Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Saxomca mit Riecht die Gelegenheiten, wo sie zum Volke sprechen können, aufs unver¬ Konnte die Feindseligkeit der Sozialdemokratie gegen Sachsen noch ge¬ Saxomca mit Riecht die Gelegenheiten, wo sie zum Volke sprechen können, aufs unver¬ Konnte die Feindseligkeit der Sozialdemokratie gegen Sachsen noch ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297436"/> <fw type="header" place="top"> Saxomca</fw><lb/> <p xml:id="ID_1380" prev="#ID_1379"> mit Riecht die Gelegenheiten, wo sie zum Volke sprechen können, aufs unver¬<lb/> antwortlichste beschnitten würden. Wie steht es aber in Wirklichkeit? Man<lb/> nehme das erste beste sozialdemokratische Blatt zur Hand, und man wird finde»,<lb/> daß sich darin die Anzeigen über Volksversammlungen häufig geradezu einander<lb/> drängen. Namentlich in den großem Städten dürfte kaum ein Tag vergeh»,<lb/> wo nicht el» oder mehrere solche Versammlungen angekündigt würden. Ja<lb/> wir glauben nicht zu viel zu behaupten, wenn wir sagen, daß auf eine Volks¬<lb/> versammlung, die von den bürgerlichen Parteien abgehalten wird, ganz gut<lb/> zwanzig Volksversammlungen kommen, die die Sozialdemokratie abhält. Und<lb/> dabei beklagt sich diese noch über Beschneidung des Versmmnlnngsrechts! Aber<lb/> vielleicht wird in den Versammlungen das freie Wort zur Ungebühr polizeilich<lb/> unterdrückt? Allerdings, wenn man nach den Blättern der Umsturzpartei geh»<lb/> wollte, so könnte man wohl meinen, daß dort der Polizeibüttel eine brutale<lb/> Herrschaft sondergleichen ausübe, daß die Polizei nichts weiter zu tun habe<lb/> als die sozialdemokratischen Versammlungen zu besuchen und sie beim ersten<lb/> »nebiien Wort aufzulösen. In Wirklichkeit liegen die Verhältnisse sehr viel<lb/> anders. In Wirklichkeit liegen sie so, daß man vielmehr fragen muß: wo<lb/> ist das Wort, das die fanatischste Feindschaft gegen Staat und Gesellschaft<lb/> ersinnen, der boshafteste Haß gegen das Unternehmertum eingeben kann, das<lb/> in sozialdemokratischen Versammlungen nicht schon ausgesprochen worden wäre?<lb/> daß wir fragen müssen: wo gibt es etwas für den Menschen Heiliges und<lb/> Verehrungswürdiges, sei es der Gottesglaube oder die Vaterlandsliebe, sei es<lb/> Monarchie oder Eigentum oder Ehe oder Eid, das uicht in ungezählten Ver¬<lb/> sammlungen der Sozialdemokraten verspottet, verlästert, in den Staub gezerrt<lb/> und mit Füßen getreten worden wäre, daß wir fragen müssen, wo wäre die<lb/> Idee von einem — wahrhaften oder vermeintlichen — Fortschritt, die man<lb/> die Sozialdemokratie in ihren Versammlungen auszusprechen jemals gehindert<lb/> Hütte? Und doch, so müssen wir uns hier einhalten: es gibt etwas, was<lb/> die Sozialdemokratie noch in keiner ihrer Versammlungen ausgesprochen hat,<lb/> und was sie doch in jeder zu allererst und vor jedem andern Gedanken laut<lb/> verkünden sollte, nämlich: die nähere Schilderung der Gesellschaftsordnung,<lb/> auf Grund deren sie sich berechtigt wähnt, den herrschenden Staat und die<lb/> herrschende Gesellschaft mit einer Maßlosigkeit fast ohnegleichen in der Ge¬<lb/> schichte anzugreifen. Von dieser Schilderung, auf die doch die ganze Mensch¬<lb/> heit so begierig lauert, und die allein das Verhalten der Sozialdemokratie<lb/> rechtfertigen könnte, von ihr ist noch in keiner Versammlung, sieht man von<lb/> ganz nichtssagenden allgemeinen Phrasen auf diesem Gebiet ab, auch nur mit<lb/> einem Sterbenswörtchen geredet worden. Und warum ist von ihr nicht ge¬<lb/> redet worden? Sicherlich nicht, weil die Polizei es verhindert Hütte, sondern<lb/> weil man sich bewußt ist, daß dieses Fundament der ganzen sozialdemokratischen<lb/> Theorie eitel Dunst und Humbug ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1381" next="#ID_1382"> Konnte die Feindseligkeit der Sozialdemokratie gegen Sachsen noch ge¬<lb/> steigert werden, so geschah dies dadurch, daß Sachsen im Jahre 1896 das<lb/> Dreiklassenwahlrecht für die Wahlen in die Zweite Kammer eingeführt hat.<lb/> Ein Schlag der Gerechtigkeit ins Gesicht, ein Akt schwärzester Reaktion, ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Saxomca
mit Riecht die Gelegenheiten, wo sie zum Volke sprechen können, aufs unver¬
antwortlichste beschnitten würden. Wie steht es aber in Wirklichkeit? Man
nehme das erste beste sozialdemokratische Blatt zur Hand, und man wird finde»,
daß sich darin die Anzeigen über Volksversammlungen häufig geradezu einander
drängen. Namentlich in den großem Städten dürfte kaum ein Tag vergeh»,
wo nicht el» oder mehrere solche Versammlungen angekündigt würden. Ja
wir glauben nicht zu viel zu behaupten, wenn wir sagen, daß auf eine Volks¬
versammlung, die von den bürgerlichen Parteien abgehalten wird, ganz gut
zwanzig Volksversammlungen kommen, die die Sozialdemokratie abhält. Und
dabei beklagt sich diese noch über Beschneidung des Versmmnlnngsrechts! Aber
vielleicht wird in den Versammlungen das freie Wort zur Ungebühr polizeilich
unterdrückt? Allerdings, wenn man nach den Blättern der Umsturzpartei geh»
wollte, so könnte man wohl meinen, daß dort der Polizeibüttel eine brutale
Herrschaft sondergleichen ausübe, daß die Polizei nichts weiter zu tun habe
als die sozialdemokratischen Versammlungen zu besuchen und sie beim ersten
»nebiien Wort aufzulösen. In Wirklichkeit liegen die Verhältnisse sehr viel
anders. In Wirklichkeit liegen sie so, daß man vielmehr fragen muß: wo
ist das Wort, das die fanatischste Feindschaft gegen Staat und Gesellschaft
ersinnen, der boshafteste Haß gegen das Unternehmertum eingeben kann, das
in sozialdemokratischen Versammlungen nicht schon ausgesprochen worden wäre?
daß wir fragen müssen: wo gibt es etwas für den Menschen Heiliges und
Verehrungswürdiges, sei es der Gottesglaube oder die Vaterlandsliebe, sei es
Monarchie oder Eigentum oder Ehe oder Eid, das uicht in ungezählten Ver¬
sammlungen der Sozialdemokraten verspottet, verlästert, in den Staub gezerrt
und mit Füßen getreten worden wäre, daß wir fragen müssen, wo wäre die
Idee von einem — wahrhaften oder vermeintlichen — Fortschritt, die man
die Sozialdemokratie in ihren Versammlungen auszusprechen jemals gehindert
Hütte? Und doch, so müssen wir uns hier einhalten: es gibt etwas, was
die Sozialdemokratie noch in keiner ihrer Versammlungen ausgesprochen hat,
und was sie doch in jeder zu allererst und vor jedem andern Gedanken laut
verkünden sollte, nämlich: die nähere Schilderung der Gesellschaftsordnung,
auf Grund deren sie sich berechtigt wähnt, den herrschenden Staat und die
herrschende Gesellschaft mit einer Maßlosigkeit fast ohnegleichen in der Ge¬
schichte anzugreifen. Von dieser Schilderung, auf die doch die ganze Mensch¬
heit so begierig lauert, und die allein das Verhalten der Sozialdemokratie
rechtfertigen könnte, von ihr ist noch in keiner Versammlung, sieht man von
ganz nichtssagenden allgemeinen Phrasen auf diesem Gebiet ab, auch nur mit
einem Sterbenswörtchen geredet worden. Und warum ist von ihr nicht ge¬
redet worden? Sicherlich nicht, weil die Polizei es verhindert Hütte, sondern
weil man sich bewußt ist, daß dieses Fundament der ganzen sozialdemokratischen
Theorie eitel Dunst und Humbug ist.
Konnte die Feindseligkeit der Sozialdemokratie gegen Sachsen noch ge¬
steigert werden, so geschah dies dadurch, daß Sachsen im Jahre 1896 das
Dreiklassenwahlrecht für die Wahlen in die Zweite Kammer eingeführt hat.
Ein Schlag der Gerechtigkeit ins Gesicht, ein Akt schwärzester Reaktion, ein
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