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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Ein wirklich modernes Bild von ähnlichem Sinne für einen durch Beruf und
Familie einigermaßen komplizierten Lebensbetrieb, das man heute im Volksmunde
R. w. hören kann, ist "die Maschine läuft."




Herrenmenschen
Fritz Anders (Mcix Allihn) Roman von (Fortsetzung)

8^iber die Pökelung der Beine erwies sich als ungenügend. Nach
einiger Zeit machte sich ein Geruch geltend, der weder vom Öl
noch vom Terpentin noch von den Zigaretten herrührte. Pogge
schnüffelte in der Luft herum und steckte sich eine starke Zigarre
an, und Staffelsteigcr sah unglücklich aus und behauptete, in einer
! solchen Atmosphäre alle Stimmung zu verlieren.

Schwechting malte unverdrossen weiter und behauptete, so ein bißchen Wild¬
geruch könne doch keinen Menschen stören.

Das nennt nun der Mensch Wildgeruch, sagte Pogge, und es ist ein Sturt,
bei dem mau nach zehn Minuten blau anläuft.

Schwechting aber, sonst die Zuvorkommenheit selbst, war verstockt und sagte:
Staffelsteiger kann sich ja eine innere Quellung von Rosenöl genehmigen.

Nach einiger Zeit stand Pogge kopfschüttelnd vor dem Elchbilde.

Was ist denn schon wieder los? fragte Schwechting, der auf das Urteil
Pogges viel gab und allemal in Unruhe geriet, wenn Pogge mit dem Kopf
schüttelte.

Sag mal, Hannes, fragte Pogge, soll das Freilicht oder Atelierbcleuchtung sein?

Wieso? meinte Schwechting.

Hier oben hast dn Luftreflexe und hier unten brenne Sauce. Ent- oder
weder! Entweder du benutzt deine Farbenskizze, dann mußt du aber auch die
Beine im Freien malen, oder du läßt dir deu Elch ius Atelier kommen, dann
kannst du so viel Bratensauce malen, wie du willst. Aber dann kannst du auch
gleich einen Salon dahinterzaubern.

Schwechting dachte nach. O dn schlechter Kerl, rief er dann lachend, indem
er die Absicht seines Freundes erriet, du willst mich bloß aus dem Hause hinaus-
jraulen! Aber kann ich mich denn hinaus in den Regen stellen?

Du jloobst nicht, erwiderte Pogge in vollem Ernst, wie jesuud sou bißkeu
Reejen is. Oder weißt du was? Du kannst ja dein Untier Hinansstellen. Dann
gehst du hinaus mit dem Regenschirm und holst dir allemal ein paar Oogen voll
Elchbeine. Immer runter wie ne Lawine und ruff wie ne Lawine.

Pogge glaubte vermutlich selbst uicht, daß sein Vorschlag angenommen werden
würde. Er hielt mit Staffclsteiger längere Konferenzen und plante heimliche
Überfälle und Emission des Stinktiers. Aber Schwechting achtete wie ein Spion
über die Unternehmungen seiner Gegner und wußte alle Anschläge zu vereiteln.

Schwechting, sagte Pogge, du bist doch sonst nicht unverständig, dn mußt doch
einsehen, daß es unmöglich ist, in dieser Luft auszuhalten.

Es ist alles möglich, antwortete Schwechting, was man ernstlich will. Echte
Kunst ist Aufopferung. Nicht bloß spazieren gehn und Zigarren rauchen, sondern
Selbstaufopferung. Oder meint ihr. ich hätte keine Nase?

Na also, sagte Pogge, jetzt gibst du es ja selber zu, daß es stinkt.


Herrenmenschen

Ein wirklich modernes Bild von ähnlichem Sinne für einen durch Beruf und
Familie einigermaßen komplizierten Lebensbetrieb, das man heute im Volksmunde
R. w. hören kann, ist „die Maschine läuft."




Herrenmenschen
Fritz Anders (Mcix Allihn) Roman von (Fortsetzung)

8^iber die Pökelung der Beine erwies sich als ungenügend. Nach
einiger Zeit machte sich ein Geruch geltend, der weder vom Öl
noch vom Terpentin noch von den Zigaretten herrührte. Pogge
schnüffelte in der Luft herum und steckte sich eine starke Zigarre
an, und Staffelsteigcr sah unglücklich aus und behauptete, in einer
! solchen Atmosphäre alle Stimmung zu verlieren.

Schwechting malte unverdrossen weiter und behauptete, so ein bißchen Wild¬
geruch könne doch keinen Menschen stören.

Das nennt nun der Mensch Wildgeruch, sagte Pogge, und es ist ein Sturt,
bei dem mau nach zehn Minuten blau anläuft.

Schwechting aber, sonst die Zuvorkommenheit selbst, war verstockt und sagte:
Staffelsteiger kann sich ja eine innere Quellung von Rosenöl genehmigen.

Nach einiger Zeit stand Pogge kopfschüttelnd vor dem Elchbilde.

Was ist denn schon wieder los? fragte Schwechting, der auf das Urteil
Pogges viel gab und allemal in Unruhe geriet, wenn Pogge mit dem Kopf
schüttelte.

Sag mal, Hannes, fragte Pogge, soll das Freilicht oder Atelierbcleuchtung sein?

Wieso? meinte Schwechting.

Hier oben hast dn Luftreflexe und hier unten brenne Sauce. Ent- oder
weder! Entweder du benutzt deine Farbenskizze, dann mußt du aber auch die
Beine im Freien malen, oder du läßt dir deu Elch ius Atelier kommen, dann
kannst du so viel Bratensauce malen, wie du willst. Aber dann kannst du auch
gleich einen Salon dahinterzaubern.

Schwechting dachte nach. O dn schlechter Kerl, rief er dann lachend, indem
er die Absicht seines Freundes erriet, du willst mich bloß aus dem Hause hinaus-
jraulen! Aber kann ich mich denn hinaus in den Regen stellen?

Du jloobst nicht, erwiderte Pogge in vollem Ernst, wie jesuud sou bißkeu
Reejen is. Oder weißt du was? Du kannst ja dein Untier Hinansstellen. Dann
gehst du hinaus mit dem Regenschirm und holst dir allemal ein paar Oogen voll
Elchbeine. Immer runter wie ne Lawine und ruff wie ne Lawine.

Pogge glaubte vermutlich selbst uicht, daß sein Vorschlag angenommen werden
würde. Er hielt mit Staffclsteiger längere Konferenzen und plante heimliche
Überfälle und Emission des Stinktiers. Aber Schwechting achtete wie ein Spion
über die Unternehmungen seiner Gegner und wußte alle Anschläge zu vereiteln.

Schwechting, sagte Pogge, du bist doch sonst nicht unverständig, dn mußt doch
einsehen, daß es unmöglich ist, in dieser Luft auszuhalten.

Es ist alles möglich, antwortete Schwechting, was man ernstlich will. Echte
Kunst ist Aufopferung. Nicht bloß spazieren gehn und Zigarren rauchen, sondern
Selbstaufopferung. Oder meint ihr. ich hätte keine Nase?

Na also, sagte Pogge, jetzt gibst du es ja selber zu, daß es stinkt.


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[0218] Herrenmenschen Ein wirklich modernes Bild von ähnlichem Sinne für einen durch Beruf und Familie einigermaßen komplizierten Lebensbetrieb, das man heute im Volksmunde R. w. hören kann, ist „die Maschine läuft." Herrenmenschen Fritz Anders (Mcix Allihn) Roman von (Fortsetzung) 8^iber die Pökelung der Beine erwies sich als ungenügend. Nach einiger Zeit machte sich ein Geruch geltend, der weder vom Öl noch vom Terpentin noch von den Zigaretten herrührte. Pogge schnüffelte in der Luft herum und steckte sich eine starke Zigarre an, und Staffelsteigcr sah unglücklich aus und behauptete, in einer ! solchen Atmosphäre alle Stimmung zu verlieren. Schwechting malte unverdrossen weiter und behauptete, so ein bißchen Wild¬ geruch könne doch keinen Menschen stören. Das nennt nun der Mensch Wildgeruch, sagte Pogge, und es ist ein Sturt, bei dem mau nach zehn Minuten blau anläuft. Schwechting aber, sonst die Zuvorkommenheit selbst, war verstockt und sagte: Staffelsteiger kann sich ja eine innere Quellung von Rosenöl genehmigen. Nach einiger Zeit stand Pogge kopfschüttelnd vor dem Elchbilde. Was ist denn schon wieder los? fragte Schwechting, der auf das Urteil Pogges viel gab und allemal in Unruhe geriet, wenn Pogge mit dem Kopf schüttelte. Sag mal, Hannes, fragte Pogge, soll das Freilicht oder Atelierbcleuchtung sein? Wieso? meinte Schwechting. Hier oben hast dn Luftreflexe und hier unten brenne Sauce. Ent- oder weder! Entweder du benutzt deine Farbenskizze, dann mußt du aber auch die Beine im Freien malen, oder du läßt dir deu Elch ius Atelier kommen, dann kannst du so viel Bratensauce malen, wie du willst. Aber dann kannst du auch gleich einen Salon dahinterzaubern. Schwechting dachte nach. O dn schlechter Kerl, rief er dann lachend, indem er die Absicht seines Freundes erriet, du willst mich bloß aus dem Hause hinaus- jraulen! Aber kann ich mich denn hinaus in den Regen stellen? Du jloobst nicht, erwiderte Pogge in vollem Ernst, wie jesuud sou bißkeu Reejen is. Oder weißt du was? Du kannst ja dein Untier Hinansstellen. Dann gehst du hinaus mit dem Regenschirm und holst dir allemal ein paar Oogen voll Elchbeine. Immer runter wie ne Lawine und ruff wie ne Lawine. Pogge glaubte vermutlich selbst uicht, daß sein Vorschlag angenommen werden würde. Er hielt mit Staffclsteiger längere Konferenzen und plante heimliche Überfälle und Emission des Stinktiers. Aber Schwechting achtete wie ein Spion über die Unternehmungen seiner Gegner und wußte alle Anschläge zu vereiteln. Schwechting, sagte Pogge, du bist doch sonst nicht unverständig, dn mußt doch einsehen, daß es unmöglich ist, in dieser Luft auszuhalten. Es ist alles möglich, antwortete Schwechting, was man ernstlich will. Echte Kunst ist Aufopferung. Nicht bloß spazieren gehn und Zigarren rauchen, sondern Selbstaufopferung. Oder meint ihr. ich hätte keine Nase? Na also, sagte Pogge, jetzt gibst du es ja selber zu, daß es stinkt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/218>, abgerufen am 05.02.2025.