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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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unikleidet und mit einem Elchfell, das Burpel irgendwo aufgetrieben hatte, über¬
zogen. An der Vorderseite war ein angemessen gekrümmter Knüppel als Hals und
Kopf angesetzt. Auf dem Kopfe saß ein Elchgeweih, das Prinzeßchen hatte hergeben
müssen. Das Fell war allerdings abgeschunden, wollte sich den Körperformen nicht
anschmiegen und schlug Falten, wo sie nicht hingehörten, aber Schwechting war auf
sein Modell stolz, wirtschaftete hinter seiner großen Leinwand herum und strichelte
Haare. Als er hörte, daß die Tür aufging, schaute er hinter seinem Bilde vor,
wies mit dem Pinsel auf das Untier und sagte: Nicht wahr, Doktor, fein?

Der Doktor versicherte, daß das Modell mindestens originell genug sei, und
trat hinter die Leinwand, um das Bild zu besehen. Es war in der kurzen Zeit,
die vergangen war, schon ansehnlich vorgeschritten; es war solide komponiert, ge¬
wissenhaft gezeichnet und sorgfältig in Farbe gesetzt. Aber was Pogge im Auge
gehabt hatte, das geistig belebte Porträt einer starken und boshaften Persönlichkeit,
die Majestät der Häßlichkeit, ein Philipp der Zweite aus dem Tierreich, das wurde
es uicht. Soviel war schou jetzt zu sehen. Schwechting richtete fragende Blicke
auf Ramborn, und dieser half sich mit einigen Gemeinplätzen und bemerkte, daß die
Beine noch ziemlich nebelhaft seien, und daß es Wohl nötig sein werde, die Natur zu
Hilfe zu nehmen oder wenigstens ein anatomisches Präparat der Gelenke zu benutzen.

Ja die Beine, die Beine, sagte Schwechting betrübt. Diese Beine sind mein
Unglück. Sie werden es erleben, daß ich in den Wald gehe und eins dieser ge¬
heiligten Biester schieße und ins Loch komme. Und was dann?

Allerdings, ein paar Elchbeine müssen Sie haben, sagte der Doktor, die
Photographie reicht für diese Größe nicht aus.

Nun teilte der Doktor seine Absicht mit, das verdächtige Dokument zu photo¬
graphieren. Sogleich war Schwechting, der immer für alle Allotria zu haben war,
dienstfertig bereit, die Vorbereitungen treffen zu helfen, und bald darauf war die
erste Aufnahme der Unterschrift des Dokuments gemacht. Die Unterschrift war un-
anfechtbar. Darauf folgte eine Aufnahme der Zahl 10000 Mark. Es schien, als
wenn die beiden letzten Nullen der Zahl dunkler seien als die beiden ersten. Aber
man konnte sich auch täuschen. Nun kam es darauf an, von dem negativ eine
Vergrößerung auf Bromsilberpapier zu machen, was am nächsten Abend geschah.
Als dies vollendet war, und man die mehr als zollgrvßen Buchstaben vor Augen
hatte, änderte sich das Bild, der Schleier des Geheimnisses fiel, und man erkannte
mit handgreiflicher Deutlichkeit die Fälschung. Die beiden Nullen waren, nachdem
sie mit Bleistift vorgeschrieben worden waren, von frenider Hand nachgezeichnet
worden. Man sah ferner, daß die beiden Nullen, die gerade durch den Kniff des
Papiers durchschnitten waren, da, wo dieser Kniff die Papieroberfläche zerbrochen
hatte, ein wenig rechts und links in die Papiermasse eingedrungen waren; woraus
geschlossen werden mußte, daß diese zwei Nullen erst nachträglich, nachdem die Ver¬
handlung geschlossen und das Papier zusammengefaltet war, eingezeichnet worden
waren. Damit war die Sache sonnenklar. Der Kontrakt war gefälscht, die
Fälschung war objektiv nachweisbar, der Inspektor war mit allen seinen For¬
derungen abzuweisen. Das gewährte dem Doktor eine doppelte Genugtuung, erstens
Frau Marys wegen, die uun aus der Verlegenheit heraus war, und zweitens seiner
selbst wegen, der den Schwindel so scharfsinnig entdeckt hatte. Das Ende war
eine lange feuchtfröhliche Sitzung zu Mopswende, bei der abermals das "nasse
Verfahren" angewandt wurde und Pogge in Berlinismen schwelgte.

Auf dem preußischen Schlößchen herrschte große Freude. Wolf kletterte seinem
Onkel auf den Schoß und deklamierte: So habe ich mir das gedacht, Onkel Heinz.
Ganz genau so! Was die andern nicht können, das kannst du allemal. Und uun
sollst du einmal sehen, wie sie Beine kriegen und ausreißen.

Man machte also dem Rechtsanwalt Mitteilung von der Lage der Sache und
wies ihn an, die Zahlung der 10000 Mark zu verweigern, da der Kontrakt ge¬
fälscht sei. Man behalte sich vor, dem Staatsanwalt Mitteilung zu machen.


unikleidet und mit einem Elchfell, das Burpel irgendwo aufgetrieben hatte, über¬
zogen. An der Vorderseite war ein angemessen gekrümmter Knüppel als Hals und
Kopf angesetzt. Auf dem Kopfe saß ein Elchgeweih, das Prinzeßchen hatte hergeben
müssen. Das Fell war allerdings abgeschunden, wollte sich den Körperformen nicht
anschmiegen und schlug Falten, wo sie nicht hingehörten, aber Schwechting war auf
sein Modell stolz, wirtschaftete hinter seiner großen Leinwand herum und strichelte
Haare. Als er hörte, daß die Tür aufging, schaute er hinter seinem Bilde vor,
wies mit dem Pinsel auf das Untier und sagte: Nicht wahr, Doktor, fein?

Der Doktor versicherte, daß das Modell mindestens originell genug sei, und
trat hinter die Leinwand, um das Bild zu besehen. Es war in der kurzen Zeit,
die vergangen war, schon ansehnlich vorgeschritten; es war solide komponiert, ge¬
wissenhaft gezeichnet und sorgfältig in Farbe gesetzt. Aber was Pogge im Auge
gehabt hatte, das geistig belebte Porträt einer starken und boshaften Persönlichkeit,
die Majestät der Häßlichkeit, ein Philipp der Zweite aus dem Tierreich, das wurde
es uicht. Soviel war schou jetzt zu sehen. Schwechting richtete fragende Blicke
auf Ramborn, und dieser half sich mit einigen Gemeinplätzen und bemerkte, daß die
Beine noch ziemlich nebelhaft seien, und daß es Wohl nötig sein werde, die Natur zu
Hilfe zu nehmen oder wenigstens ein anatomisches Präparat der Gelenke zu benutzen.

Ja die Beine, die Beine, sagte Schwechting betrübt. Diese Beine sind mein
Unglück. Sie werden es erleben, daß ich in den Wald gehe und eins dieser ge¬
heiligten Biester schieße und ins Loch komme. Und was dann?

Allerdings, ein paar Elchbeine müssen Sie haben, sagte der Doktor, die
Photographie reicht für diese Größe nicht aus.

Nun teilte der Doktor seine Absicht mit, das verdächtige Dokument zu photo¬
graphieren. Sogleich war Schwechting, der immer für alle Allotria zu haben war,
dienstfertig bereit, die Vorbereitungen treffen zu helfen, und bald darauf war die
erste Aufnahme der Unterschrift des Dokuments gemacht. Die Unterschrift war un-
anfechtbar. Darauf folgte eine Aufnahme der Zahl 10000 Mark. Es schien, als
wenn die beiden letzten Nullen der Zahl dunkler seien als die beiden ersten. Aber
man konnte sich auch täuschen. Nun kam es darauf an, von dem negativ eine
Vergrößerung auf Bromsilberpapier zu machen, was am nächsten Abend geschah.
Als dies vollendet war, und man die mehr als zollgrvßen Buchstaben vor Augen
hatte, änderte sich das Bild, der Schleier des Geheimnisses fiel, und man erkannte
mit handgreiflicher Deutlichkeit die Fälschung. Die beiden Nullen waren, nachdem
sie mit Bleistift vorgeschrieben worden waren, von frenider Hand nachgezeichnet
worden. Man sah ferner, daß die beiden Nullen, die gerade durch den Kniff des
Papiers durchschnitten waren, da, wo dieser Kniff die Papieroberfläche zerbrochen
hatte, ein wenig rechts und links in die Papiermasse eingedrungen waren; woraus
geschlossen werden mußte, daß diese zwei Nullen erst nachträglich, nachdem die Ver¬
handlung geschlossen und das Papier zusammengefaltet war, eingezeichnet worden
waren. Damit war die Sache sonnenklar. Der Kontrakt war gefälscht, die
Fälschung war objektiv nachweisbar, der Inspektor war mit allen seinen For¬
derungen abzuweisen. Das gewährte dem Doktor eine doppelte Genugtuung, erstens
Frau Marys wegen, die uun aus der Verlegenheit heraus war, und zweitens seiner
selbst wegen, der den Schwindel so scharfsinnig entdeckt hatte. Das Ende war
eine lange feuchtfröhliche Sitzung zu Mopswende, bei der abermals das „nasse
Verfahren" angewandt wurde und Pogge in Berlinismen schwelgte.

Auf dem preußischen Schlößchen herrschte große Freude. Wolf kletterte seinem
Onkel auf den Schoß und deklamierte: So habe ich mir das gedacht, Onkel Heinz.
Ganz genau so! Was die andern nicht können, das kannst du allemal. Und uun
sollst du einmal sehen, wie sie Beine kriegen und ausreißen.

Man machte also dem Rechtsanwalt Mitteilung von der Lage der Sache und
wies ihn an, die Zahlung der 10000 Mark zu verweigern, da der Kontrakt ge¬
fälscht sei. Man behalte sich vor, dem Staatsanwalt Mitteilung zu machen.


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[0114] unikleidet und mit einem Elchfell, das Burpel irgendwo aufgetrieben hatte, über¬ zogen. An der Vorderseite war ein angemessen gekrümmter Knüppel als Hals und Kopf angesetzt. Auf dem Kopfe saß ein Elchgeweih, das Prinzeßchen hatte hergeben müssen. Das Fell war allerdings abgeschunden, wollte sich den Körperformen nicht anschmiegen und schlug Falten, wo sie nicht hingehörten, aber Schwechting war auf sein Modell stolz, wirtschaftete hinter seiner großen Leinwand herum und strichelte Haare. Als er hörte, daß die Tür aufging, schaute er hinter seinem Bilde vor, wies mit dem Pinsel auf das Untier und sagte: Nicht wahr, Doktor, fein? Der Doktor versicherte, daß das Modell mindestens originell genug sei, und trat hinter die Leinwand, um das Bild zu besehen. Es war in der kurzen Zeit, die vergangen war, schon ansehnlich vorgeschritten; es war solide komponiert, ge¬ wissenhaft gezeichnet und sorgfältig in Farbe gesetzt. Aber was Pogge im Auge gehabt hatte, das geistig belebte Porträt einer starken und boshaften Persönlichkeit, die Majestät der Häßlichkeit, ein Philipp der Zweite aus dem Tierreich, das wurde es uicht. Soviel war schou jetzt zu sehen. Schwechting richtete fragende Blicke auf Ramborn, und dieser half sich mit einigen Gemeinplätzen und bemerkte, daß die Beine noch ziemlich nebelhaft seien, und daß es Wohl nötig sein werde, die Natur zu Hilfe zu nehmen oder wenigstens ein anatomisches Präparat der Gelenke zu benutzen. Ja die Beine, die Beine, sagte Schwechting betrübt. Diese Beine sind mein Unglück. Sie werden es erleben, daß ich in den Wald gehe und eins dieser ge¬ heiligten Biester schieße und ins Loch komme. Und was dann? Allerdings, ein paar Elchbeine müssen Sie haben, sagte der Doktor, die Photographie reicht für diese Größe nicht aus. Nun teilte der Doktor seine Absicht mit, das verdächtige Dokument zu photo¬ graphieren. Sogleich war Schwechting, der immer für alle Allotria zu haben war, dienstfertig bereit, die Vorbereitungen treffen zu helfen, und bald darauf war die erste Aufnahme der Unterschrift des Dokuments gemacht. Die Unterschrift war un- anfechtbar. Darauf folgte eine Aufnahme der Zahl 10000 Mark. Es schien, als wenn die beiden letzten Nullen der Zahl dunkler seien als die beiden ersten. Aber man konnte sich auch täuschen. Nun kam es darauf an, von dem negativ eine Vergrößerung auf Bromsilberpapier zu machen, was am nächsten Abend geschah. Als dies vollendet war, und man die mehr als zollgrvßen Buchstaben vor Augen hatte, änderte sich das Bild, der Schleier des Geheimnisses fiel, und man erkannte mit handgreiflicher Deutlichkeit die Fälschung. Die beiden Nullen waren, nachdem sie mit Bleistift vorgeschrieben worden waren, von frenider Hand nachgezeichnet worden. Man sah ferner, daß die beiden Nullen, die gerade durch den Kniff des Papiers durchschnitten waren, da, wo dieser Kniff die Papieroberfläche zerbrochen hatte, ein wenig rechts und links in die Papiermasse eingedrungen waren; woraus geschlossen werden mußte, daß diese zwei Nullen erst nachträglich, nachdem die Ver¬ handlung geschlossen und das Papier zusammengefaltet war, eingezeichnet worden waren. Damit war die Sache sonnenklar. Der Kontrakt war gefälscht, die Fälschung war objektiv nachweisbar, der Inspektor war mit allen seinen For¬ derungen abzuweisen. Das gewährte dem Doktor eine doppelte Genugtuung, erstens Frau Marys wegen, die uun aus der Verlegenheit heraus war, und zweitens seiner selbst wegen, der den Schwindel so scharfsinnig entdeckt hatte. Das Ende war eine lange feuchtfröhliche Sitzung zu Mopswende, bei der abermals das „nasse Verfahren" angewandt wurde und Pogge in Berlinismen schwelgte. Auf dem preußischen Schlößchen herrschte große Freude. Wolf kletterte seinem Onkel auf den Schoß und deklamierte: So habe ich mir das gedacht, Onkel Heinz. Ganz genau so! Was die andern nicht können, das kannst du allemal. Und uun sollst du einmal sehen, wie sie Beine kriegen und ausreißen. Man machte also dem Rechtsanwalt Mitteilung von der Lage der Sache und wies ihn an, die Zahlung der 10000 Mark zu verweigern, da der Kontrakt ge¬ fälscht sei. Man behalte sich vor, dem Staatsanwalt Mitteilung zu machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/114>, abgerufen am 05.02.2025.