als Straßenschmuck aufgestellt worden sein, wie es auch sonst in Italien geschah, und haben kaum eine Vorgeschichte. Eine kurze Berühmtheit erlangte der Babnino im Jahre 1590, als ihn der Kardinal von Sunda Prisca. Pietro Dezza, für eine Abbildung des heiligen Hieronymus hielt und täglich seine Andacht vor ihm abhielt. Der Facchino soll ein Abbild des Erzbischofs von Spalatro, Marc Antonio de Dominis, sein, dessen ungeschickte Mission Jahre 1605 zu strengen Maßregel» gegen die Katholiken in England führte. Was die Lucrezia anbetrifft, so erscheint sie am Mnrknstage mit Frauenhände und Schärpe, die Wangen schön rot geschminkt. Der Festtag des Pasqnin würde nicht mehr eingehalten, doch erscheint er noch gelegentlich bei Staatsfesten in Verkleidung, w 1571 als Türkenbesieger nach der Schlacht von Lepanto, 1590 nach einer schrecklichen Hungersnot als Abundantia, 1605 nach dem Übertritt Heinrichs des Vierten von Navarra als Vertreter des goldnen Zeitalters, 1644 als Neptun.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/513>, abgerufen am 05.02.2025.