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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Unterscheidung der Sache nach keine Bedeutung, aber die Ausdrucksweise war
so der Negierung des Landes gegenüber höflicher. -- Menschen, die nicht
unsers Stammes sind, fuhr der Kolonist fort, können auch unsre Grundsätze
und Ideen nicht versteh".

Deutsche würden sie also in Cvsme annehmen?

Vorausgesetzt, daß sie Englisch sprechen, selbstverständlich. Wir sind ja
auch Llörinans. Aber die Unkenntnis unsrer Sprache wäre ein zu großes
Hindernis für den Verkehr.

Wir kamen nachher auf die Arbeit zu sprechen. Sie ist natürlich sehr
mannigfaltiger Art. Die landwirtschaftliche Arbeit macht ihren Hauptbestandteil
aus, aber da muß außerdem gezimmert, geschmiedet, geschustert, gemahlen, ge¬
schlachtet, gemolken werden; die Sägemühle muß bedient, Brücken und Häuser
müssen gebaut werdeu, und noch so vieles andre.

Sie verteilen jedenfalls die Arbeiten so, daß möglichst jeder die Tätigkeit
hat, die er gelernt hat und gewohnt ist? meinte ich.

Im großen ganzen ja. Aber wir vermeiden, dabei allzu peinlich vorzu-
gehn. Es ist ganz gut, wenn jeder mehrerlei lernt. Da langweilt er sich
erstens nicht so leicht, und außerdem wird die Einteilung der Arbeiten ver¬
einfacht.

Ich fragte, wer die Führung der Arbeiten habe.

Die Anordnung im großen geschieht durch die Obrigkeit, war die Antwort.
Im übrigen hat jeder Arbeitszweig einen besondern Leiter.

Ich erfuhr weiter, zur Arbeit verpflichtet seien alle männlichen Mitglieder
der Kolonie vom fünfzehnten und alle unverheirateten Weiber vom sechzehnten
Lebensjahr an. Die verheirateten Frauen dagegen seien von der Arbeit im
Dienste der Gemeinschaft frei. Die Arbeitszeit daure im Winter acht, im
Sommer sieben Stunden. Die Sonntage und die Sonnabcndnachmittage seien
arbeitsfrei.

Nun erkundigte ich mich nach der Verteilung des Arbeitsertrags.

Von dem Ertrag füllt allen Erwachsnen derselbe Anteil zu, ohne Rücksicht
auf Alter und Geschlecht, Art der Beschäftigung und Arbeitsfähigkeit. Die
Kinder haben einen verhältnismüßigen Anteil. Wo es aber angeht, besteht
ti'gg issue; zum Beispiel an Orangen, Bananen, Tabak, Sirup kann jeder so
viel für sich nehmen, als ihm beliebt. Namentlich an Früchten sind wir so
reich, daß wir mit Orangen und Bananen das Vieh füttern; so ist es ja überall
in Paraguay.

Und in welcher Weise vollzieht sich im übrigen die Verteilung des Ein¬
kommens?

Gewisse Lebensmittel werden einzeln geliefert, vor allem Fleisch und Milch.
Sie haben ja vor den Häusern die Pfosten mit der aufgelegten Holzplatte ge¬
sehen. Auf die setzen wir jeden Morgen den Milchtopf und holen ihn nachher
gefüllt zurück. Außerdem werden an die Vorstünde der einzelnen Hauswesen
zwei Kreditkarten ausgegeben. Diese lauten auf den Geldbetrag, der dem
Einzelnen als Anteil an dem gemeinsamen Erwerbe zufällt. In dem von der
Gemeinschaft betriebncn Laden kann jeder auf seine Kreditkarte einkaufen. Die


Grenzboten II 1905 20
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Unterscheidung der Sache nach keine Bedeutung, aber die Ausdrucksweise war
so der Negierung des Landes gegenüber höflicher. — Menschen, die nicht
unsers Stammes sind, fuhr der Kolonist fort, können auch unsre Grundsätze
und Ideen nicht versteh».

Deutsche würden sie also in Cvsme annehmen?

Vorausgesetzt, daß sie Englisch sprechen, selbstverständlich. Wir sind ja
auch Llörinans. Aber die Unkenntnis unsrer Sprache wäre ein zu großes
Hindernis für den Verkehr.

Wir kamen nachher auf die Arbeit zu sprechen. Sie ist natürlich sehr
mannigfaltiger Art. Die landwirtschaftliche Arbeit macht ihren Hauptbestandteil
aus, aber da muß außerdem gezimmert, geschmiedet, geschustert, gemahlen, ge¬
schlachtet, gemolken werden; die Sägemühle muß bedient, Brücken und Häuser
müssen gebaut werdeu, und noch so vieles andre.

Sie verteilen jedenfalls die Arbeiten so, daß möglichst jeder die Tätigkeit
hat, die er gelernt hat und gewohnt ist? meinte ich.

Im großen ganzen ja. Aber wir vermeiden, dabei allzu peinlich vorzu-
gehn. Es ist ganz gut, wenn jeder mehrerlei lernt. Da langweilt er sich
erstens nicht so leicht, und außerdem wird die Einteilung der Arbeiten ver¬
einfacht.

Ich fragte, wer die Führung der Arbeiten habe.

Die Anordnung im großen geschieht durch die Obrigkeit, war die Antwort.
Im übrigen hat jeder Arbeitszweig einen besondern Leiter.

Ich erfuhr weiter, zur Arbeit verpflichtet seien alle männlichen Mitglieder
der Kolonie vom fünfzehnten und alle unverheirateten Weiber vom sechzehnten
Lebensjahr an. Die verheirateten Frauen dagegen seien von der Arbeit im
Dienste der Gemeinschaft frei. Die Arbeitszeit daure im Winter acht, im
Sommer sieben Stunden. Die Sonntage und die Sonnabcndnachmittage seien
arbeitsfrei.

Nun erkundigte ich mich nach der Verteilung des Arbeitsertrags.

Von dem Ertrag füllt allen Erwachsnen derselbe Anteil zu, ohne Rücksicht
auf Alter und Geschlecht, Art der Beschäftigung und Arbeitsfähigkeit. Die
Kinder haben einen verhältnismüßigen Anteil. Wo es aber angeht, besteht
ti'gg issue; zum Beispiel an Orangen, Bananen, Tabak, Sirup kann jeder so
viel für sich nehmen, als ihm beliebt. Namentlich an Früchten sind wir so
reich, daß wir mit Orangen und Bananen das Vieh füttern; so ist es ja überall
in Paraguay.

Und in welcher Weise vollzieht sich im übrigen die Verteilung des Ein¬
kommens?

Gewisse Lebensmittel werden einzeln geliefert, vor allem Fleisch und Milch.
Sie haben ja vor den Häusern die Pfosten mit der aufgelegten Holzplatte ge¬
sehen. Auf die setzen wir jeden Morgen den Milchtopf und holen ihn nachher
gefüllt zurück. Außerdem werden an die Vorstünde der einzelnen Hauswesen
zwei Kreditkarten ausgegeben. Diese lauten auf den Geldbetrag, der dem
Einzelnen als Anteil an dem gemeinsamen Erwerbe zufällt. In dem von der
Gemeinschaft betriebncn Laden kann jeder auf seine Kreditkarte einkaufen. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/157>, abgerufen am 05.02.2025.