Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches herausgab. In der Vorrede berichtet er, daß dreitausend Verse gemacht worden Schon im Jahre 1512 findet sich Pasquin im Zwiegespräch mit einer andern Als Papst Leo starb, hinterließ er einen tief verschuldeten Staat und Elend Maßgebliches und Unmaßgebliches herausgab. In der Vorrede berichtet er, daß dreitausend Verse gemacht worden Schon im Jahre 1512 findet sich Pasquin im Zwiegespräch mit einer andern Als Papst Leo starb, hinterließ er einen tief verschuldeten Staat und Elend <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296891"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2389" prev="#ID_2388"> herausgab. In der Vorrede berichtet er, daß dreitausend Verse gemacht worden<lb/> seien; er klagt, auch gegen ihn wären einige gerichtet, die er, als zu schlecht, nicht<lb/> veröffentliche; bei andern habe er erst die Ungehörigkeiten ausgemerzt und hinkende<lb/> Verse einrenken müssen. Dann habe er seine liebe Not, weil jeder sich gedruckt zu<lb/> sehen wünsche, und doch seien viele Gedichte abhanden gekommen. Er sprach die<lb/> Wahrheit, denn im nächsten Jahre war ein Viertel verschwunden; man nahm eben<lb/> mit, was gefiel, und schickte sie an auswärtige Freunde oder Gönner, die darum<lb/> ersuchten. Es liegt auf der Hand, daß auch das große Publikum schon die Ge¬<lb/> legenheit benutzte, seiner Stimmung Ausdruck zu geben, die Höflinge, ihre Brod¬<lb/> geber zu loben oder zu tadeln, das Volk, Zoten zu reißen, die Mißgünstigen, die<lb/> Negierungsakte einer Kritik zu unterzieh«. Diese seltnen kleinen Sammlungen er¬<lb/> lauben für die nächstfolgenden Jahre nach den beigefügten kuriosen Holzschnitten<lb/> die Ausstaffiernngen des Pasquin und die ihnen zugrunde liegenden Motive zu<lb/> erkennen, die sich auf wichtige Tagesfragen und politische Ereignisse bezogen. Im<lb/> Jahre 1508 erschien er als der Gott Harpokrates, der Schweigende. Kaiser<lb/> Maximilian und die Republik Venedig lagen in Streit, und Rom zog vor, sich<lb/> nicht einzumischen; 1509 erschien er als Janus beim Kriege der Legn von Cambray<lb/> gegen Venedig; 1510, wo Papst Julius gegen Venedig ins Feld zog, als Herakles<lb/> mit der Hydra; 1511 trug er ein Trauerkleid, weil sein Protektor, Kardinal<lb/> Caraffa, gestorben war. Der Kardinal von Aork übernahm nun seinen Schutz,<lb/> wurde jedoch schon 1514 ermordet. Im Jahre 1512 trägt er als Mars den<lb/> Donnerkeil, da Papst Julius die Franzosen aus Italien vertreiben wollte, 1513<lb/> starb der Papst, und Pasquin erschien im Kostüm des Apollo von Belvedere, den<lb/> neuen Papst Leo den Zehnten zu begrüßen. Als dem Mediceer die reiche»<lb/> Florentiner Kaufleute nach Rom folgten, begrüßte sie 1514 Merkur, und die An¬<lb/> ziehungskraft, die Rom und der Vatikan durch Prunk und durch Feste auszuüben<lb/> begannen, drückt 1515 Pasquin als Orpheus aus. Sein Protektor wurde der<lb/> Kardinal Antonio del Monte; 1518 starb der Kaiser, und das Fest wurde sub<lb/> xoona, sxoornniniiies,tioni8 Verbote» zur großen Verzweiflung aller Dichterlinge.<lb/> Pasquin meldete sich fieberkrank. Wir finden ihn noch als Pilger, als Deiphobus,<lb/> als Sybille unter Leo dem Zehnten, dessen Wappen mit dem der Stadt Rom und<lb/> dem des Protektors diese letzten Sammlungen schmückt. Zum Leiter des Festes<lb/> wurde der Rektor Decius Sillanus ernannt. Eigentümlich klingt zu dem offen¬<lb/> baren Vergnügen, das dieser Papst an den Produktionen der Sekretäre des Halb-<lb/> pveten Meister Pasquins, wie er die schlechten Dichterlinge nannte, hatte, die<lb/> Mitteilung des Sienesen Claudio Tolvmai: „In unsrer Zeit herrscht die größte<lb/> Lizenz, die es je gegeben hat, in Rom über die Päpste, die Kardinäle und<lb/> über den Hof schlecht zu sprechen und besonders am Markustage durch Pasquin,<lb/> was man nur der Toleranz der Kirche zuschreiben kann, die erlaubt, daß ein jeder<lb/> spricht und schreibt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist." Es sollte noch schlimmer<lb/> kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2390"> Schon im Jahre 1512 findet sich Pasquin im Zwiegespräch mit einer andern<lb/> antiken Figur von kolossalen Dimensionen, die seit unbekannten Zeiten neben der<lb/> Kirche S. Adriano gegenüber dem Carcer Tulliauum angebracht war. Dargestellt<lb/> ist ein Flußgott in ruhender Lage. In der Stadtbeschreibung des Anonymus von<lb/> Einsiedeln aus dem achten Jahrhundert scheint der Name Tibris (der Tiberfluß)<lb/> anf ihn zu deuten, 1350 wird er als Marfoli angeführt, woraus später eine topo¬<lb/> graphische Deuwug Marforio gemacht. Von hier, wo jetzt noch eine Inschrift an<lb/> seinen Platze erinnert, wurde er von Sixtus dem Fünften nach dem Kapitol versetzt<lb/> und ziert nun den innern Hof des Museums. Das Frage- und Antwortspiel der<lb/> beiden Spötter ging durch die Jahrhunderte weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_2391" next="#ID_2392"> Als Papst Leo starb, hinterließ er einen tief verschuldeten Staat und Elend<lb/> und Verzweiflung; sein Katafalk wurde mit den ärgsten Schimpfschriften bedeckt,<lb/> und die Neuwahl fand unter ungeheurer Aufregung statt. Pasquiu erhielt einen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
herausgab. In der Vorrede berichtet er, daß dreitausend Verse gemacht worden
seien; er klagt, auch gegen ihn wären einige gerichtet, die er, als zu schlecht, nicht
veröffentliche; bei andern habe er erst die Ungehörigkeiten ausgemerzt und hinkende
Verse einrenken müssen. Dann habe er seine liebe Not, weil jeder sich gedruckt zu
sehen wünsche, und doch seien viele Gedichte abhanden gekommen. Er sprach die
Wahrheit, denn im nächsten Jahre war ein Viertel verschwunden; man nahm eben
mit, was gefiel, und schickte sie an auswärtige Freunde oder Gönner, die darum
ersuchten. Es liegt auf der Hand, daß auch das große Publikum schon die Ge¬
legenheit benutzte, seiner Stimmung Ausdruck zu geben, die Höflinge, ihre Brod¬
geber zu loben oder zu tadeln, das Volk, Zoten zu reißen, die Mißgünstigen, die
Negierungsakte einer Kritik zu unterzieh«. Diese seltnen kleinen Sammlungen er¬
lauben für die nächstfolgenden Jahre nach den beigefügten kuriosen Holzschnitten
die Ausstaffiernngen des Pasquin und die ihnen zugrunde liegenden Motive zu
erkennen, die sich auf wichtige Tagesfragen und politische Ereignisse bezogen. Im
Jahre 1508 erschien er als der Gott Harpokrates, der Schweigende. Kaiser
Maximilian und die Republik Venedig lagen in Streit, und Rom zog vor, sich
nicht einzumischen; 1509 erschien er als Janus beim Kriege der Legn von Cambray
gegen Venedig; 1510, wo Papst Julius gegen Venedig ins Feld zog, als Herakles
mit der Hydra; 1511 trug er ein Trauerkleid, weil sein Protektor, Kardinal
Caraffa, gestorben war. Der Kardinal von Aork übernahm nun seinen Schutz,
wurde jedoch schon 1514 ermordet. Im Jahre 1512 trägt er als Mars den
Donnerkeil, da Papst Julius die Franzosen aus Italien vertreiben wollte, 1513
starb der Papst, und Pasquin erschien im Kostüm des Apollo von Belvedere, den
neuen Papst Leo den Zehnten zu begrüßen. Als dem Mediceer die reiche»
Florentiner Kaufleute nach Rom folgten, begrüßte sie 1514 Merkur, und die An¬
ziehungskraft, die Rom und der Vatikan durch Prunk und durch Feste auszuüben
begannen, drückt 1515 Pasquin als Orpheus aus. Sein Protektor wurde der
Kardinal Antonio del Monte; 1518 starb der Kaiser, und das Fest wurde sub
xoona, sxoornniniiies,tioni8 Verbote» zur großen Verzweiflung aller Dichterlinge.
Pasquin meldete sich fieberkrank. Wir finden ihn noch als Pilger, als Deiphobus,
als Sybille unter Leo dem Zehnten, dessen Wappen mit dem der Stadt Rom und
dem des Protektors diese letzten Sammlungen schmückt. Zum Leiter des Festes
wurde der Rektor Decius Sillanus ernannt. Eigentümlich klingt zu dem offen¬
baren Vergnügen, das dieser Papst an den Produktionen der Sekretäre des Halb-
pveten Meister Pasquins, wie er die schlechten Dichterlinge nannte, hatte, die
Mitteilung des Sienesen Claudio Tolvmai: „In unsrer Zeit herrscht die größte
Lizenz, die es je gegeben hat, in Rom über die Päpste, die Kardinäle und
über den Hof schlecht zu sprechen und besonders am Markustage durch Pasquin,
was man nur der Toleranz der Kirche zuschreiben kann, die erlaubt, daß ein jeder
spricht und schreibt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist." Es sollte noch schlimmer
kommen.
Schon im Jahre 1512 findet sich Pasquin im Zwiegespräch mit einer andern
antiken Figur von kolossalen Dimensionen, die seit unbekannten Zeiten neben der
Kirche S. Adriano gegenüber dem Carcer Tulliauum angebracht war. Dargestellt
ist ein Flußgott in ruhender Lage. In der Stadtbeschreibung des Anonymus von
Einsiedeln aus dem achten Jahrhundert scheint der Name Tibris (der Tiberfluß)
anf ihn zu deuten, 1350 wird er als Marfoli angeführt, woraus später eine topo¬
graphische Deuwug Marforio gemacht. Von hier, wo jetzt noch eine Inschrift an
seinen Platze erinnert, wurde er von Sixtus dem Fünften nach dem Kapitol versetzt
und ziert nun den innern Hof des Museums. Das Frage- und Antwortspiel der
beiden Spötter ging durch die Jahrhunderte weiter.
Als Papst Leo starb, hinterließ er einen tief verschuldeten Staat und Elend
und Verzweiflung; sein Katafalk wurde mit den ärgsten Schimpfschriften bedeckt,
und die Neuwahl fand unter ungeheurer Aufregung statt. Pasquiu erhielt einen
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