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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Lohne

gab es einen einfachen Imbiß: kaltes Fleisch, Käse, Hartbrot -- sogenannte
"Calieten" --, Bananen und Orangen,

Das Gespräch wandte sich natürlich bald den Einrichtungen der Kolonie
zu, über die mir nunmehr nähere Auskunft zuteil wurde.

Cosme hat grundsätzliche Gemeinschaft des Vermögens, Eine Ausnahme
besteht nur insofern, als jedem an den Gegenständen seines häuslichen und per¬
sönlichen Bedarfs, Möbeln, Küchengerät, Kleidern und Wäschestücken, Nahrungs-
vorrätcn nsiv,, Privateigentum zusteht. Wer in die Koloniegemeinschaft eintritt,
der bringt ihr damit sein ganzes Vermögen ein, soweit dessen Gegenstände nicht
zu der eben bezeichneten Klasse gehören. Einzelne Mitglieder sollen sehr be¬
deutende Beträge beigesteuert haben. Ich nahm an, wer aus der Gemeinschaft
ausscheide, habe auf Erstattung eines seiner Einlage entsprechenden Anteils am
Gemeingut Anspruch, und fragte, ob es sich so verhielte. Nein, entgegnete mein
Gastgeber jeder Beitrag ist troo Alle. Wer die Kolonie verlassen will, erhält
nur so viel, als sein Anteil an dem Ertrag der letzten Arbeitsperiode beträgt.
Immerhin ist es nicht ausgeschlossen, daß wir ihm eine Unterstützung zahlen.
Doch das steht in unserm freien Belieben.

Liegt darin nicht eine gewisse Härte? Es könnte doch vorkommen, daß
einer sich die Bedeutung seines Eintritts in das Gemeinwesen nicht genügend
überlegt hat, daß er sich seinen ganzen Neigungen nach darin nicht wohl fühlt.
Geht er fort, so steht er mittellos in der Welt. Bleibt er aber da, so haben
Sie ein mißznfriednes Mitglied in der Gemeinde, und das ist doch gewiß für
Sie uicht wünschenswert.

Dafür besteht die Vorschrift, daß jeder eine Probezeit von einem Jahre
durchmachen muß. Vorher erwirbt er keine Mitgliedschaft und braucht demnach
anch nichts einzuzahlen.

Er muß sich aber verpflichten, während des Probejahrs in der Kolonie
auszuhalten?

Nicht doch. Er kann jederzeit auftreten. Aber auch die Gemeinde hat
das Recht, ihn während der Zeit auszuweisen.

Das macht unter Umständen Unkosten, da der Mann vielleicht mittel¬
los ist?

Wir verlangen von jedem, der sich meldet, eine Einlage von fünf Pfund
für jedes erwachsne Familienmitglied, für Kinder die Hälfte. Alleinstehenden
Frauen macheu wir es übrigens leichter. Die bekommen die Reise nach Buenos
Aires bezahlt, falls sie sich uicht zum Eintritt entschließen. Nur dürfen sie
selbst allerdings nicht vor drei Monaten die Probezeit beendigen, sonst haben
sie keinen Anspruch ans Reisegeld.

Und jedermann wird probeweise zum Eintritt zugelassen?

Wir verlangen weiter nichts, als daß der Betreffende kräftig und gesund,
namentlich nicht mit einer erblichen Krankheit belastet ist. Außerdem müssen
wir von der Anständigkeit seines Charakters überzeugt sein. Paraguayer lassen
wir nicht zu. Er lächelte ein wenig und verbesserte sich: Farbige meine ich. --
Da die Paraguayer, soweit sie ihren Lebensverhältnissen nach als Ansiedler in
Frage kommen konnten, durchweg mit Jndicmerblut gemischt sind, so hatte die


Lohne

gab es einen einfachen Imbiß: kaltes Fleisch, Käse, Hartbrot — sogenannte
„Calieten" —, Bananen und Orangen,

Das Gespräch wandte sich natürlich bald den Einrichtungen der Kolonie
zu, über die mir nunmehr nähere Auskunft zuteil wurde.

Cosme hat grundsätzliche Gemeinschaft des Vermögens, Eine Ausnahme
besteht nur insofern, als jedem an den Gegenständen seines häuslichen und per¬
sönlichen Bedarfs, Möbeln, Küchengerät, Kleidern und Wäschestücken, Nahrungs-
vorrätcn nsiv,, Privateigentum zusteht. Wer in die Koloniegemeinschaft eintritt,
der bringt ihr damit sein ganzes Vermögen ein, soweit dessen Gegenstände nicht
zu der eben bezeichneten Klasse gehören. Einzelne Mitglieder sollen sehr be¬
deutende Beträge beigesteuert haben. Ich nahm an, wer aus der Gemeinschaft
ausscheide, habe auf Erstattung eines seiner Einlage entsprechenden Anteils am
Gemeingut Anspruch, und fragte, ob es sich so verhielte. Nein, entgegnete mein
Gastgeber jeder Beitrag ist troo Alle. Wer die Kolonie verlassen will, erhält
nur so viel, als sein Anteil an dem Ertrag der letzten Arbeitsperiode beträgt.
Immerhin ist es nicht ausgeschlossen, daß wir ihm eine Unterstützung zahlen.
Doch das steht in unserm freien Belieben.

Liegt darin nicht eine gewisse Härte? Es könnte doch vorkommen, daß
einer sich die Bedeutung seines Eintritts in das Gemeinwesen nicht genügend
überlegt hat, daß er sich seinen ganzen Neigungen nach darin nicht wohl fühlt.
Geht er fort, so steht er mittellos in der Welt. Bleibt er aber da, so haben
Sie ein mißznfriednes Mitglied in der Gemeinde, und das ist doch gewiß für
Sie uicht wünschenswert.

Dafür besteht die Vorschrift, daß jeder eine Probezeit von einem Jahre
durchmachen muß. Vorher erwirbt er keine Mitgliedschaft und braucht demnach
anch nichts einzuzahlen.

Er muß sich aber verpflichten, während des Probejahrs in der Kolonie
auszuhalten?

Nicht doch. Er kann jederzeit auftreten. Aber auch die Gemeinde hat
das Recht, ihn während der Zeit auszuweisen.

Das macht unter Umständen Unkosten, da der Mann vielleicht mittel¬
los ist?

Wir verlangen von jedem, der sich meldet, eine Einlage von fünf Pfund
für jedes erwachsne Familienmitglied, für Kinder die Hälfte. Alleinstehenden
Frauen macheu wir es übrigens leichter. Die bekommen die Reise nach Buenos
Aires bezahlt, falls sie sich uicht zum Eintritt entschließen. Nur dürfen sie
selbst allerdings nicht vor drei Monaten die Probezeit beendigen, sonst haben
sie keinen Anspruch ans Reisegeld.

Und jedermann wird probeweise zum Eintritt zugelassen?

Wir verlangen weiter nichts, als daß der Betreffende kräftig und gesund,
namentlich nicht mit einer erblichen Krankheit belastet ist. Außerdem müssen
wir von der Anständigkeit seines Charakters überzeugt sein. Paraguayer lassen
wir nicht zu. Er lächelte ein wenig und verbesserte sich: Farbige meine ich. —
Da die Paraguayer, soweit sie ihren Lebensverhältnissen nach als Ansiedler in
Frage kommen konnten, durchweg mit Jndicmerblut gemischt sind, so hatte die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/156>, abgerufen am 05.02.2025.