Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Ein sehr nahe liegendes Mittel, einen innigern Zusammenhang zwischen Indem das Reglement von 1884 die schon bestehenden Bestimmungen Die Erkenntnis blieb nicht aus. Jedoch die durch die Verfügungen vom Ein sehr nahe liegendes Mittel, einen innigern Zusammenhang zwischen Indem das Reglement von 1884 die schon bestehenden Bestimmungen Die Erkenntnis blieb nicht aus. Jedoch die durch die Verfügungen vom <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297394"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1153"> Ein sehr nahe liegendes Mittel, einen innigern Zusammenhang zwischen<lb/> den Professoren und der Studentenschaft herbeizuführen, ist eine korporative<lb/> Organisation der Studenten, Die russische Gesetzgebung stand ihr jedoch von jeher<lb/> mit Mißtrauen gegenüber und wollte nur von den einzelnen, jetzt uniformierten<lb/> Studenten wissen. Leider! Gemeinsames, sich einander mitteilendes Strebe»<lb/> nach dem oder jenem Ziel ist der Jugend eigentümlich, und der studierenden<lb/> Jugend erst recht, weil sich unter ihr ganz von selbst Gruppen mit gemeinsamen<lb/> Interessen und Zielen zusammenfinden. Beargwöhnt man diese Gruppenbildung,<lb/> und nimmt man ihr die Harmlosigkeit fröhlicher Vereinigungen, wie es geschehen<lb/> ist, so bilden sich geheime Verbindungen, die schließlich Zwecke verfolgen, die mit<lb/> der bestehenden Ordnung unvereinbar sind. Laßt man dagegen Vereine zu, die<lb/> öffentlich auftreten dürfen und müssen und unter der Aufsicht der Universitäts¬<lb/> behörde stehn, so kann auf diesem Wege sehr wohl ein erziehender Einfluß aus¬<lb/> geübt werden. Die Gemäßigten werden gestärkt, und die Masse der Studentenschaft<lb/> wird vor dem Terrorismus einer Minderheit geschützt. Und dadurch, daß die<lb/> Professoren, zum Teil als ehemalige Angehörige, Beziehungen zu diesen Kor¬<lb/> porationen unterhalten, ist die Brücke zu einer engern Verbindung zwischen<lb/> dein Lehrkörper und den Lernenden geschlagen, die sich willig dem moralischen<lb/> Einfluß des Lehrers fügen, wenn sie ihm auch menschlich näher treten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1154"> Indem das Reglement von 1884 die schon bestehenden Bestimmungen<lb/> gegen das offne Verbindungswesen aufnahm, vermied es den einzigen Weg, der<lb/> eine gewisse Bürgschaft für Nuhe und Ordnung im Universitätsleben bietet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1155"> Die Erkenntnis blieb nicht aus. Jedoch die durch die Verfügungen vom<lb/> Jahre 1892 in die Universitätsordnung geschlagne Bresche ist doch nicht mehr<lb/> recht gangbar. Sie erlaubt eine kameradschaftliche Organisation des Kursus<lb/> als gewissermaßen obligatorische Einrichtung, außerdem als fakultativ die<lb/> Gründung vou wissenschaftliche» Kränzchen, Bibliotheken, Lesekabinetts u. a.<lb/> unter der Bedingung, daß die Professoren und Lehrer daran teilnehmen. Früher<lb/> hätten die gesunden Mitglieder der Studentenschaft auf diese Weise allerdings<lb/> eine geeignete Organisation erhalten und das Gefühl für Disziplin und Zurück¬<lb/> haltung und eine konservative Gesinnung durch sie verbreiten helfen können,<lb/> deren Mangel jetzt jedesmal fühlbar wird, wenn das Universitätsleben das ge¬<lb/> wöhnliche Geleise verläßt. Aber wie sich die Verhältnisse auf deu Universi¬<lb/> täten einmal gestaltet haben, ist schwer anzunehmen, daß das jetzt ohne weiteres<lb/> noch möglich sein wird, denn die Bildung von Verbindungen wird durch die<lb/> Fakultäten nicht gefördert, weil sie die Universitätslehrer vor neue verwickelte,<lb/> zeitraubende Aufgaben stellt, ohne daß ihre Rechte erweitert und ihre Lage<lb/> materiell aufgebessert wird. Außerdem kann die Leitung der Verbindungen die<lb/> Professoren in eine ihre Existenz gefährdende sehr üble Lage bringen, sobald<lb/> die Tätigkeit dieser Verbindungen aus irgendwelchen von dem leitende» Lehrer<lb/> nicht abhängigen Gründen eine unerwünschte und schädliche Richtung einschlägt.<lb/> Der bloße Gedanke daran und an die schwere Verantwortlichkeit ist für die<lb/> Universitätslehrer Veranlassung genug, die Beteiligung an solchen Verbindungen<lb/> rundweg abzulehnen und damit die Segnungen der neuen Bestimmungen illusorisch<lb/> zu machen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
Ein sehr nahe liegendes Mittel, einen innigern Zusammenhang zwischen
den Professoren und der Studentenschaft herbeizuführen, ist eine korporative
Organisation der Studenten, Die russische Gesetzgebung stand ihr jedoch von jeher
mit Mißtrauen gegenüber und wollte nur von den einzelnen, jetzt uniformierten
Studenten wissen. Leider! Gemeinsames, sich einander mitteilendes Strebe»
nach dem oder jenem Ziel ist der Jugend eigentümlich, und der studierenden
Jugend erst recht, weil sich unter ihr ganz von selbst Gruppen mit gemeinsamen
Interessen und Zielen zusammenfinden. Beargwöhnt man diese Gruppenbildung,
und nimmt man ihr die Harmlosigkeit fröhlicher Vereinigungen, wie es geschehen
ist, so bilden sich geheime Verbindungen, die schließlich Zwecke verfolgen, die mit
der bestehenden Ordnung unvereinbar sind. Laßt man dagegen Vereine zu, die
öffentlich auftreten dürfen und müssen und unter der Aufsicht der Universitäts¬
behörde stehn, so kann auf diesem Wege sehr wohl ein erziehender Einfluß aus¬
geübt werden. Die Gemäßigten werden gestärkt, und die Masse der Studentenschaft
wird vor dem Terrorismus einer Minderheit geschützt. Und dadurch, daß die
Professoren, zum Teil als ehemalige Angehörige, Beziehungen zu diesen Kor¬
porationen unterhalten, ist die Brücke zu einer engern Verbindung zwischen
dein Lehrkörper und den Lernenden geschlagen, die sich willig dem moralischen
Einfluß des Lehrers fügen, wenn sie ihm auch menschlich näher treten.
Indem das Reglement von 1884 die schon bestehenden Bestimmungen
gegen das offne Verbindungswesen aufnahm, vermied es den einzigen Weg, der
eine gewisse Bürgschaft für Nuhe und Ordnung im Universitätsleben bietet.
Die Erkenntnis blieb nicht aus. Jedoch die durch die Verfügungen vom
Jahre 1892 in die Universitätsordnung geschlagne Bresche ist doch nicht mehr
recht gangbar. Sie erlaubt eine kameradschaftliche Organisation des Kursus
als gewissermaßen obligatorische Einrichtung, außerdem als fakultativ die
Gründung vou wissenschaftliche» Kränzchen, Bibliotheken, Lesekabinetts u. a.
unter der Bedingung, daß die Professoren und Lehrer daran teilnehmen. Früher
hätten die gesunden Mitglieder der Studentenschaft auf diese Weise allerdings
eine geeignete Organisation erhalten und das Gefühl für Disziplin und Zurück¬
haltung und eine konservative Gesinnung durch sie verbreiten helfen können,
deren Mangel jetzt jedesmal fühlbar wird, wenn das Universitätsleben das ge¬
wöhnliche Geleise verläßt. Aber wie sich die Verhältnisse auf deu Universi¬
täten einmal gestaltet haben, ist schwer anzunehmen, daß das jetzt ohne weiteres
noch möglich sein wird, denn die Bildung von Verbindungen wird durch die
Fakultäten nicht gefördert, weil sie die Universitätslehrer vor neue verwickelte,
zeitraubende Aufgaben stellt, ohne daß ihre Rechte erweitert und ihre Lage
materiell aufgebessert wird. Außerdem kann die Leitung der Verbindungen die
Professoren in eine ihre Existenz gefährdende sehr üble Lage bringen, sobald
die Tätigkeit dieser Verbindungen aus irgendwelchen von dem leitende» Lehrer
nicht abhängigen Gründen eine unerwünschte und schädliche Richtung einschlägt.
Der bloße Gedanke daran und an die schwere Verantwortlichkeit ist für die
Universitätslehrer Veranlassung genug, die Beteiligung an solchen Verbindungen
rundweg abzulehnen und damit die Segnungen der neuen Bestimmungen illusorisch
zu machen.
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