Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Saxoiiica sogar so weit in der Rücksicht auf den Arbeiter gegangen, daß häufig genug Saxoiiica sogar so weit in der Rücksicht auf den Arbeiter gegangen, daß häufig genug <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297434"/> <fw type="header" place="top"> Saxoiiica</fw><lb/> <p xml:id="ID_1377" prev="#ID_1376"> sogar so weit in der Rücksicht auf den Arbeiter gegangen, daß häufig genug<lb/> schon Stimmen in Fabrikantenkreisen laut geworden sind, die behaupten, man<lb/> könne hierin nicht noch weiter gehn, ohne die Rentabilität gewisser Industrie¬<lb/> zweige ernstlich in Frage zu stellen. Verbleibt uoch die Regelung der Ver¬<lb/> hältnisse der in Staatsbetrieben, namentlich dem Eisenbahnbetriebe und bei den<lb/> Bergwerken beschäftigten Arbeiter. Auch hier läßt sich keinerlei begründeter<lb/> Vorwurf gegen den sächsischen Staat erheben. Denn er stellt seine Arbeiter<lb/> überall günstiger, als es die Privatunternehmer tun oder tun können. Ge¬<lb/> nügender Beweis dafür ist schon der Umstand, daß der Andrang zur Be¬<lb/> schäftigung beim Staat, oder wie der Bayer sagt, nach „königlichem Brot" in<lb/> Sachsen stark und in fortwährendem Wachsen begriffen ist. In der Sache<lb/> liegt es aber, daß die Förderung des Arbeiterwohls in noch viel größerm<lb/> Maße als vom Staate vom Stande der Gewerbe selbst und namentlich der<lb/> Industrie abhängt. Was will alles das, was der Staat und das Reich auf<lb/> dem Gebiete der Arbeiterschutz- und Versicherungsgesetzgebung, was ferner alles<lb/> das, was er in sonstigen Beziehungen für den Arbeiter tut, so sehr an sich<lb/> auch diese Leistungen anerkannt werden müssen, sagen gegenüber der Be¬<lb/> schaffung der Arbeitsmöglichkeit, die doch nur von dein Unternehmertum aus¬<lb/> gehn kann! Alle andern Wohltaten treten zurück gegen diese, ja sie würden<lb/> überhaupt aufhören und verschwinden in dem Augenblick, wo das Unternehmer¬<lb/> tum brachgelegt würde. Wie es kein Kunststück ist, und wie es möglich ge¬<lb/> worden wäre, auch wenn von der Sozialdemokratie nicht einmal der Name<lb/> in Deutschland je genannt worden wäre, in Zeiten aufsteigender geschäftlicher<lb/> Konjunkturen die äußere Lage des Arbeiters zu heben, so würde auch, darüber<lb/> kann keinerlei Zweifel sein, der Staat durch seine Arbeitergesetzgebung und<lb/> noch viel weniger die Sozialdemokratie den Arbeiter vor dem äußersten Elend<lb/> bewahren können, wenn Handel und Wandel rückwärts ginge oder gar zum<lb/> Erliegen käme. Erst durch einen günstigen Stand der Gewerbe kann es er¬<lb/> möglicht werden, arbeitswilligen Händen Gelegenheit zur Beendigung zu ver¬<lb/> schaffen, kann es den Arbeitern ermöglicht werden, ihre Lage in steigendem<lb/> Maße günstiger zu gestalten. Wo aber wäre der Staat, dessen Unternehmer¬<lb/> tum in dieser Hinsicht mehr getan hat als Sachsen, das durch seine blühende<lb/> Industrie zahlreichern Arbeitern Beschäftigung verschafft und ihnen günstigere<lb/> Bedingungen gewährt, als es in irgendeinem andern der deutscheu Länder<lb/> der Fall ist? Diese Umstände müßten die Sozialdemokratie ganz besonders<lb/> Sachsen gegenüber versöhnlich stimmen — wenn es ihr in Wirklichkeit um<lb/> das Wohl der Arbeiter zu tun wäre. Das ist ja aber eben der Unterschied<lb/> zwischen dem Sozialismus und der Sozialdemokratie, daß es dieser nicht<lb/> sowohl um die Hebung des Wohls der Arbeiter, als vielmehr um die Be¬<lb/> seitigung der ihrem Gescllschaftsideal entgegenstehenden Gesellschaftsordnung<lb/> zu tun ist. Und da das nur um so ferner gerückt wird, je wohler sich der<lb/> Arbeiter unter der bestehenden Ordnung fühlt, so ist es auch natürlich, daß<lb/> die dargelegten Umstände, so unbestreitbar sie an sich sind, und eben weil sie<lb/> es sind, die Sozialdemokratie doch gegen Sachsen nicht besser zu stimmen<lb/> vermögen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Saxoiiica
sogar so weit in der Rücksicht auf den Arbeiter gegangen, daß häufig genug
schon Stimmen in Fabrikantenkreisen laut geworden sind, die behaupten, man
könne hierin nicht noch weiter gehn, ohne die Rentabilität gewisser Industrie¬
zweige ernstlich in Frage zu stellen. Verbleibt uoch die Regelung der Ver¬
hältnisse der in Staatsbetrieben, namentlich dem Eisenbahnbetriebe und bei den
Bergwerken beschäftigten Arbeiter. Auch hier läßt sich keinerlei begründeter
Vorwurf gegen den sächsischen Staat erheben. Denn er stellt seine Arbeiter
überall günstiger, als es die Privatunternehmer tun oder tun können. Ge¬
nügender Beweis dafür ist schon der Umstand, daß der Andrang zur Be¬
schäftigung beim Staat, oder wie der Bayer sagt, nach „königlichem Brot" in
Sachsen stark und in fortwährendem Wachsen begriffen ist. In der Sache
liegt es aber, daß die Förderung des Arbeiterwohls in noch viel größerm
Maße als vom Staate vom Stande der Gewerbe selbst und namentlich der
Industrie abhängt. Was will alles das, was der Staat und das Reich auf
dem Gebiete der Arbeiterschutz- und Versicherungsgesetzgebung, was ferner alles
das, was er in sonstigen Beziehungen für den Arbeiter tut, so sehr an sich
auch diese Leistungen anerkannt werden müssen, sagen gegenüber der Be¬
schaffung der Arbeitsmöglichkeit, die doch nur von dein Unternehmertum aus¬
gehn kann! Alle andern Wohltaten treten zurück gegen diese, ja sie würden
überhaupt aufhören und verschwinden in dem Augenblick, wo das Unternehmer¬
tum brachgelegt würde. Wie es kein Kunststück ist, und wie es möglich ge¬
worden wäre, auch wenn von der Sozialdemokratie nicht einmal der Name
in Deutschland je genannt worden wäre, in Zeiten aufsteigender geschäftlicher
Konjunkturen die äußere Lage des Arbeiters zu heben, so würde auch, darüber
kann keinerlei Zweifel sein, der Staat durch seine Arbeitergesetzgebung und
noch viel weniger die Sozialdemokratie den Arbeiter vor dem äußersten Elend
bewahren können, wenn Handel und Wandel rückwärts ginge oder gar zum
Erliegen käme. Erst durch einen günstigen Stand der Gewerbe kann es er¬
möglicht werden, arbeitswilligen Händen Gelegenheit zur Beendigung zu ver¬
schaffen, kann es den Arbeitern ermöglicht werden, ihre Lage in steigendem
Maße günstiger zu gestalten. Wo aber wäre der Staat, dessen Unternehmer¬
tum in dieser Hinsicht mehr getan hat als Sachsen, das durch seine blühende
Industrie zahlreichern Arbeitern Beschäftigung verschafft und ihnen günstigere
Bedingungen gewährt, als es in irgendeinem andern der deutscheu Länder
der Fall ist? Diese Umstände müßten die Sozialdemokratie ganz besonders
Sachsen gegenüber versöhnlich stimmen — wenn es ihr in Wirklichkeit um
das Wohl der Arbeiter zu tun wäre. Das ist ja aber eben der Unterschied
zwischen dem Sozialismus und der Sozialdemokratie, daß es dieser nicht
sowohl um die Hebung des Wohls der Arbeiter, als vielmehr um die Be¬
seitigung der ihrem Gescllschaftsideal entgegenstehenden Gesellschaftsordnung
zu tun ist. Und da das nur um so ferner gerückt wird, je wohler sich der
Arbeiter unter der bestehenden Ordnung fühlt, so ist es auch natürlich, daß
die dargelegten Umstände, so unbestreitbar sie an sich sind, und eben weil sie
es sind, die Sozialdemokratie doch gegen Sachsen nicht besser zu stimmen
vermögen.
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