Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Cosme Ideal, das es in dieser Welt nicht gibt? Aber sie sind auf ihrer Fahrt in ein Zurück zur Gegenwart! Es ist eine augenfällige Erscheinung von Cosme, Wie ich jetzt inmitten der Runde saß, die sich auf der Veranda zusammen¬ Cosme Ideal, das es in dieser Welt nicht gibt? Aber sie sind auf ihrer Fahrt in ein Zurück zur Gegenwart! Es ist eine augenfällige Erscheinung von Cosme, Wie ich jetzt inmitten der Runde saß, die sich auf der Veranda zusammen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297295"/> <fw type="header" place="top"> Cosme</fw><lb/> <p xml:id="ID_646" prev="#ID_645"> Ideal, das es in dieser Welt nicht gibt? Aber sie sind auf ihrer Fahrt in ein<lb/> wundersam schönes Land geraten, in das Land einer tätigen Liebe, die die<lb/> große Welt nicht kennt, wohl niemals wird kennen lernen. Und es läßt sich<lb/> herrlich träumen in diesem stillen Märchenwinkel von einer schönern, reinern,<lb/> bessern Welt. Weitab liegt dieses Land, wie ich glaube, von dem Wege, den<lb/> der Fortschritt der Menschheit zu wandeln bestimmt ist, aber es ist ein Land,<lb/> das zum mindesten die wenigen, die sich darein gefunden haben, ernährt, mag<lb/> es auch der Allgemeinheit die Daseinsbedingungen versagen. Seit der Zeit,<lb/> da die ersten Vorkämpfer des „Cvsme'ismus" ihre Hütten im Urwalde baute»,<lb/> hat ihr Unternehmen einen gewaltigen Aufschwung genommen. In Cosme leidet<lb/> niemand Hunger oder Not. Ein bescheidnes, doch gesichertes, menschenwürdiges<lb/> Dasein ist jedem beschicken. Für den noch weitern Fortschritt der Kolonie gibt<lb/> der Gedanke Bürgschaft, den die „Generalinformation" gleich zu Anfang aus¬<lb/> spricht: „Der Cosme'ismus will nicht die natürliche Entwicklung der Dinge durch<lb/> ein hartes und strenges Festhalten an geschriebn«» Lehrsätzen hindern, noch ver¬<lb/> geblich nach einem Leben trachten, das den unvollkommnen Naturen der Leute<lb/> von Cosme unerreichbar sein würde. Vielmehr versucht er durch ernstes Denken<lb/> und unermüdliche Anstrengung ein Maß von Kameradschaft aufrecht zu erhalten,<lb/> zu dem sich der schlichte Durchschnittsmensch eignet." Ein weises Bestreben!<lb/> Man kann nur wünschen, was dieses Bestreben geschaffen hat und noch schaffen<lb/> wird, möge nicht durch das Erwachen böser Regungen der menschlichen Seele<lb/> zerstört werden, mit denen der Cosmeismns vielleicht doch zu wenig rechnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Zurück zur Gegenwart! Es ist eine augenfällige Erscheinung von Cosme,<lb/> daß die Lebenshaltung hier entschieden höher steht als die der meisten deutschen<lb/> Kolonisten in Südamerika. Schon in der bessern Einrichtung der Stuben und<lb/> der Küchen, der sorgfältigern Zubereitung der Speisen, dem größern Aufwand<lb/> an Tellern, Schüsseln und Besteck bei Tische tritt das hervor. Daß man die<lb/> Tätigkeit der verheirateten Frau durch die Besorgung des Haushalts und die<lb/> Erziehung der Kinder für zu weit in Anspruch genommen hält, als daß man<lb/> ihr eine Verpflichtung zu andern Arbeiten auferlegen möchte, gehört ebenfalls<lb/> dahin; bei den deutschen Kolonisten muß die Frau bei der Arbeit im Felde<lb/> derb zufassen. Vor allem aber tritt in den Umgangsformen der Leute, in der<lb/> Art und Weise, wie sie sich bei Tisch benehmen, wie sie mit andern verkehren<lb/> und sich unterhalten, Fremde vorstellen oder sich vorstellen lassen, ein unver¬<lb/> kennbarer Gegensatz zu dem plumpem Benehmen des deutschen Kolonisten<lb/> zutage.</p><lb/> <p xml:id="ID_648" next="#ID_649"> Wie ich jetzt inmitten der Runde saß, die sich auf der Veranda zusammen¬<lb/> gefunden hatte, fiel mir dieser Gegensatz wieder recht in die Augen. Es war<lb/> mittlerweile spät geworden. Die Nachbarn verabschiedeten sich, und uns wurden<lb/> Betten angewiesen, zwei auf der Veranda und ein drittes in einem der Zimmer.<lb/> Die beiden Herren aus Ucgros bekamen eine Art zusammenklappbarer Feld¬<lb/> betten, da sie, wie der Hausherr bemerkte, schon lange Zeit in paraguayischen<lb/> Verhältnissen lebten; mir dagegen wurde, weil ich von Europa her noch ver¬<lb/> wöhnt sei, eine Bettstelle mit Matratze zugewiesen. Nun. mit der Verwöhntheit<lb/> war es nicht so schlimm, denn ich hatte vorher wochenlang Nacht für Nacht im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Cosme
Ideal, das es in dieser Welt nicht gibt? Aber sie sind auf ihrer Fahrt in ein
wundersam schönes Land geraten, in das Land einer tätigen Liebe, die die
große Welt nicht kennt, wohl niemals wird kennen lernen. Und es läßt sich
herrlich träumen in diesem stillen Märchenwinkel von einer schönern, reinern,
bessern Welt. Weitab liegt dieses Land, wie ich glaube, von dem Wege, den
der Fortschritt der Menschheit zu wandeln bestimmt ist, aber es ist ein Land,
das zum mindesten die wenigen, die sich darein gefunden haben, ernährt, mag
es auch der Allgemeinheit die Daseinsbedingungen versagen. Seit der Zeit,
da die ersten Vorkämpfer des „Cvsme'ismus" ihre Hütten im Urwalde baute»,
hat ihr Unternehmen einen gewaltigen Aufschwung genommen. In Cosme leidet
niemand Hunger oder Not. Ein bescheidnes, doch gesichertes, menschenwürdiges
Dasein ist jedem beschicken. Für den noch weitern Fortschritt der Kolonie gibt
der Gedanke Bürgschaft, den die „Generalinformation" gleich zu Anfang aus¬
spricht: „Der Cosme'ismus will nicht die natürliche Entwicklung der Dinge durch
ein hartes und strenges Festhalten an geschriebn«» Lehrsätzen hindern, noch ver¬
geblich nach einem Leben trachten, das den unvollkommnen Naturen der Leute
von Cosme unerreichbar sein würde. Vielmehr versucht er durch ernstes Denken
und unermüdliche Anstrengung ein Maß von Kameradschaft aufrecht zu erhalten,
zu dem sich der schlichte Durchschnittsmensch eignet." Ein weises Bestreben!
Man kann nur wünschen, was dieses Bestreben geschaffen hat und noch schaffen
wird, möge nicht durch das Erwachen böser Regungen der menschlichen Seele
zerstört werden, mit denen der Cosmeismns vielleicht doch zu wenig rechnet.
Zurück zur Gegenwart! Es ist eine augenfällige Erscheinung von Cosme,
daß die Lebenshaltung hier entschieden höher steht als die der meisten deutschen
Kolonisten in Südamerika. Schon in der bessern Einrichtung der Stuben und
der Küchen, der sorgfältigern Zubereitung der Speisen, dem größern Aufwand
an Tellern, Schüsseln und Besteck bei Tische tritt das hervor. Daß man die
Tätigkeit der verheirateten Frau durch die Besorgung des Haushalts und die
Erziehung der Kinder für zu weit in Anspruch genommen hält, als daß man
ihr eine Verpflichtung zu andern Arbeiten auferlegen möchte, gehört ebenfalls
dahin; bei den deutschen Kolonisten muß die Frau bei der Arbeit im Felde
derb zufassen. Vor allem aber tritt in den Umgangsformen der Leute, in der
Art und Weise, wie sie sich bei Tisch benehmen, wie sie mit andern verkehren
und sich unterhalten, Fremde vorstellen oder sich vorstellen lassen, ein unver¬
kennbarer Gegensatz zu dem plumpem Benehmen des deutschen Kolonisten
zutage.
Wie ich jetzt inmitten der Runde saß, die sich auf der Veranda zusammen¬
gefunden hatte, fiel mir dieser Gegensatz wieder recht in die Augen. Es war
mittlerweile spät geworden. Die Nachbarn verabschiedeten sich, und uns wurden
Betten angewiesen, zwei auf der Veranda und ein drittes in einem der Zimmer.
Die beiden Herren aus Ucgros bekamen eine Art zusammenklappbarer Feld¬
betten, da sie, wie der Hausherr bemerkte, schon lange Zeit in paraguayischen
Verhältnissen lebten; mir dagegen wurde, weil ich von Europa her noch ver¬
wöhnt sei, eine Bettstelle mit Matratze zugewiesen. Nun. mit der Verwöhntheit
war es nicht so schlimm, denn ich hatte vorher wochenlang Nacht für Nacht im
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