Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Schulhaß und Heeresschml ablehnte, ich wiese zu große Lücken in der Mathematik auf, ist er doch der So malt sich die Schule in den Köpfen dieser uoch jungen Männer, Schulhaß und Heeresschml ablehnte, ich wiese zu große Lücken in der Mathematik auf, ist er doch der So malt sich die Schule in den Köpfen dieser uoch jungen Männer, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297445"/> <fw type="header" place="top"> Schulhaß und Heeresschml</fw><lb/> <p xml:id="ID_1404" prev="#ID_1403"> ablehnte, ich wiese zu große Lücken in der Mathematik auf, ist er doch der<lb/> einzige von all den vielen, die in diesem Leben den vergeblichen Versuch<lb/> gemacht haben, mich zu erziehe», mit dem ich heute noch in freundlichem Ein¬<lb/> vernehmen stehe — trotzdem konnt' ich es nicht unterlassen, ihn bei Gelegen¬<lb/> heit eines etwas (?) ausgefallenen Aufsatzthemas in aller Harmlosigkeit zu<lb/> Parodiere,?, zu »veralbern«, wie man in Sachsen sagt. Das schickte sich natür¬<lb/> lich nicht — weder für den Tertianer seinein Direktor gegenüber, noch für den<lb/> Pensionär seinem Onkel gegenüber, und so flog ich denn heraus aus der Stadt<lb/> der Kibitzeier. Ich bekam einen ehrenvollen Ruf an das Gymnasium in Celle."<lb/> Daß er dort erst mit dem Abitnrientcnzengnis „herausflog." glaubt er der<lb/> Rücksicht auf die amtliche Stellung eines andern Onkels zu verdanken, der ihn<lb/> damals „dirigierte." Er fügt hinzu: „Ja, mein Gott, heute lacht man über<lb/> seine Schülerschicksale. aber im Grunde war es gar uicht zum lachen —: wie<lb/> isoliert, wie verbittert, wie hart und kalt ist mau damals geworden." Korfiz<lb/> Hokus Schulgeschichte ist kurz: „Ju der Schule (zu Riga) galt ich für einen<lb/> Musterknaben, bis ich mit zwölf Jahren zu dichten anfing. Seitdem liebten<lb/> mich meine Lehrer nicht mehr, und ich wurde auf die Weise mit der Zeit ein<lb/> recht alter Gymnasiast. 1892 verließ ich Rußland und bestand erst 1894 in<lb/> Lübeck mit Ach und Krach mein Abitnrienteucrmnen." Wolf Graf von Bau-<lb/> dissin erzählt lachend: „Die schönen Spieljahre gingen vorüber, und als ich<lb/> eines Morgens erwachte, mußte ich zum ersten Male zur Schule gehen. Den<lb/> Schrecken vergesse ich mein Lebtag nicht! Ich war kein schlechterer Schüler<lb/> als viele andere, aber trotzdem blieb ich schon in Quarta zum ersten, aber leider<lb/> nicht zum letzten Male in meinem Leben sitzen. Und warum ich sitzen blieb?<lb/> Mein Klassenlehrer, der zugleich auch in der Mädchenschule Unterricht gab,<lb/> fand in der Manteltasche meiner jüngsten Schwester einen Liebesbrief von meiner<lb/> Zarten Hand, der leider nicht an meine Schwester, sondern an eine ihrer Schul¬<lb/> freundinnen gerichtet war. Damals wollte ich für das kleine Mädchen sterben,<lb/> während ich dieses schreibe, zerbreche ich mir vergebens darüber den Kopf, wie<lb/> sie hieß. So sind wir Männer! Dieser Liebesbrief, übrigeus auch nicht der<lb/> letzte meines Lebens, war eine Jugeuddummheit. aber sie kostete mich ein Jahr<lb/> Meines Lebens, denn die Schulzeit ist für mich selbst in der Erinnerung der<lb/> Schrecken aller Schrecken. Lediglich um dem Schulzwang sobald als möglich<lb/> 5» entfliehen, entschloß ich mich, Offizier zu werden, und zog als Unterprimaner<lb/> Fähnrichsrvck an." Klarer, ernster und ernster zu nehmen ist der Bericht<lb/> b»n or. Ludwig Thoma über seine Schulzeit: „— meine Eltern lehrten mich<lb/> ^uhzeitig lesen und schreiben, wozu sie in den langen einsamen Wintern Muße<lb/> liwug fanden. Einem lebhaften Jungen, der im Walde aufgewachsen war,<lb/> konnte der Schulzwang nicht gefallen. Und ich habe auch meinen Lehrern<lb/> keineswegs Liebe entgegengebracht; zuerst galten sie mir als Störenfriede, und<lb/> später stieß mich ihr trockenes Wesen ab. Sie haben meinen Mangel an Ehr-<lb/> ^ehr „„d meine Freude am Nebensächlichen stets gerügt, und erst nach<lb/> Manchen Fährlichkeiten konnte ich das humanistische Gymnasium absolvieren,<lb/> war 1886."</p><lb/> <p xml:id="ID_1405" next="#ID_1406"> So malt sich die Schule in den Köpfen dieser uoch jungen Männer,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
Schulhaß und Heeresschml
ablehnte, ich wiese zu große Lücken in der Mathematik auf, ist er doch der
einzige von all den vielen, die in diesem Leben den vergeblichen Versuch
gemacht haben, mich zu erziehe», mit dem ich heute noch in freundlichem Ein¬
vernehmen stehe — trotzdem konnt' ich es nicht unterlassen, ihn bei Gelegen¬
heit eines etwas (?) ausgefallenen Aufsatzthemas in aller Harmlosigkeit zu
Parodiere,?, zu »veralbern«, wie man in Sachsen sagt. Das schickte sich natür¬
lich nicht — weder für den Tertianer seinein Direktor gegenüber, noch für den
Pensionär seinem Onkel gegenüber, und so flog ich denn heraus aus der Stadt
der Kibitzeier. Ich bekam einen ehrenvollen Ruf an das Gymnasium in Celle."
Daß er dort erst mit dem Abitnrientcnzengnis „herausflog." glaubt er der
Rücksicht auf die amtliche Stellung eines andern Onkels zu verdanken, der ihn
damals „dirigierte." Er fügt hinzu: „Ja, mein Gott, heute lacht man über
seine Schülerschicksale. aber im Grunde war es gar uicht zum lachen —: wie
isoliert, wie verbittert, wie hart und kalt ist mau damals geworden." Korfiz
Hokus Schulgeschichte ist kurz: „Ju der Schule (zu Riga) galt ich für einen
Musterknaben, bis ich mit zwölf Jahren zu dichten anfing. Seitdem liebten
mich meine Lehrer nicht mehr, und ich wurde auf die Weise mit der Zeit ein
recht alter Gymnasiast. 1892 verließ ich Rußland und bestand erst 1894 in
Lübeck mit Ach und Krach mein Abitnrienteucrmnen." Wolf Graf von Bau-
dissin erzählt lachend: „Die schönen Spieljahre gingen vorüber, und als ich
eines Morgens erwachte, mußte ich zum ersten Male zur Schule gehen. Den
Schrecken vergesse ich mein Lebtag nicht! Ich war kein schlechterer Schüler
als viele andere, aber trotzdem blieb ich schon in Quarta zum ersten, aber leider
nicht zum letzten Male in meinem Leben sitzen. Und warum ich sitzen blieb?
Mein Klassenlehrer, der zugleich auch in der Mädchenschule Unterricht gab,
fand in der Manteltasche meiner jüngsten Schwester einen Liebesbrief von meiner
Zarten Hand, der leider nicht an meine Schwester, sondern an eine ihrer Schul¬
freundinnen gerichtet war. Damals wollte ich für das kleine Mädchen sterben,
während ich dieses schreibe, zerbreche ich mir vergebens darüber den Kopf, wie
sie hieß. So sind wir Männer! Dieser Liebesbrief, übrigeus auch nicht der
letzte meines Lebens, war eine Jugeuddummheit. aber sie kostete mich ein Jahr
Meines Lebens, denn die Schulzeit ist für mich selbst in der Erinnerung der
Schrecken aller Schrecken. Lediglich um dem Schulzwang sobald als möglich
5» entfliehen, entschloß ich mich, Offizier zu werden, und zog als Unterprimaner
Fähnrichsrvck an." Klarer, ernster und ernster zu nehmen ist der Bericht
b»n or. Ludwig Thoma über seine Schulzeit: „— meine Eltern lehrten mich
^uhzeitig lesen und schreiben, wozu sie in den langen einsamen Wintern Muße
liwug fanden. Einem lebhaften Jungen, der im Walde aufgewachsen war,
konnte der Schulzwang nicht gefallen. Und ich habe auch meinen Lehrern
keineswegs Liebe entgegengebracht; zuerst galten sie mir als Störenfriede, und
später stieß mich ihr trockenes Wesen ab. Sie haben meinen Mangel an Ehr-
^ehr „„d meine Freude am Nebensächlichen stets gerügt, und erst nach
Manchen Fährlichkeiten konnte ich das humanistische Gymnasium absolvieren,
war 1886."
So malt sich die Schule in den Köpfen dieser uoch jungen Männer,
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