Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Bedeutung der Presse für die 'Kultur Eine andre Reihe wichtiger Fragen, die den Journalismus, seine Stellung Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben. Wenn ich nun zum Schluß noch einlade, einen Augenblick bei dem Die Bedeutung der Presse für die 'Kultur Eine andre Reihe wichtiger Fragen, die den Journalismus, seine Stellung Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben. Wenn ich nun zum Schluß noch einlade, einen Augenblick bei dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0716" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296727"/> <fw type="header" place="top"> Die Bedeutung der Presse für die 'Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_3689"> Eine andre Reihe wichtiger Fragen, die den Journalismus, seine Stellung<lb/> im öffentlichen Leben, die Berechtigung seines Maubads, die Frage der Vor¬<lb/> bildung, das Recht der Einmischung des Staates in diese, die Anonymität der<lb/> Presse, die gewerbliche Seite des Zeituugsunternehmens und so manches andre<lb/> betreffen, würde einen eignen Vortrag füllen, und ich muß es mir leider ver¬<lb/> sagen, hier noch darauf einzugehn. Der deutsche Journalismus hat lange unter<lb/> dem Worte Bismarcks gelitten, das dieser im Zorne der Konfliktjahre gesprochen<lb/> hat, die Presse werde von Leuten gemacht, die ihren Beruf verfehlt haben. Es<lb/> war dies im Unmut des Augenblicks hingeworfen wie manche seiner Äußerungen,<lb/> die für den Augenblick bestimmt und vom Augenblick gezeugt, eine dauernde<lb/> Bedeutung erlangt haben. Bismarck selbst hat zwei bedeutende Journalisten,<lb/> Lothar Bucher und den Chefredakteur der Kreuzzeitung, Hermann Wagener, in<lb/> seine unmittelbare Nähe gezogen, und beide sind ihm sehr wertvolle Stützen<lb/> gewesen, wie er denn selbst wohl für lange Zeit nicht nur unser größter Staats¬<lb/> mann, sondern auch unser größter Publizist gewesen ist. Je höher die Ziele<lb/> waren, die er sich gesteckt hatte, je schwieriger die Wege dahin, je härter die<lb/> Kämpfe, um so mehr bedürfte er der Publizistik, die in unsern Tagen vom Staats¬<lb/> mann mehr und mehr unzertrennlich ist. Seit jener Äußerung Bismarcks in<lb/> den sechziger Jahren hat sich in diesen Verhältnissen vieles geändert. Daß in<lb/> der Presse viele Leute tätig sind, die dort ihren Beruf verfehlt haben, d. h. den<lb/> publizistischen Beruf, ist auch heute noch richtig, aber als Prinz Heinrich von<lb/> Preußen auf seiner Amerikareise von der dortigen Presse gefeiert wurde, äußerte<lb/> er in seiner Entgegnung, sein kaiserlicher Bruder habe ihm ausgesprochen, daß<lb/> die amerikanischen Journalisten — die Leiter der großen Blätter — den Rang<lb/> von kommandierender Generalen hätten. Damit hat auch Kaiser Wilhelm der<lb/> Zweite in der ihm eignen Weise die Bedeutung der Presse mW ihrer lebendigen<lb/> Träger für die Kultur anerkannt. Die fortschreitende Entwicklung der Menschheit<lb/> sichert dem Journalismus und dem Journalisten, der seine Zeit versteht, eine<lb/> große Zukunft. Aber möge wenigstens der deutsche Journalismus aller Farben<lb/> um so mehr das auch ihm geltende Dichterwort beherzigen:</p><lb/> <quote> Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben.<lb/> Bewahret sie!<lb/> Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich heben!</quote><lb/> <p xml:id="ID_3690" next="#ID_3691"> Wenn ich nun zum Schluß noch einlade, einen Augenblick bei dem<lb/> asiatischen, besonders dem ostasiatischen Zeitungswesen, d. h. dem Chinas und<lb/> Japans, zu verweilen, so geschieht das sowohl aus Rücksicht auf das allgemeine<lb/> Interesse, das sich gegenwärtig diesen Ländern zuwendet, als auch weil wir<lb/> gleichsam als Augenzeugen, wenigstens als Zeitgenossen, dort einer allerdings<lb/> modern beschleunigten, vielleicht sogar übereilten Entwicklung des Preßwesens<lb/> beiwohnen, die in den Anfängen mancherlei Ähnlichkeiten mit der europäischen<lb/> aufweist, diese dann aber seit etwa zehn Jahren in großen Sprüngen fast über¬<lb/> holt. Japan hat auch, was die Presse und deren Bedeutung für die Kultur<lb/> anlangt, den Weg, zu dem wir Jahrhunderte gebraucht haben, in dreißig Jahren,<lb/> in einem Menschenalter zurückgelegt. Bei dem großen Einfluß, den die Presse<lb/> auch in Japan gewonnen hat, eine Macht, der einstweilen noch eine unbegrenzte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0716]
Die Bedeutung der Presse für die 'Kultur
Eine andre Reihe wichtiger Fragen, die den Journalismus, seine Stellung
im öffentlichen Leben, die Berechtigung seines Maubads, die Frage der Vor¬
bildung, das Recht der Einmischung des Staates in diese, die Anonymität der
Presse, die gewerbliche Seite des Zeituugsunternehmens und so manches andre
betreffen, würde einen eignen Vortrag füllen, und ich muß es mir leider ver¬
sagen, hier noch darauf einzugehn. Der deutsche Journalismus hat lange unter
dem Worte Bismarcks gelitten, das dieser im Zorne der Konfliktjahre gesprochen
hat, die Presse werde von Leuten gemacht, die ihren Beruf verfehlt haben. Es
war dies im Unmut des Augenblicks hingeworfen wie manche seiner Äußerungen,
die für den Augenblick bestimmt und vom Augenblick gezeugt, eine dauernde
Bedeutung erlangt haben. Bismarck selbst hat zwei bedeutende Journalisten,
Lothar Bucher und den Chefredakteur der Kreuzzeitung, Hermann Wagener, in
seine unmittelbare Nähe gezogen, und beide sind ihm sehr wertvolle Stützen
gewesen, wie er denn selbst wohl für lange Zeit nicht nur unser größter Staats¬
mann, sondern auch unser größter Publizist gewesen ist. Je höher die Ziele
waren, die er sich gesteckt hatte, je schwieriger die Wege dahin, je härter die
Kämpfe, um so mehr bedürfte er der Publizistik, die in unsern Tagen vom Staats¬
mann mehr und mehr unzertrennlich ist. Seit jener Äußerung Bismarcks in
den sechziger Jahren hat sich in diesen Verhältnissen vieles geändert. Daß in
der Presse viele Leute tätig sind, die dort ihren Beruf verfehlt haben, d. h. den
publizistischen Beruf, ist auch heute noch richtig, aber als Prinz Heinrich von
Preußen auf seiner Amerikareise von der dortigen Presse gefeiert wurde, äußerte
er in seiner Entgegnung, sein kaiserlicher Bruder habe ihm ausgesprochen, daß
die amerikanischen Journalisten — die Leiter der großen Blätter — den Rang
von kommandierender Generalen hätten. Damit hat auch Kaiser Wilhelm der
Zweite in der ihm eignen Weise die Bedeutung der Presse mW ihrer lebendigen
Träger für die Kultur anerkannt. Die fortschreitende Entwicklung der Menschheit
sichert dem Journalismus und dem Journalisten, der seine Zeit versteht, eine
große Zukunft. Aber möge wenigstens der deutsche Journalismus aller Farben
um so mehr das auch ihm geltende Dichterwort beherzigen:
Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben.
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich heben!
Wenn ich nun zum Schluß noch einlade, einen Augenblick bei dem
asiatischen, besonders dem ostasiatischen Zeitungswesen, d. h. dem Chinas und
Japans, zu verweilen, so geschieht das sowohl aus Rücksicht auf das allgemeine
Interesse, das sich gegenwärtig diesen Ländern zuwendet, als auch weil wir
gleichsam als Augenzeugen, wenigstens als Zeitgenossen, dort einer allerdings
modern beschleunigten, vielleicht sogar übereilten Entwicklung des Preßwesens
beiwohnen, die in den Anfängen mancherlei Ähnlichkeiten mit der europäischen
aufweist, diese dann aber seit etwa zehn Jahren in großen Sprüngen fast über¬
holt. Japan hat auch, was die Presse und deren Bedeutung für die Kultur
anlangt, den Weg, zu dem wir Jahrhunderte gebraucht haben, in dreißig Jahren,
in einem Menschenalter zurückgelegt. Bei dem großen Einfluß, den die Presse
auch in Japan gewonnen hat, eine Macht, der einstweilen noch eine unbegrenzte
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