Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Deutschland und die Äußere Politik Frankreichs lichkeit beweisen mag: Wie wärs, wenn jede Französin einen blonden Ostelbier Diese Stimmungen sind es, die das französische Volk beherrsche", diese Deutschland und die Äußere Politik Frankreichs lichkeit beweisen mag: Wie wärs, wenn jede Französin einen blonden Ostelbier Diese Stimmungen sind es, die das französische Volk beherrsche», diese <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297164"/> <fw type="header" place="top"> Deutschland und die Äußere Politik Frankreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_45" prev="#ID_44"> lichkeit beweisen mag: Wie wärs, wenn jede Französin einen blonden Ostelbier<lb/> und unsre rheinischen und märkischen Mädchen Franzosen heirateten? Vielleicht<lb/> könnte dann der König von Preußen nicht mehr solche Siege im .louinul<lb/> otkjoiöl einheimsen. Es ist schwer, über diese Dinge keine Satire zu schreiben.<lb/> Der beliebteste Tummelplatz chauvinistischer Spielereien bleibt natürlich das<lb/> Reichsland. Die Korrespondenten der Pariser Blätter in Metz und in Straßburg<lb/> schreiben sich fast die Finger wund über die angeblichen Dummheiten, die von<lb/> der deutschen Verwaltung begangen werden. Wenn dann die Reden der ehe¬<lb/> maligen Protestler in dem Landesausschuß beweisen, daß die Versöhnung mit<lb/> der Annexion eine fast vollendete Tatsache ist, will man das nicht glauben,<lb/> und wenn so klassische Zeugen wie die Gebrüder Margueritte, die Söhne des<lb/> 1870 gefallnen tapfern Generals, bestätigen, daß man in Elsaß-Lothringen<lb/> nichts mehr von Rückkehr zu Frankreich wissen will, so sind die eben noch ge¬<lb/> feierten Romanschreiber plötzlich erbärmliche Ls-us - patris und werden totge¬<lb/> schwiegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_46" next="#ID_47"> Diese Stimmungen sind es, die das französische Volk beherrsche», diese<lb/> Stimmungen sind es auch, die Delcasse leiten und seiner Politik und der der<lb/> französischen Negierung das eigentliche Gepräge geben. Nach wie vor ist das<lb/> Bündnis mit Rußland der Haupttrumpf im französischen Spiel. Freilich, die<lb/> Tage sind nicht mehr, wo sich russische Matrosen auf den Boulevards vor den<lb/> Zärtlichkeiten der halbtollen Volksmenge und seidenrauschender, patschuliduf-<lb/> tender Damen kaum retten konnten. In dem damaligen Jubel zeigte sich ein¬<lb/> mal die berechtigte Genugtuung darüber, daß die Republik durch die Allianz<lb/> mit dem autokratischsten und gefürchtetsten Fürsten Europas in der Familie der<lb/> zivilisierten Völker als gleichberechtigtes Glied anerkannt war. Die Jahre der<lb/> Trauer waren vorüber, und Marianne konnte ihre Tränen trocknen. Jedermann<lb/> gönnte ihr diese Freude, dem, es gehört zu deu Privilegien dieses so ver¬<lb/> schwenderisch von der Natur bevorzugten Volks, eigentlich keine Feinde zu<lb/> haben. Auch Deutschland hätte die Erstcirknng der Nachbarin mit Wohlwollen<lb/> beobachten können, wenn es nicht aus frühern Zeiten die Erinnerung daran<lb/> bewahrt hätte, daß die lisllo ?rg.n<zö nur dann verträglich bleibt, wenn sie zum<lb/> Beißen keine Kraft hat. Außerdem genierte man sich in Paris auch nicht im<lb/> mindesten, in alle Welt hinauszuschreim, daß der franco - russische Liebesbund<lb/> erst auf deu zertretnen Feldern Deutschlands seine Weihe erhalten würde, wenn<lb/> die angebliche Schmach Galliens in Strömen deutschen Bluts abgewaschen sei;<lb/> wenn Kosak und Spahi sich in Berlin die Hand reichen und dem Erdkreis ver¬<lb/> künden könnten: „Das Deutsche Reich war; es hat Frankreich beleidigt; das<lb/> Deutsche Reich ist nicht mehr." Das Nussenbündnis ist heute dem Volke keine<lb/> Herzenssache mehr. Das zeigte mit aller wünschenswerten Deutlichkeit das Ver¬<lb/> halten des „Mannes auf der Straße" gegenüber dem Krieg in Ostasien. Das<lb/> kecke Draufgängertum der Japaner fand erst schüchterne, dann immer lautere<lb/> Bewunderung, während das Mißgeschick Rußlands im Felde und dann die<lb/> innern Erschütterungen des Zarenreichs die ehemalige Überschätzung des Mosko-<lb/> witertums in eine ebenso unberechtigte Unterschätzung wandelten. Man hielt es<lb/> nicht einmal für der Mühe wert, sich die endlosen Schwierigkeiten der russischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Deutschland und die Äußere Politik Frankreichs
lichkeit beweisen mag: Wie wärs, wenn jede Französin einen blonden Ostelbier
und unsre rheinischen und märkischen Mädchen Franzosen heirateten? Vielleicht
könnte dann der König von Preußen nicht mehr solche Siege im .louinul
otkjoiöl einheimsen. Es ist schwer, über diese Dinge keine Satire zu schreiben.
Der beliebteste Tummelplatz chauvinistischer Spielereien bleibt natürlich das
Reichsland. Die Korrespondenten der Pariser Blätter in Metz und in Straßburg
schreiben sich fast die Finger wund über die angeblichen Dummheiten, die von
der deutschen Verwaltung begangen werden. Wenn dann die Reden der ehe¬
maligen Protestler in dem Landesausschuß beweisen, daß die Versöhnung mit
der Annexion eine fast vollendete Tatsache ist, will man das nicht glauben,
und wenn so klassische Zeugen wie die Gebrüder Margueritte, die Söhne des
1870 gefallnen tapfern Generals, bestätigen, daß man in Elsaß-Lothringen
nichts mehr von Rückkehr zu Frankreich wissen will, so sind die eben noch ge¬
feierten Romanschreiber plötzlich erbärmliche Ls-us - patris und werden totge¬
schwiegen.
Diese Stimmungen sind es, die das französische Volk beherrsche», diese
Stimmungen sind es auch, die Delcasse leiten und seiner Politik und der der
französischen Negierung das eigentliche Gepräge geben. Nach wie vor ist das
Bündnis mit Rußland der Haupttrumpf im französischen Spiel. Freilich, die
Tage sind nicht mehr, wo sich russische Matrosen auf den Boulevards vor den
Zärtlichkeiten der halbtollen Volksmenge und seidenrauschender, patschuliduf-
tender Damen kaum retten konnten. In dem damaligen Jubel zeigte sich ein¬
mal die berechtigte Genugtuung darüber, daß die Republik durch die Allianz
mit dem autokratischsten und gefürchtetsten Fürsten Europas in der Familie der
zivilisierten Völker als gleichberechtigtes Glied anerkannt war. Die Jahre der
Trauer waren vorüber, und Marianne konnte ihre Tränen trocknen. Jedermann
gönnte ihr diese Freude, dem, es gehört zu deu Privilegien dieses so ver¬
schwenderisch von der Natur bevorzugten Volks, eigentlich keine Feinde zu
haben. Auch Deutschland hätte die Erstcirknng der Nachbarin mit Wohlwollen
beobachten können, wenn es nicht aus frühern Zeiten die Erinnerung daran
bewahrt hätte, daß die lisllo ?rg.n<zö nur dann verträglich bleibt, wenn sie zum
Beißen keine Kraft hat. Außerdem genierte man sich in Paris auch nicht im
mindesten, in alle Welt hinauszuschreim, daß der franco - russische Liebesbund
erst auf deu zertretnen Feldern Deutschlands seine Weihe erhalten würde, wenn
die angebliche Schmach Galliens in Strömen deutschen Bluts abgewaschen sei;
wenn Kosak und Spahi sich in Berlin die Hand reichen und dem Erdkreis ver¬
künden könnten: „Das Deutsche Reich war; es hat Frankreich beleidigt; das
Deutsche Reich ist nicht mehr." Das Nussenbündnis ist heute dem Volke keine
Herzenssache mehr. Das zeigte mit aller wünschenswerten Deutlichkeit das Ver¬
halten des „Mannes auf der Straße" gegenüber dem Krieg in Ostasien. Das
kecke Draufgängertum der Japaner fand erst schüchterne, dann immer lautere
Bewunderung, während das Mißgeschick Rußlands im Felde und dann die
innern Erschütterungen des Zarenreichs die ehemalige Überschätzung des Mosko-
witertums in eine ebenso unberechtigte Unterschätzung wandelten. Man hielt es
nicht einmal für der Mühe wert, sich die endlosen Schwierigkeiten der russischen
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