Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Bildliche Redensarten in Gottfrieds Tristan Als die Frauen von Irland erkennen, daß sie in dem Sänger Tristan den Blattwerk und kleine Früchte dienen gern zur Bezeichnung geringen Wertes lind wenn man Tristan und Isolde in ihrem wunschlosen Leben in der Minne¬ ^ Ganz wenig Bilder Gottfrieds sind dem Kulturleben der Zeit entnommen. Als Tristan und Isolde am frühen Morgen allein in die bedanke Wiesenland¬ . Und ein zur Bezeichnung der unverständlichen Vogelsprache damals ebenso geläufiger Bildliche Redensarten in Gottfrieds Tristan Als die Frauen von Irland erkennen, daß sie in dem Sänger Tristan den Blattwerk und kleine Früchte dienen gern zur Bezeichnung geringen Wertes lind wenn man Tristan und Isolde in ihrem wunschlosen Leben in der Minne¬ ^ Ganz wenig Bilder Gottfrieds sind dem Kulturleben der Zeit entnommen. Als Tristan und Isolde am frühen Morgen allein in die bedanke Wiesenland¬ . Und ein zur Bezeichnung der unverständlichen Vogelsprache damals ebenso geläufiger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297348"/> <fw type="header" place="top"> Bildliche Redensarten in Gottfrieds Tristan</fw><lb/> <p xml:id="ID_933" prev="#ID_932"> Als die Frauen von Irland erkennen, daß sie in dem Sänger Tristan den<lb/> Mann gerettet haben, der ihnen den Oheim Morold erschlug, wendet sich die<lb/> Mutter Isolde an ihre Nichte Brangäne:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_12" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_934"> Blattwerk und kleine Früchte dienen gern zur Bezeichnung geringen Wertes<lb/> oder Maßes; von einer ganzen Menge solcher alter Wendungen haben wir nur<lb/> noch den Ausdruck „nicht die Bohne" in Gebrauch. Der Riese Argau kommt<lb/> gegen den berittnen Tristan daher und verlangt freie Bahn; Tristan erwidert:<lb/> Ich fürchte dich und deine Stange nicht eine halbe Bohne. Als er dann den<lb/> Riesen zwar zuschanden gehauen hat, aber entkommen sieht, muß er sich sagen,<lb/> daß ihn die bis jetzt aufgewandte Angst und Arbeit nicht „um ein Laub"<lb/> seinem Ziele näher gebracht habe. Schließlich erlegt er ihn aber doch noch und<lb/> gewinnt damit auch den Preis, das Hündlein Petitcriu, das er als Geschenk<lb/> für Isolde so sehr ersehnt hat:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_935"> lind wenn man Tristan und Isolde in ihrem wunschlosen Leben in der Minne¬<lb/> grotte die Freuden aller Länder zusammen hätte bieten wollen, sie Hütten kein<lb/> armseliges Ringelchen von Glas dafür gegeben. Die fortwährende Aufsicht da¬<lb/> gegen, der sie an Markes Hofe unterworfen sind, liegt ihnen „schwer wie ein<lb/> bleierner Berg" im Sinn; ein Glück, daß sich Brangäne in der äußersten Not<lb/> als treu bewährt <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"><l/></lg> ^ </p><lb/> <p xml:id="ID_936"> Ganz wenig Bilder Gottfrieds sind dem Kulturleben der Zeit entnommen.<lb/> Wir sagen noch „Mit den Wölfen muß man heulen" und „Weh Brot ich esse,<lb/> des Lied ich singe." Bei Gottfried sucht Marke Tristan über die Verfolgung<lb/> durch Neider bei Hofe zu trösten: Würde und Haß seien wie Mutter und Kind,</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_937"> Als Tristan und Isolde am frühen Morgen allein in die bedanke Wiesenland¬<lb/> schaft hinausschlendern — «lioliM sagt der Dichter —, fangen die Vögel an<lb/> ihnen entgegenzujubilieren. Lerche und Nachtigall organieren, d. h. singen zwei¬<lb/> stimmig<lg xml:id="POEMID_16" type="poem"><l/></lg> . Und </p><lb/> <p xml:id="ID_938" next="#ID_939"> ein zur Bezeichnung der unverständlichen Vogelsprache damals ebenso geläufiger<lb/> Ausdruck wie unser „Jägerlatein." Vom Vogelfang ist das einzige Bild ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
Bildliche Redensarten in Gottfrieds Tristan
Als die Frauen von Irland erkennen, daß sie in dem Sänger Tristan den
Mann gerettet haben, der ihnen den Oheim Morold erschlug, wendet sich die
Mutter Isolde an ihre Nichte Brangäne:
Blattwerk und kleine Früchte dienen gern zur Bezeichnung geringen Wertes
oder Maßes; von einer ganzen Menge solcher alter Wendungen haben wir nur
noch den Ausdruck „nicht die Bohne" in Gebrauch. Der Riese Argau kommt
gegen den berittnen Tristan daher und verlangt freie Bahn; Tristan erwidert:
Ich fürchte dich und deine Stange nicht eine halbe Bohne. Als er dann den
Riesen zwar zuschanden gehauen hat, aber entkommen sieht, muß er sich sagen,
daß ihn die bis jetzt aufgewandte Angst und Arbeit nicht „um ein Laub"
seinem Ziele näher gebracht habe. Schließlich erlegt er ihn aber doch noch und
gewinnt damit auch den Preis, das Hündlein Petitcriu, das er als Geschenk
für Isolde so sehr ersehnt hat:
lind wenn man Tristan und Isolde in ihrem wunschlosen Leben in der Minne¬
grotte die Freuden aller Länder zusammen hätte bieten wollen, sie Hütten kein
armseliges Ringelchen von Glas dafür gegeben. Die fortwährende Aufsicht da¬
gegen, der sie an Markes Hofe unterworfen sind, liegt ihnen „schwer wie ein
bleierner Berg" im Sinn; ein Glück, daß sich Brangäne in der äußersten Not
als treu bewährt
^
Ganz wenig Bilder Gottfrieds sind dem Kulturleben der Zeit entnommen.
Wir sagen noch „Mit den Wölfen muß man heulen" und „Weh Brot ich esse,
des Lied ich singe." Bei Gottfried sucht Marke Tristan über die Verfolgung
durch Neider bei Hofe zu trösten: Würde und Haß seien wie Mutter und Kind,
Als Tristan und Isolde am frühen Morgen allein in die bedanke Wiesenland¬
schaft hinausschlendern — «lioliM sagt der Dichter —, fangen die Vögel an
ihnen entgegenzujubilieren. Lerche und Nachtigall organieren, d. h. singen zwei¬
stimmig
. Und
ein zur Bezeichnung der unverständlichen Vogelsprache damals ebenso geläufiger
Ausdruck wie unser „Jägerlatein." Vom Vogelfang ist das einzige Bild ge-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |