Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Bedeutung der Presse für die Kultur Dichter in die Brust gesenkt hat, er darf an Idealen nicht arm sein und muß Wers nicht edel und nobel treibt, Wäre der Journalismus -- nicht nur bei uns, sondern bei allen Nationen -- Ungeachtet der Bedeutung der Presse im Kulturleben aller zivilisierten Die Bedeutung der Presse für die Kultur Dichter in die Brust gesenkt hat, er darf an Idealen nicht arm sein und muß Wers nicht edel und nobel treibt, Wäre der Journalismus — nicht nur bei uns, sondern bei allen Nationen — Ungeachtet der Bedeutung der Presse im Kulturleben aller zivilisierten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0714" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296725"/> <fw type="header" place="top"> Die Bedeutung der Presse für die Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_3684" prev="#ID_3683"> Dichter in die Brust gesenkt hat, er darf an Idealen nicht arm sein und muß<lb/> sich von dem festen Glauben ein seinen Beruf getragen fühlen. Denn die<lb/> Ideale müssen ihm in dem unausgesetzten Kampfe, den dieses Berufsleben von<lb/> ihm fordert, das geistige und seelische Gleichgewicht halten, nur Ideale können<lb/> ihm als ferne Ziele des politischen, sozialen oder literarischen Streites vor¬<lb/> schweben. Ohne Ideale wäre der Kampf unwürdig. Ohne Ideale kann es<lb/> einen echten Journalisten von Gottes Gnaden so wenig geben wie einen echten<lb/> Dichter oder Künstler. In ihnen allen adelt erst der göttliche Funke in der<lb/> Brust den Beruf. Ein tüchtiger Journalist muß als solcher geboren sein, eine<lb/> gütige Fee muß ihm die Göttergabe des Talents in die Wiege gelegt haben,<lb/> gerade so wie dem Dichter und dem Künstler auch. Aber er muß dieses Talent<lb/> durch Fleiß und Kenntnisse, durch Glauben und Hingebung an den Beruf,<lb/> durch eine sittliche Kraft der Überzeugung zur Entfaltung gebracht haben, gleich¬<lb/> viel welches der Parteistandpunkt sein möge, in dessen Heerbann er tritt. Es<lb/> gehört ferner zu dieser Tätigkeit ein gut Teil Takt und Diskretion, manche<lb/> Selbstverleugnung, schneller und erfassender Blick, ein sicheres Organisations¬<lb/> talent, Umsicht und Fähigkeit in der Beurteilung von Menschen, dazu ein un¬<lb/> ermüdliches Pflichtgefühl und — ein tüchtiger Schulsack. Die Zahl derer, die<lb/> alle diese Eigenschaften mit an den Nedaltionstisch bringen, wird freilich nicht<lb/> übermäßig groß sein, UnVollkommenheit ist ja leider die erste aller mensch¬<lb/> lichen Tugenden. Je näher der Einzelne aber diesem Normaljournalisten kommt,<lb/> desto besser wird es um seine Zeitung, desto besser wird es um die Presse und<lb/> um ihre Bedeutung für die Kultur bestellt sein. Für die Rekrutierung der<lb/> Soldaten der Feder sollte bei der großen Verantwortlichkeit, die ihnen obliegt,<lb/> um so mehr die Lehre des Reitersmannes in Wallensteins Lager gelten:</p><lb/> <quote> Wers nicht edel und nobel treibt,<lb/> Lieber weit von dem Handwerk bleibt!</quote><lb/> <p xml:id="ID_3685"> Wäre der Journalismus — nicht nur bei uns, sondern bei allen Nationen —<lb/> ungeachtet mancher Fehler und Mängel neben allen praktischen Zielen nicht<lb/> durch einen großen Idealismus getragen, niemals würde er vermocht haben,<lb/> der Presse ihre Bedeutung zu geben und im Kulturfortschritt der Menschheit<lb/> Führer und Bannerträger zu sein. Mit der rauhen und rücksichtslosen Hcrvor-<lb/> kehrung der geschäftlichen Seite des Zeitungsunternehmens, wie dies in Amerika<lb/> zum großen Teile der Fall ist, würde die Presse ihre heutige Bedeutung niemals<lb/> gewonnen haben. Wir dürfen getrost hinzufügen, daß auch der amerikanische<lb/> Journalismus wenn nicht zu seinem größern, so doch jedenfalls zu seinem<lb/> bessern und dauernd einflußreichen Teile von Idealen getragen ist, wenn auch<lb/> vielleicht von solchen, die mehr den wesentlich anders gearteten Gestaltungen<lb/> der Neuen Welt als denen der Alten Welt entsprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3686" next="#ID_3687"> Ungeachtet der Bedeutung der Presse im Kulturleben aller zivilisierten<lb/> Völker ist es doch eine feststehende Tatsache, daß sie keineswegs immer identisch<lb/> ist mit der öffentlichen Meinung ihres Landes, deren Ausdruck und Vertreter<lb/> zu sein sie beansprucht. Daß diese im Gegenteil die Presse korrigiert und sie<lb/> auf andre Wege weist, ist in Zeiten einer Erregung der Geister, bei der Be¬<lb/> handlung wichtiger Gesetzvorlagen usw. schon öfter dagewesen. Mit Recht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0714]
Die Bedeutung der Presse für die Kultur
Dichter in die Brust gesenkt hat, er darf an Idealen nicht arm sein und muß
sich von dem festen Glauben ein seinen Beruf getragen fühlen. Denn die
Ideale müssen ihm in dem unausgesetzten Kampfe, den dieses Berufsleben von
ihm fordert, das geistige und seelische Gleichgewicht halten, nur Ideale können
ihm als ferne Ziele des politischen, sozialen oder literarischen Streites vor¬
schweben. Ohne Ideale wäre der Kampf unwürdig. Ohne Ideale kann es
einen echten Journalisten von Gottes Gnaden so wenig geben wie einen echten
Dichter oder Künstler. In ihnen allen adelt erst der göttliche Funke in der
Brust den Beruf. Ein tüchtiger Journalist muß als solcher geboren sein, eine
gütige Fee muß ihm die Göttergabe des Talents in die Wiege gelegt haben,
gerade so wie dem Dichter und dem Künstler auch. Aber er muß dieses Talent
durch Fleiß und Kenntnisse, durch Glauben und Hingebung an den Beruf,
durch eine sittliche Kraft der Überzeugung zur Entfaltung gebracht haben, gleich¬
viel welches der Parteistandpunkt sein möge, in dessen Heerbann er tritt. Es
gehört ferner zu dieser Tätigkeit ein gut Teil Takt und Diskretion, manche
Selbstverleugnung, schneller und erfassender Blick, ein sicheres Organisations¬
talent, Umsicht und Fähigkeit in der Beurteilung von Menschen, dazu ein un¬
ermüdliches Pflichtgefühl und — ein tüchtiger Schulsack. Die Zahl derer, die
alle diese Eigenschaften mit an den Nedaltionstisch bringen, wird freilich nicht
übermäßig groß sein, UnVollkommenheit ist ja leider die erste aller mensch¬
lichen Tugenden. Je näher der Einzelne aber diesem Normaljournalisten kommt,
desto besser wird es um seine Zeitung, desto besser wird es um die Presse und
um ihre Bedeutung für die Kultur bestellt sein. Für die Rekrutierung der
Soldaten der Feder sollte bei der großen Verantwortlichkeit, die ihnen obliegt,
um so mehr die Lehre des Reitersmannes in Wallensteins Lager gelten:
Wers nicht edel und nobel treibt,
Lieber weit von dem Handwerk bleibt!
Wäre der Journalismus — nicht nur bei uns, sondern bei allen Nationen —
ungeachtet mancher Fehler und Mängel neben allen praktischen Zielen nicht
durch einen großen Idealismus getragen, niemals würde er vermocht haben,
der Presse ihre Bedeutung zu geben und im Kulturfortschritt der Menschheit
Führer und Bannerträger zu sein. Mit der rauhen und rücksichtslosen Hcrvor-
kehrung der geschäftlichen Seite des Zeitungsunternehmens, wie dies in Amerika
zum großen Teile der Fall ist, würde die Presse ihre heutige Bedeutung niemals
gewonnen haben. Wir dürfen getrost hinzufügen, daß auch der amerikanische
Journalismus wenn nicht zu seinem größern, so doch jedenfalls zu seinem
bessern und dauernd einflußreichen Teile von Idealen getragen ist, wenn auch
vielleicht von solchen, die mehr den wesentlich anders gearteten Gestaltungen
der Neuen Welt als denen der Alten Welt entsprechen.
Ungeachtet der Bedeutung der Presse im Kulturleben aller zivilisierten
Völker ist es doch eine feststehende Tatsache, daß sie keineswegs immer identisch
ist mit der öffentlichen Meinung ihres Landes, deren Ausdruck und Vertreter
zu sein sie beansprucht. Daß diese im Gegenteil die Presse korrigiert und sie
auf andre Wege weist, ist in Zeiten einer Erregung der Geister, bei der Be¬
handlung wichtiger Gesetzvorlagen usw. schon öfter dagewesen. Mit Recht
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